Ganze neun Jahre haben sich The Wallflowers um Bandleader, Songschreiber und Sänger Jakob Dylan für "Exit Wounds" Zeit gelassen. Im Rockbusiness ist das: eine ganze Epoche. Eine Zeitspanne, in der sich die Musikszene gedreht und verändert hat - und nach der man eigentlich fast schon wieder bei null anfangen muss. Schlimm? "Es ging einfach nicht anders", verriet uns kürzlich in einem Telefoninterview Jakob Dylan mit kernig-selbstbewusster Stimme, "nach unserem letzten Album "Glad All Over" waren wir erst mal auf Tour, dann ging ich solo auf Konzertreise und dann habe ich eine Filmdokumentation gemacht."
Und schwupps, waren neun Jahre rum. Die besagte Filmdokumentation, namentlich "Echo in the Canyon", in der er dem Geist der Musiker-Hippies des Laurel Canyon in den 60er- und 70er-Jahren nachspürt, hat indirekt mit der Entstehungsgeschichte von "Exit Wounds” zu tun. Denn: Bei den Aufnahmen lernte Dylan Junior Folk-Rock-Legende Tom Petty kennen - und über die Maße zu schätzen: "Er hat ja schon immer meine Musik beeinflusst", gibt der Bob-Dylan-Spross unumwunden zu, "doch bei "Exit Wounds" ist sein Einfluss noch stärker: Es kommt mir vor, als ob sein Geist als leitende Kraft über dem Album schweben würde."
Comeback nach neun Jahren: The Wallflowers
Tatsächlich erinnern gleich mehrere Songs an Tom Petty, bzw. an Tom Petty & The Heartbreakers. Man nehme nur die Single-Auskopplung "Roots and Wings". Mit seinen schwebenden, euphorischen Gitarren-Akkorden, dem unangestrengten Groove und dem lässig ungekünstelten Vortrag lässt der Track an Petty's glanzvolle "Into The Great Wide Open"-Zeit denken. Keine Frage, der Vergleich drängt sich auf. Allerdings, und das muss auch gesagt werden, gelingt Dylan in der Melodieführung nicht ganze jene evergreen-taugliche Unwiderstehlichkeit, die manchen "Into The Great Wide Open"-Track auszeichneten.
Das alles gilt auch für "Who's That Man Walking Round My Garden". Den mit Bläsern um ruppige Rhythm and Blues-Akzente erweiterten Titel sieht Dylan als klarste Referenz an Petty. "Der Track hat wahrscheinlich die engste Verbindung zu ihm und seinen Sound in den 90er Jahren", sagt er. Wer will ihm da widersprechen? Gleichzeitig aber erinnert der Titel mit dynamischem Drive, frenetischem Chorgesang und simplen aber höchst effektvollen Gitarren-Riffs an die Stones während ihrer "Exile On Mainstreat"-Ära. Eine Zeit, in der die Stones bekanntermaßen (gemeinsam mit Star-Gast Gram Parsons) mit dem Country-Sound flirteten.
Für Vitamin C sorgt auf "Exit Wounds" freilich auch Gastsängerin Shelby Lynn. Eigentlich war die großartige Künstlerin nur für einen Song als zweite Stimme eingeplant, so Dylan. Da sie aber ihre Sache so gut gemacht hat, ist die 52-jährige Grammy-Gewinnerin jetzt sogar auf vier Songs zu hören. Eine prominentere Rolle übernimmt sie beispielsweise in der hervorragenden Ballade "I'll Let You Down But Will Not Give You Up". Nach der ersten, von Dylan lakonisch - und damit irgendwie auch an seinen Daddy erinnernd - vorgetragenen Strophe übernimmt Lynn die Lead-Vocals. Tja, was soll man da sagen? So charismatisch Jakob Dylan als Sänger auch sein mag – sobald Shelby Lynn zu singen beginnt, geht akustisch die Sonne auf.
"Exit Wounds" - im Geiste von Tom Petty
Vermutlich liegt das aber auch daran, dass Dylan als Sänger nicht unbedingt flexibel ist. Das zeigt sich auch im nachfolgenden Titel "Wrong End of the Spear", wo er, ökonomisch seine Energie verwaltend, an Mark Knopfler erinnert. Auch musikalisch lässt die gefühlvolle Folk-Ballade an den Ex-Dire-Straits-Chef denken. Das gilt sogar noch mehr für den bluesigen Folk-Rock von "I Hear The Ocean When I Wanna Hear Trains". Van Morrison kommt einem dagegen bei der Ballade "Darlin Hold On" in den Sinn, bei dem erneut Shelby Lynn die Leadvocals in der zweiten Strophe übernimmt. Als einziger Ausreisser dieser von balladesken Folk-Rock- und Americana-Tönen geprägten Songsammlung lässt sich "Move The River" ausmachen. Der mit treibend synkopierten Gitarrenriffs versehene Track atmet – trotz Shelby Lynn im Background – den aufmüpfigen Geist des New Wave.
Fazit: The Wallflowers präsentieren auf ihrem Comeback-Album "Exit Wounds" soliden, an Tom Petty und die Dire Straits erinnernden Folk-Rock und Americana. Shelby Lynn sorgt dabei für willkommene vokale Abwechslung und Country-Feeling.
Label: New West / PIAS (roughTrade) | VÖ: 16. Juli 2021 |
01 | Maybe Your Heart's Not In It No More |
02 | Roots And Wings |
03 | I Hear The Ocean (When I Wanna Hear Trains) |
04 | The Dive Bar In My Heart |
05 | Darlin' Hold On (mit Shelby Lynn) |
06 | Move The River |
07 | I'll Let You Down (But Will Not Give You Up) |
08 | Wrong End Of The Spear |
09 | Who's That Man Walking 'Round My Garden |
10 | The Daylight Between Us |