Das erste, was an "History" positiv auffällt, ist die liebevolle Aufmachung des Booklets. Wer bei christlicher Popmusik einen verhärmten Sänger-Prediger erwartet, der wird von West positiv überrascht. Das Booklet enthält nicht nur alle Texte, sondern auch lustige Schaubilder: Die zeigen, dass West pro Auftritt mindestens zwei mal "Woo" ruft, anderthalb mal "Rock" und neunmal "Yeah!" Besonders sympathisch seine Lebenslinie: 1985 sah er "Zurück in die Zukunft und wollte Skateboardfahren wie Michael J Fox", 1995 schrieb er seinen ersten Song im Schlafsaal seines College: "Vier Akkorde, die Wahrheit und ein ziemlich schlechter Song", 1998 erscheint seine selbst vertriebene CD "Every Step On The Way": "Verkaufte sich hundertfach" schreibt er lapidar. Die Musik auf History absichtlich nicht auf den schnellen Scherz aus, aber sie ist ähnlich unterhaltsam. Mit Kenny Greenberg und Jason Houser produzierte West gehobene Poprocksongschreibekunst, clever und abwechslungsreich und mit kleinen Überraschungen: Da kann mitten im Song plötzlich die Tür aufgehen und ein Gospelchor kommt herein.
West will den Poprock nicht neu erfinden, aber er will sicherstellen, dass weder er noch sein Publikum mit allzu ausgelutschten Klischees oder halbgaren Songentscheidungen herumärgern müssen: Hier ein spannender Gitarrensound, dort eine überraschende Bridge, hier ein wenig Jack Johnson, dort ein wenig räudiger Robbie-Williams-Balladenflair: "Out of Time" mit seinem grandiosen Mitsingfinale hätte es verdient, zum Welthit zu werden. Am meisten aber beeindruckt die bescheidene Ballade "The Last Ones", in der West die Begegnung mit einem zehnjährigen behinderten Mädchen beschreibt: "She's a living, breathing miracle". Denn in den Momenten schreiender Ungerechtigkeit, in denen selbst ein Christ vom Glauben abfallen könnte, lehrt sie ihn über das Leben und wahres Glück. "God bless the last ones" - Gott hat ein Herz für die, die als letzte ins Ziel kommen. Nur zweimal geht West dem Pathos und der Bekehrungslust in die Falle. Und das ausgerechnet bei den ersten zwei Tracks: dem übertrieben auf Dramatik getrimmten, mit Chor und Streicherglorie aufgepeppten Opener "History" und dem lächerlichen Lalalalala-Geträllere in "Next Thing You Know". Aber wenn die erst einmal verklungen sind, dann wird's ein gutes, ein schlaues Popalbum.
Fazit: Matthew Wests "History" ist ein weitestgehend gelungenes, ungewöhnliches Pop/Rock-Konzeptalbum: Es klingt in jeder Sekunde nach voller Hingabe, ehrlicher Liebe und wirklicher Aufrichtigkeit.
Label: Universal South (Universal) | VÖ: 28. Juni 2005 |
Titelliste
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01 | History | 07 | Nothing Else |
02 | Next Thing You Know | 08 | The Last Ones |
03 | Only Grace | 09 | The Light Of Eternity |
04 | Get Away | 10 | Out Of Time |
05 | The Day Before You | 11 | A Few More Days |
06 | Know You're There |
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