"June" - Ein dokumentarisches Denkmal für June Carter Cash
Erst 1968 akzeptierte sie seinen Heiratsantrag. Zeitlebens blieben sie zusammen, er starb vier Monate nach ihrem Tod am 15. Mai 2003. Obwohl beide oft gemeinsam auf der Bühne standen, avancierte Johnny Cash zum Megastar, während June Carter Cash immer ein wenig in seinem Schatten blieb. Ihrer Liebe tat das nicht weh, aber die Country-Sängerin und Songschreiberin hat es längst verdient, auch mal in den Vordergrund gerückt zu werden. In der Dokumentation "June" (bei Paramount+ zu streamen) geht es um ihr Leben und ihre Verdienste.
Ein Leben für die Country Music
Zuerst lernen wir June Carter als kleines Mädchen kennen. Bereits als Zehnjährige stand sie auf der Bühne, denn die Country Music wurde ihr sozusagen schon in die Wiege gelegt. Ihr Eltern gehörten zur The Carter Family, eine der ersten Bands der Country Music.
Als sich The Carter Family 1956 auflöste, machte Maybelle Carter (1909 - 1978) mit ihren Töchtern Anita, Helen und June als Mother Maybelle & the Carter Sisters weiter. In den Fünfzigerjahren kehrte June Carter gleich zweimal in den Ehehafen ein und wurde selbst Mutter von zwei Töchtern.
1961 ging sie erstmals mit Johnny Cash auf Tournee. Ihre Liebe hielte sie zunächst geheim, June hatte auch Zweifel, weil Johnny schon damals dem Alkohol verfallen war. 1968 heiratete sie dann doch ein drittes Mal, zwei Jahre später wurde John Carter Cash geboren. Mit ihrem Mann drehte sie auch Filme, verfolgte aber auch eine Solokarriere oder trat wieder mit ihren Schwestern auf. Nach einer Herzklappenoperation erholte sie sich 2003 nicht mehr und Johnny Cash verfiel in eine tiefe Trauer.
"June" - Diesmal nicht im Schatten von Johnny Cash
Bestimmt ist Regisseurin Kristen Vaurio, die zuvor ausschließlich als Produzentin ("Arbeit: Was wir den ganzen Tag machen") fungierte, von Anfang an klar gewesen, das in einer Dokumentation über June Carter Cash auch Johnny Cash zwangsläufig eine zentrale Figur spielt. Immerhin bestimmte der Mann über 40 Jahre ihres Lebens mit. Aber Vaurio baut das Thema Johnny Cash geschickt ein, stets im Kontext zu seiner Frau, wie sie auf den Stationen ihres gemeinsamen Lebensweg über ihn dachte und fühlte. Diesmal steht sie also nicht im Schatten ihres schon zu Lebzeiten zur Legende gewordenen Mannes. Er erntete zwar mehr Lorbeeren als sie, hatte aber mit mehr Dämonen zu kämpfen. Erst mit ihrer Hilfe konnte er sich von seiner Alkohol- und Tablettenabhängigkeit befreien. Sie hielt zu ihm und schien dabei stets die Stärkere von beiden zu sein.
Stark, selbstbewusst und sympathisch
In dieser Dokumentation erfährt man einiges über June, was vorher wohl nur die wenigsten über sie gewusst haben dürften. Die gute Recherche ist spürbar, und als Zuschauer hat man nie das Gefühl, dass hier etwas beschönigt oder unterm Teppich gekehrt wird. Ihre Kindheit kommt genauso zur Sprache wie ihre beiden gescheiterten Ehen vor Johnny Cash.
Aufgelockert wird die Faktensammlung immer wieder mit Originalaufnahmen schon mit der ganz jungen June, früheren Fotografien, Ausschnitten aus gemeinsamen Filmen mit Johnny und natürlich Interviews, in denen sich Menschen äußern, die June als Kollegin kannten wie Willie Nelson und Dolly Parton. Aber auch ihre Kinder kommen zu Wort sowie Reese Witherspoon, die June zwei Jahre nach ihrem Tod in dem Drama "Walk the Line" porträtierte und dafür den Oscar als Beste Hauptdarstellerin erhielt.
Vor allem bekommt man in dieser Dokumentation immer wieder einen Eindruck davon, wie wichtig die Musik für June Carter Cash war. Noch bis ins hohe Alter sang und musizierte sie. Country war ihr Lebenselixier verfallen war. Und schließlich ihr bezauberndes Lächeln - mal verschmitzt, mal strahlend, aber nie aufgesetzt. June Carter Cash hat sich ihren Humor, ihren Charme nie nehmen lassen. Schon deshalb kommt sie in "June" dermaßen stark, selbstbewusst und sympathisch rüber.
Fazit: Eine wahrlich aufrichtige und lebendige Dokumentation über eine vor 21 Jahren verstorbene Ikone der Country Music. June Carter Cash hätte sich keine bessere filmische Aufarbeitung ihres Lebens wünschen können.