Das Doppelleben der Kriegsreporter
Um die 40, unverheiratet, kinderlos und trotz großer Erfahrung in ihrem Metier ein verschwindend kleines, unbekanntes Licht: Die TV-Newsredakteurin Kim Baker (Tina Fey) versinkt im Trott. Als ihr 2004 ein Posten als Krisengebietsreporterin im weiterhin kriegsgerüttelten Afghanistan angeboten wird, nimmt sie diesen aus einer Laune heraus an - und öffnet somit schlagartig ein völlig neues Kapitel in ihrem Leben. Aus dem grauen Mäuschen wird (dem "Kabulzuschlag" respektive dem Mangel an Frauen im Journalistencamp sei es gedankt) eine begehrte Braut, und nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, in der sie großen Respekt vor möglichen Unfällen hat, wandelt sie sich zudem zu einem Adrenalinjunkie. Für gute Bilder von gefährlichen Einsätzen setzt sie, ohne mit der Wimper zu zucken, ihr Leben aufs Spiel, selbst wenn sie damit ihrem Militärkontakt, dem US-Marine-Corps-General Hollanek (Billy Bob Thornton) allerhand Nerven kostet. Dafür hat Baker ein Gespür dafür, an Informationen zu gelangen, die den Marines die Arbeit erleichtern - jedenfalls, wenn sie sich ihrer Arbeit widmet, statt mit der berühmten australischen Korrespondentin Tanya Vanderpoel (Margot Robbie) und dem derben schottischen Fotografen Iain MacKelpie (Martin Freeman) Party zu machen…
"Whiskey Tango Foxtrot": Beißender Witz und stille Dramatik
Obwohl Drehbuchautor Robert Carlock ("30 Rock", "Unbreakable Kimmy Schmidt") die Kim-Baker-Memoiren "The Taliban Shuffle: Strange Days in Afghanistan and Pakistan" als Vorlage zu dem Komödiendrama "Whiskey Tango Foxtrot" genommen hat, ist diese 35 Millionen Dollar teure Kinoproduktion nicht der strengen Faktentreue verpflichtet. So arbeitet die Leinwandversion von Kim Baker fürs Fernsehen, während die reale Kim Baker als Reporterin für die Chicago Tribune Artikel verfasste. Doch so lose sich Carlock auch an spezifische Details in Bakers Zusammenfassung ihrer Erlebnisse orientieren mag: Tonal schlägt "Whiskey Tango Foxtrot" in dieselbe Kerbe und präsentiert sich über weite Strecken als Ansammlung mittellanger Vignetten, die mal feuchtfröhlich, mal dramatisch, mal zynisch sind. Dank der einmal mehr scharfzüngigen Tina Fey im Zentrum des Geschehens gelingen diese Übergänge auch ohne starken roten Faden sehr gut.
Wenn die "Girls Club"-Autorin und -Nebendarstellerin mit "Wolf of Wall Street"-Entdeckung Margot Robbie Party macht und über Vorzugsrechte bei der Männerwahl spricht, legt sie denselben staubtrockenen Witz an den Tag wie bei ihren gehässigen Kommentaren auf unsinnige Entwicklungen in der Newslage. Auch wenn sie sich mit dem ungebührlich verhaltenden afghanischen Politiker Ali Massoud Sadiq (fehlbesetzt und überzeichnet: Alfred Molina) Wortgefechte liefert oder sie eine waschechte Screwball-Hassliebe zum forschen, doch gutherzigen Iain MacKelpie (Martin Freeman) entwickelt, überzeugt Tina Fey in ihrer Darstellung in "Whiskey Tango Foxtrot": Zurückhaltend genug, um ihr das Ex-Mauerblümchen abzukaufen, spontan und begeisterungsfähig genug, um glaubwürdig zu machen, wie sehr sich Kriegsreporter in eine Sucht nach Gefahrensituationen stürzen können.
Passend zur facettenreichen Charakterisierung Bakers spielen die Regisseure Glenn Ficarra und John Requa mit dem Tonfall in "Whiskey Tango Foxtrot": Das Duo, das schon in "I Love You, Phillip Morris" und "Crazy, Stupid, Love." munter die Gangart wechselte, lässt mal mit ruhigem Schnitt, schwerer Musik und entsättigten Bildern Dramatik und die Bedrohlichkeit eines Krisenorts aufkommen, nur um dann das Tempo anzuziehen und Feys/Bakers Sarkasmus in den Fokus zu rücken. Das Publikum muss sich auf diese tonalen Wechsel einlassen, bekommt dafür aber auch eine runde Charakterisierung der Arbeit eines Krisenreporters (und darum geht es im Film, nicht um den Krieg per se) geboten.
Gute Intentionen, doch der Teufel liegt im Detail
Als Anekdotenansammlung geht "Whiskey Tango Foxtrot" das Risiko ein, dass manche Strecken besser funktionieren als andere, und dass er insgesamt narrativ etwas ungeordnet wirkt. So schindet Baker bei den Marines Eindruck, woraufhin der von Billy Bob Thornton zackig gespielte General erstmal von der Bildfläche verschwindet, nur um im letzten Akt gewissermaßen als Trumpf aus dem Ärmel geschüttelt zu werden. In der zweiten Hälfte von "Whiskey Tango Foxtrot" verleiht wiederum die angenehm unaufdringliche, warmherzige Interaktion zwischen Fey und Freeman dem Geschehen ein bodenständig-romantisches Flair, wofür aber Bakers Kernproblem erzählerisch untergeht: Ihr TV-Sender will das Budget für Afghanistanberichte kürzen, da der Irakkrieg viel spannender sei. Zwar gewinnt dieser Erzählstrang später die Überhand, wird dabei aber vergleichsweise eindimensional abgehandelt, wohingegen die anderen thematischen Aspekte schon deutlich facettenreicher angepackt werden.
Abgesehen von den kleineren Längen, die im weniger wild erzählten letzten Drittel immer dann entstehen, wenn die zentral angerissenen Themen ausgetauscht werden, sorgt "Whiskey Tango Foxtrot" zudem im Castingsegment für ratloses Kopfkratzen: Obwohl der Film US-kritische Töne anschlägt und für eine weniger voreingenommene Beurteilung Afghanistans einsteht, werden vereinzelte nordöstliche Rollen mit Darstellern eines anderen ethnischen Hintergrunds besetzt, was für Inkonsequenz spricht.
Fazit: "Whiskey Tango Foxtrot" ist eine humorvolle, zugleich kritische Auseinandersetzung damit, was Kriegsschauplätze aus Journalisten machen. Mit einer engagierten und scharfzüngigen Tina Fey in der Hauptrolle und sarkastischer Situationskomik täuscht das ungewöhnliche Drama gekonnt über vereinzelte erzählerische Schwächen hinweg.