Ja, das darf man. Immerhin gehört Alabama, und damit Owen, zu den stilprägendsten und erfolgreichsten Country-Acts aller Zeiten. In den späten 70ern setzte die Band mit ihrer fulminanten Mischung aus Countryroots und Rock-Power echte Maßstäbe, wurde zum Role-Modell der meisten jüngeren Formationen. Die Frage ist: gelingt es Randy Owen, an diese Erfolge anzuknüpfen? Jetzt, ohne seine Alabama-Kumpels Teddy Gentry, Jeff Cook und Mark Herndon. Leicht wird das unter Garantie nicht. Noch interessanter wird aber sein, ob Randy Owen ohne seine Spießgesellen musikalisch Neues anzubieten hat, oder ob "One On One" letztlich eine etwas andere Alabama-CD ist.
Um die Weichen auf eigene Identität zu stellen, begab sich der bärtige Sänger in die Produktionshände von John Rich (Big & Rich). Der Countryrebell ist untrennbar mit dem neuen Sound Nashvilles verbunden und könnte tatsächlich für einen alten Hasen wie Randy Owen notwendige neue Impulse liefern. Kaum hört man aber in die ersten Takte von "I Confess" ist man gleichzeitig enttäuscht und erleichtert. Enttäuscht - weil sich der Titel genau so gut auf einer weiteren Alabama-CD finden könnte. Erleichtert - weil Owen nicht mit Rap-Einlagen und Heavy-Gitarren ankommt, um auf Biegen und Brechen neue Gefilde zu erobern.
Dennoch: Owen versucht den Spagat. Das wird gerade im zweiten Titel "Holding Everything" deutlich. Einerseits setzt er mit der Dolly-Parton-Komposition auf die bewährten Countrytugenden, andereseits präsentiert er mit der Duett-Partnerin Megan Mullins eine neue, frische Stimme. Apropos "neu und frisch". Auch bei der Auswahl der Session-Musiker gehen Owen und Rich nicht den Standard-Weg. Anstatt auf das typische A-Team um Mason, Bayers, Worf & Co. zu vertrauen, versprechen sich die beiden mit der Verpflichtung von Musikern wie Steve Brewster (Drums), Michael Rojas (Keyb.) und Adam Shoenfeld (Gitarre) neue Impulse.
Der Plan für die Emanzipation des Alabama-Frontmannes klingt also plausibel. Dennoch geht er nur bedingt auf. Denn so wirklich Anderes bietet der wie immer grandios singende Randy Owen im Verlauf der elf Titel nicht an. Die meisten Songs sind - wie bei Alabama - von ruhiger, melodiöser, eingängiger und nicht selten rührselig-balladesker Machart. Sie erzählen - wie bei Alabama - von der Liebe zu den Frauen ("Like I Never Broke Her Heart"), zu Amerika und Gott ("Pray Me Back Home Again") und vom Ruhen in sich selbst ("Slow and Steady").
Also alles Alabama oder was? Schon, aber die Solo-CD hat dennoch seine Berechtigung. Denn Randy Owen klingt hier mehr nach Alabama als die Band zuletzt selbst. Zu sehr hat die Formation in den letzten Jahren mit Pop und Blues geflirtet und dabei nach und nach ihre Wurzeln gekappt. Mit Titeln wie dem rockigen "Urban's on the Country Radio", dem kalypso-inspiriertem "Barbados" und den angenehm ruhigen und gehaltvollen Balladen wie "Let's Pretend We're Strangers for the Night" und "No One Can Love You Anymore" zitiert Owen die frühen 80er Jahre der Band - eine Zeit, in der New Country wirklich noch neu war.
Fazit: Man muss sich nur mal das Booklet anschauen: Randy Owen genießt den ihm jetzt zustehenden Raum ohne seine Alabama-Kumpels und räkelt sich auf zwei Seiten genüsslich im Lederstuhl. Das Bild sagt mehr als 1000 Worte. Musikalisch bietet der grandiose Sänger einen etwas weniger aufgeladenen und transparenteren Alabama-Sound an.
Label: Broken Bow (in Deutschland nicht erschienen) | VÖ: 4. November 2008 |
Titelliste
Links
01 | I Confess | 07 | Slow and Steady | ||
02 | Holding Everything | 08 | Urban's on the Country Radio | ||
03 | Like I Never Broke Her Heard | 09 | No One can Love You Anymore | ||
04 | Braid My Hair | 10 | Barbados | ||
05 | One on One | 11 | Pray Me Back Home Again | ||
06 | Let's Pretend We're Strangers for the Night |