Der Opener "Worried Bout the Weather" ist gleich so eine Wundertüte an verschiedenen Einflüssen. Soul, R&B und - dank Steel Guitar - auch klassische Country Music Klänge vereinen sich zu einem Ganzen, das kaum kategorisierbar ist. Klagend und ausdrucksstark legt sich Earles Gesang über diesen Klangteppich, und man fühlt sich wie in einem Kokon aus wohliger Schwere und Melancholie. Noch eine Spur intensiver wird es dann mit dem tristen Titelsong "Single Mothers". Earle singt vom abwesender Vater, der sich nicht kümmert. Von der verlassenen Mutter, die alleine weitermachen muss. Von einem kaputten Zuhause. Es ist schwer, diesen hochgradig emotionalen Song nicht autobiographisch zu interpretieren. Schließlich verließ Steve Earle seine damalige Frau samt Justin, als dieser noch ein Kind war. Es liegt also die berechtigte Vermutung nahe, dass Justin Townes Earle dem Zuhörer schonungslos sein Innerstes offenbart und mit seiner Vergangenheit abrechnet. Das ist wahrlich keine leichte Kost, aber musikalisch aufgrund der emotionsgeladenen Thematik höchst anspruchsvoll.
Damit die Stimmung nicht vollends in den Keller geht, bietet Earle dann mit "My Baby Drives" eine lockere, bluesige Nummer, die ein wenig an die legendären Klänge von Creedence Clearwater Revival erinnert. Auch das von einer Steel Guitar dominierte "Today and a Lonely Night" ist nicht ganz so düster wie der Auftakt des Albums, und versprüht trotz seiner simplen und gleichbleibenden Struktur einen gewissen Charme. Earle schafft es auf unkonventionelle Weise, Atmosphäre zu schaffen und Geschichten zu erzählen. So auch bei "Picture in a Drawer", einem Lied über Verlust, Schmerz und Einsamkeit. "Wanna Be a Stranger" bietet dann wieder verhältnismäßig stimmungsvolle Töne, wobei das nachdenkliche und grüblerische Leitmotiv in Earles Texten und dem Charisma seiner Stimme stets erhalten bleibt. Da bildet auch "White Gardenias" keine Ausnahme, das mit seinem schleppenden Bass und der erneut dominanten Steel Guitar begeistert.
"Time Shows Fools" läutet dann das Schlussdrittel des Albums ein, und kommt dabei ungewohnt forsch und griffig daher. Ein frischer, unverbrauchter Akzent, den Earle hier genau zum richtigen Zeitpunkt setzt. Mit "It's Cold In This House" wird es nämlich wieder deutlich ruhiger und besinnlicher. "Ich habe nie gelernt, alleine zu sein, denn ich habe es nie versucht", offenbart Earle mit fragiler Stimme. Nachdem man so viel schwer Verdauliches vorgesetzt bekommen hat, traut man zunächst seinen Ohren kaum, als der finale Song "Burning Pictures" ertönt. Der Verstärker der Gitarre ist tatsächlich mal über das Minimum hinaus aufgedreht, und auch der Bass darf mal ungeniert drauf los hämmern. Ein gelungener Abschluss!
Fazit: Justin Townes Earle bietet auf "Single Mothers" teils tiefe Einblicke in sein Seelenleben. Ein Album mit massig Tiefgang, das vom Mainstream so weit entfernt ist wie die Erde vom Mond. Alles in allem gelungen, an manchen Stellen aber auch zu dunkel und monoton.
Label: Vagrant (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 9. September 2014 |
Titelliste
01 | Worried Bout The Weather | 06 | Wanna Be a Stranger |
02 | Single Mothers | 07 | White Gardenias |
03 | My Baby Drives | 08 | Time Shows Fools |
04 | Today and a Lonely Night | 09 | It's Cold in This House |
05 | Picture in a Drawer | 10 | Burning Pictures |