Vielleicht beides auf einmal. Fest steht, dass der mittlerweile 58-Jährige mit seinem ganz auf den Bakerfield-Sound zugeschnittenen Country-Rock lange Jahre auf der Erfolgswelle schwamm. Ganz oben noch dazu. Über 25 Millionen verkaufte Alben und reihenweise Grammys® stehen zu Buche. Doch wie alle anderen der damaligen New-Country-Bewegung wurde auch Yoakam Opfer des Genre-Liftings. Den letzten Grammy® gab es 2001, seitdem bäckt auch er etwas kleinere Brötchen...
...keinesfalls aber weniger Wohlschmeckende. Das belegt auch sein neues Album "Second Hand Heart". Erneut ohne seinen viele Jahre treuen Begleiter - den Gitarre spielenden Produzenten Pete Anderson - eingespielt, setzt Dwight Yoakam ganz auf seine Tourband - und auf Produzenten-Altmeister Chris Lord-Alge (Joe Cocker, Bruce Springsteen). Zehn Titel brachte das frische Recording-Team auf Band, darunter acht Eigenkompositionen. Entstanden sind die neuen Tracks größtenteils auf Tour: 2014 verdingte sich Yoakam als Opening-Act für Eric Church - auch ein Sinnbild für die veränderten Verhältnisse im Country.
Obwohl der Albumtitel "Second Hand Heart" nach Lebensbilanz, nach gescheiterten Beziehungen, Verbitterung und Weltschmerz klingt, bleibt sich der auch als Schauspieler erfolgreiche Künstler treu. Das macht auch gleich mal der Opener "In Another World" nur zu deutlich: Stum und Twang, Baritone-Gitarren, Retro-Billy - und dazu eine gut gelaunte Melodie. Dabei gelingt ihm erneut das Kunststück, gleichzeitig erz-traditionell und mega-hip zu klingen. Eine Bravourleistung, für die ihn seine Fans lieben.
Auch wenn man vielleicht ab und an die vorzüglichen Gitarren-Passagen seines einstigen Weggefährten Pete Anderson vermissen sollte: die Neuen, Brian Whelan und Eugene Edwards machen an ihren Telecasters einen tollen Job. Man nehme nur das romantische, dennoch schmissige "She": exzellente Riffs, erstklassige Soli. Die Abwesenheit seines langgedienten Spießgesellen macht sich eher im Großen und Ganzen, in der Atmosphäre der CD bemerkbar. Früher durchzog das Yoakam-Werk schließlich stets eine augenzwinkernde Fröhlichkeit, nicht selten auch eine solide Portion Zynismus. Davon ist jetzt nur noch wenig zu spüren. Vielleicht noch bei dem an den Elvis-Feger "Suspicious Minds" erinnernden "Dreams of Clay" oder beim knalligen "The Big Time" - da singt er doch glatt: "I ain't never seen the big time" - was ihn aber nicht weiter grämt, denn: Auf dem Rasen zu sitzen und seine Frau beim Wäschemachen zuzusehen ist ja auch nicht so schlecht.
Seine besten Momente hat er - wie immer - wenn er im Midtempo seinem Hero Buck Owen nacheifert. So wie bei dem ultra-lässigen "Off Your Mind" etwa. Dass der Mann ein Spaßvogel ist, wird auch in seiner Interpretation des Traditionals "Man of Constant Sorrow" deutlich. Da dreht er den durch den Kult-Film "O Brother, Where Art Thou? - Eine Mississippi Odyssee" bekannt gewordenen Klassiker durch den Fleischwolf und präsentiert eine geradezu punkige Version des Oldtimers. Frech. Aber auch irgendwie genial.
Fazit: Etwas ernster, etwas weniger ironisch - aber immer noch in zu engen Jeans auf den Spuren von Buck Owens wandelnd. Starkes Album!
Label: Warner Bros. Nashville (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 14. April 2015 |
Titelliste
01 | In Another World | 06 | Believe |
02 | She | 07 | Man of Constant Sorrow |
03 | Dreams of Clay | 08 | Liar |
04 | Second Hand Heart | 09 | The Big Time |
05 | Off Your Mind | 10 | V's of Birds |