Sein Solo-Debüt von 2006 "Underneath the Same Moon" fiel dennoch bescheiden aus: Platz 64 in den Country-Charts. Kein Resultat, mit dem sich der genauso ehrgeizige wie selbstbewusste, Sänger Songschreiber und Produzent zufrieden geben kann. Keineswegs ...
Deshalb hat er für diesen zweiten Solo-Anlauf die Ärmel seines Western-Hemdes tüchtig hoch gekrempelt. Das Ergebnis sind elf Titel aus seiner Feder (mit abwechselnden Co-Autoren) und ein Booklet mit witzigen, selbstironischen Bildern und folgender Widmung auf der letzten Umschlagseite: "I'd like to thank all the hardworking American men and women that spent their hard-earned money on this record. It means more to me than words can express. God bless Country Music. God bless the country fans."
Klar, der Mann ist ein Schelm. Er ist aber auch ein bekennender Patriot und in Sachen Country ein Überzeugungstäter. Auch – oder vielleicht gerade – wegen seiner Rebellen-Attitüde gegenüber dem Music-Row-Establishment.
Musikalisch gibt sich der 1974 in Amarillo, Texas, geborene John Rich gemäßigter und konventioneller als zu erwarten war. Von hektischen Brutalo-Gitarren-Riffs und Rock-Drums hat er sich zugunsten einer traditionelleren Country-Interpretation verabschiedet. Ein Schritt zurück – und gleichzeitig zwei Schritte nach vorne. Denn die Arrangements der elf Tracks besitzen jetzt eine moden-unabhängige, erstaunlich zeitlose Qualität.
Was natürlich nicht heißen soll, dass John Rich Augen und Ohren gegenüber der Jetztzeit verschließt. Im Gegenteil. "Shuttin' Down Detroit" ist eine in rockige Country-Klänge gehüllte Beschreibung der Finanzkrise – und wütende Anklage gegen die (sanierten) Manager von Detroits-Automobilindustrie. Klar, das ist populistisch. Es ist aber auch eine rare und leider nur selten gehörte Stimme aus Nashville gegenüber politischen Entwicklungen. Wenn man so möchte, gibt der bekennende Republikaner hier eine Kostprobe als Protestsänger. Rich als Bob Dylan – wer hätte das gedacht...
Auch mit den relativ vielen ruhigen, nachdenklichen nicht selten balladesken Titeln durfte man nicht unbedingt rechnen. Bei "The Good Lord and the Man" lässt er den Hörer an seinen spirituellen Gedanken Teil haben, bei "Why Does Somebody Always Have to Die" zeigt er sich von einer bisher unbekannten desillusionierten Seite und bei "I Thought You'd Never Ask" lässt der für sein überbordendes Ego bekannte Sänger erstmals Selbstzweifel und Verletzlichkeit erahnen. Unerwartet harmonisch und sensibel gibt er sich auch in "I Don't Wanna Lose Your Love". Ein Song, bei dem er, wie es scheint, vor seinen Ex-Kumpels von Lonestar den Hut zieht und geschickt den melodischen Faden des Lonestar-Hits "Amazed" aufnimmt.
Doch keine Sorge, liebe Rich-Fans, er ist letztendlich schon noch der Alte geblieben. In dem sehr heftig rockenden "Trucker Man" drückt er im 90er-Jahre-Sound tüchtig auf die Tube, "Everybody Wants to Be Me" sagt schon im Titel alles und bei "Turn a Country Boy on" erinnert er dann doch noch etwas an Big & Rich.
Zum Finale der CD gibt es noch einmal eine echte Überraschung: Bei "Drive Myself to Drink" zeigt sich der Country-Boy als Jazz-Crooner – messerscharfe Bläsersätze und Big-Band-Sound inklusive. Hier zeigen Musiker wie Drummer Shannon Forrest und Bassist Mike Brignardello dass sie auch die swingenden Blue-Notes lässig aus den Ärmeln schütteln. Ein grandioser Schlusspunkt einer sehr guten CD.
Fazit: Der Countryrebell gibt sich gemäßigt – und präsentiert eine richtig angenehme, facettenreiche Songkollektion. Auch ohne Kumpel "Big" ist er ein richtig Großer.
Label: Warner Bros. Nashville (in Deutschland nicht veröffentlicht) | VÖ: 24. März 2009 |
Titelliste
Links
01 | Shuttin' Detroit Down | 07 | Everybody Wants to Be Me |
02 | Trucker Man | 08 | Turn a Country Boy On |
03 | Good Lord and the Man | 09 | Why Does Somebody Always Have to Die |
04 | Another You | 10 | I Thought You'd Never Ask |
05 | Preacher Man | 11 | Drive Myself To Drink |
06 | I Don't Wanna Lose Your Love |