Glaubt man den Einträgen auf der offiziellen Homepage, datiert das letzte Konzert des Sängers aus dem Februar 2014. Eine lange Zeit, die vermuten lassen könnte, dass Billy Ray Cyrus seine schon länger nicht mehr sonderlich erfolgreichen musikalischen Ambitionen endgültig ad acta gelegt hätte. Doch - das ist nicht der Fall. So vermittelt "Thin Line" eher den Eindruck, dass es der 55-Jährige noch mal allen zeigen will. Dafür hat der Musiker etliche Freunde aus der Branche zu einer Mitarbeit überreden können.
Prominente Gäste wie Bryan Adams unterstützen Billy Ray Cyrus bei der Single "Hey Elvis"
Shooter Jennings ist bei der Produktion von "Thin Line" ebenso mit dabei wie Shelby Lynn, Bryan Adams, Joe Perry von Aerosmith und der ehemalige Deep Purple-Sänger Glenn Hughes. Aus dem eigenen Nachwuchs gibt es Unterstützung von Sohnemann Braiso und Tochter Miley. Ins Rollen gekommen ist die Produktion von "Thin Line" im Zuge von Billy Ray Cyrus selbst produzierten Sitcom "Still The King", bei der der Schauspieler einen heruntergekommenen Elvis-Imitator spielt. Aus der Feder von Bryan Adams und Gretchen Peters stammt die zur Serie passende und als Vorbote von "Thin Line" erschienene Single "Hey Elvis". Zusammen mit dem kanadischen Rocker und Glenn Hughes legt das in die Jahre gekommene Trio einen gutgelaunten Rock 'n' Roll-Song vor. Das ist so herrlich altmodisch, dass man den Song schon mögen muss.
Reichlich Testosteron ist dann bei "Comin' In Hot" und "Bad" im Spiel. Aber natürlich bleibt inhaltlich alles Anzügliche nur angedeutet. Fakt ist aber, dass es sich bei beiden Up-Tempo Songs um 100-prozentige Hits handelt. Da haben die an beteiligten Songwriter Rodney Clawson, Dallas Davidson, Ashley Gorley, Shane McAnally mal wieder ganze Arbeit geleitet.
Ein weiterer Kracher, der randvoll mit knurrigen Gitarren und einem enorm hohen Wiedererkennungswert ausgestattet ist, stellt "The Way A Night Should Feel" dar. Die Story, des Liebespaars, das mit dem Wagen auf der Flucht Richtung Mexico unterwegs ist, drängt sich quasi auf, als Musikvideo veredelt zu werden.
"Thin Line" ist aus zwei Arten von Songs zusammensetzt. Es gibt etwas neues Material, dazu hat Billy Ray Cyrus als Tribut etliche Klassiker neu eingespielt. Zur letztgenannten Kategorie gehört "Help Me Make It Through the Night”. Bei der Ballade von Kris Kristofferson ist Billy Ray Cyrus allerdings einen Tacken zu schnell unterwegs. Fast so, als wolle er auf jeden Fall dafür sorgen, dass das Lied unter einer Spielzeit von drei Minuten bleibt. Immerhin, die als Duett-Partnerin verpflichtete Songwriterin Kenley Shea Holm erbringt das nötige Herzblut, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Auf "Thin Line" finden sich Klassiker in Neuauflage á la Billy Ray Cyrus
Eine deutlich bessere Figur gibt Billy Ray Cyrus beim ebenfalls von Kris Kristofferson geschrieben, aber von Johnny Cash 1970 zum No.1 Hit veredelten "Sunday Morning Coming Down" ab. Der Don Williams-Gassenhauer "Tulsa Time" erhält ebenfalls eine Frischzellenkur. Dafür ist aber in erster Linie das flinke Gitarrenspiel des mittlerweile auch schon 66-Jährigen Joe Perry verantwortlich. Die erdige Neuauflage von Merle Haggards "Going Where the Lonely Go" punktet ebenfalls mit außergewöhnlich gutem Gitarrenspiel, dagegen ist der stimmliche Einsatz von Braison Cyrus kaum wahrzunehmen.
Für Waylon Jennings' "I've Always Been Crazy" hat Billy Ray Cyrus dessen Sohn Shooter Jennings und Lee Roy Parnell an der Slide-Gitarre ins Studio geholt. Das mit seltsamen Geräuschen ausgestattete Ergebnis dürfte Fans aber nur bedingt glücklich machen, besser geglückt ist dem Duo Cyrus/Jennings das countrylastige "Killing the Blues".
Einen Klassiker aus dem eigenen Songwiter-Schrank gibt es mit "Stop Pickin' on Willie". Diesen Song bot Billy Ray Cyrus beim Live at Farm Aid 1997 zusammen mit Willie Nelson dar - nur auf CD gab es die Nummer bisher nicht zu hören. Jetzt schon, wenn auch ohne Willie Nelson.
Der Rest der anderen eigenen Nummern ist wenig spannend ausgefallen. Der Titeltrack "Thin Line" ist eigentlich noch ganz okay, aber Shelby Lynne darf gerade mal den Chorus nachsingen. Etwas wenig, wenn man bedenkt, dass die Sängerin schon bei "Sunday Morning Coming Down" kaum zur Geltung kommt. Den Tiefpunkt stellt das von Miley Cyrus und ihrem Vater geschriebene "Angels Protect This Home". Ein über acht Minuten langes, kaum zu entschlüsselndes, vertontes Gebet. Schön, wenn die beiden auf dem Esoterik-Trip sind und sich um die Zukunft der Erde Sorgen machen, aber so etwas will nun wirklich kein Mensch auf einer Country-CD hören.
Fazit: Viele aufgewärmte Klassiker und ein paar neue Nummern - insgesamt kann Billy Ray Cyrus mit seinem neuen Album "Thin Line" wieder nur in Ansätzen überzeugen.
Label: Blue Cadillac (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 9. September 2016 |
01 | Thin Line (mit Shelby Lynne) |
02 | Loving Her Was Easier (Than Anything I'll Ever Do Again) |
03 | They're Playin Our Song |
04 | My Heroes Have Always Been Cowboys |
05 | Stop Pickin on Willie |
06 | Sunday Morning Coming Down (mit Shelby Lynne) |
07 | Tulsa Time (mit Joe Perry) |
08 | Hillbilly On |
09 | Killing the Blues (mit Shooter Jennings) |
10 | I've Always Been Crazy (mit Shooter Jennings & Lee Roy Parnell) |
11 | Hey Elvis (mit Bryan Adams & Glenn Hughes) |
12 | Help Me Make It Through the Night (mit Kenley Shea Holm) |
13 | Hope (Let It Find You) |
14 | Going Where the Lonely Go (mit Braison Cyrus) |
15 | Angels Protect This Home (mit Miley Cyrus) |