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Die Geschichte der US-Sängerin Shelby Lynne (*1968) ist der seltsameren Karrieren, die der New Country im letzten Jahrzehnt so zu bieten hatte. Und eine der tragischsten dazu: Als junges Mädchen mussten Shelby und ihre Schwester mit ansehen, wie ihr Vater, ein starker Alkoholiker, die Mutter erschoss. Als Lynne 2001 den Grammy für Best New Artist erhielt, da wusste sie wohl selbst nicht so recht, ob sie nun lachen oder weinen sollte. Denn da hatte sie bereist auf sechs Alben die verschiedenden Stilrichtungen des Country ausgelotet: Von Western Swing über rootsigen Blues bis hin zu Sherryl-Crows'schen Popularcountry. Die schnelle "Auf-Nummer-Sicher-"Karriere mit einem von Glen Ballard (Alanis Morissette) produzierten Album ging dann daneben. Doch seit ihrem 2003er Album "Identity Crisis" versöhnt sie sich wieder mit ihrem Publikum: Indem sie keine unnötigen Kompromisse mehr macht. Auf ihrem aktuellen Album "Suit Yourself" ("Mach's, wie's dir gefällt") macht Shelby Lynne da weiter, wo sie mit "Identity Crisis" aufhörte: Da finden sich spröde Heimaufnahmen neben ausgefeilten Studioaufnahmen mit der Band ihres Vertrauens, unter anderen dem ehemaligen Wallflowers-Gitarristen Michael Ward Keyboarder Benmont Tench von Tom Pettys Heartbreakers. Neben ihren eigenen, schlichten aber wirkungsvollen Songs, enthält "Suit Yourself" auch zwei Coverversionen: Tony Joe Whites sanftsentimentales "Old Times Sake" und eine, die wir erst am Schluss dieser Rezension verraten wollen, weil sie wohl auch Lynne selbst als Überraschung geplant hat.
Nicht überraschend für die Tochter einer Musiklehrerin für Harmoniegesang, experimentiert Lynne auch auf "Suit Yourself" wieder mit ihren eigenen, auf mehreren Aufnahmespuren nacheinander eingesungenen Stimmenarrangements: Mancher dieser komplexen Backgrounds wirkt im ersten Moment fast ein wenig sehr schräg, bei "You and Me" taumelt sie fast durch die vielen Gesangsspuren, aber bei genauem Hinhören passt alles ganz famos zusammen. Ansonsten lebt "Suit Yourself" von seinem unmittelbaren Charme. Statt einfach mit dem ersten Song, der Up-Tempo-Nummer "Go With It" loszupoltern, lässt Lynne den Hörer hinter die Kulissen blicken und eröffnet das Album mit einem kurzen Ausschnitt aus den Demoaufnahmen zu dem Lied: Inklusive der Kommentare der Beteiligten. "Suit Yourself" ist Shelbys Album, und ganz allein ihrs. Das merkt man bei jeder Note und ganz allein ihrs. Aber sie heißt alle willkommen, die sich auf ihre Arbeit einlassen wollen.
Im Spannungsfeld zwischen Tonstudio und Küchentischdemos ist "Suit Yourself" ein sehr abwechslungsreiches Album geworden: Sheryll Crow Fans werden "Go With It" lieben, "You Don't Have A Heart" hätte man auch auf einer Bob-Dylan-Platte finden können, "Iced Tea" ist eine feine Reminizens an den traditionellen Country und "Johnny Met June" ist eine feine Hommage an die Kraft der Liebe: Und an
Johnny Cash und seine
June, und dass sie im Himmel auf ewig wiedervereint sein mögen. Hart am Kitsch, sicherlich, aber bewegend, ohne Frage. ACHTUNG: Ab hier veraten wir die Überraschung des zwölften Songs. Wer es nicht wissen will, der überspringe bitte den Rest dieses Absatzes. Der im Tracklisting unbenannt gebliebene "Track 12" entpuppt sich als super entspannte, Pedal-Steel-selige Coverversion von "Rainy Night in Georgia", mit Tony Joe White an Nylonsaitengitarre, Stratocaster und Harmonica.Die geht dann auch mal locker über sieben Minuten, ohne langweilig zu werden.
Fazit: "Suit Yourself" ist ein sehr persönliches und ein sehr schönes Album von einer der derzeit faszinierendsten und selbstbewusstesten Damen des New Country. Shelby Lynne macht, was sie will. Weil es ihr so passt. Und uns erst recht.
Label: Capitol Music (EMI) |
VÖ: 27. Juni 2005 |
01 |
Go with it |
07 |
You and we |
02 |
Where am I now |
08 |
Johnny met June |
03 |
I cry everyday |
09 |
You don't have a heart |
04 |
You're the man |
10 |
Iced tea |
05 |
Old times sake |
11 |
Sleep |
06 |
I won't die alone |
12 |
Bonus Track |