Lori McKenna - The Kitchen Tapes

"Was ihr hört, wurde nicht nachträglich aufpoliert - das bin nur ich mit meiner Gitarre. Ich in meiner Küche, am Küchentisch, während mal das Telefon klingelt, mal der Fernseher zu hören ist, oder die Kinder durch den Raum toben" schreibt McKenna im Booklet zu "Kitchen Tapes", in dem auch die Texte abgedruckt sind, für die man sich gerne mal die Zeit nehmen sollte, genauer hinzuhören. Was den Lärmpegel in McKennas Küche angeht, ist alle Sorge unbegründet: Die atmosphärischen Geräuschstörungen, vor denen McKenna im Booklet warnt, finden sich nur in der Pause vor dem Hidden Track des Albums, "For You". Ansonsten kannMcKenna ihre Lieder ungestört zu ende singen. "The Kitchen Tapes" beginnt mit dem zart gezupften "Falter": Ein sehr nachdenkliches Stück über Außenseiter, am Beispiel von Kids in der High School und der alltäglichen Armut auf der Straße. Und die schlichte Frage: Wann lernen wir endlich, für einander die Verantwortung zu übernehmen, wenn es jemand alleine nicht mehr schafft? "How To Be Righteous" greift diese Nachdenklichkeit auf: Wie schafft, man es, in dieser Welt anständig zu bleiben? "I'm just hoping I will obey my conscience" singt McKenna: Ich hoffe, ich werde immer auf mein Gewissen hören.

Was an "The Kitchen Tapes" überrascht, und es letztendlich auch so großartig macht, ist, dass Lori McKenna gelingt, der niedergeschlagenen Stimmung der ersten Lieder eine positive gegenüberzustellen, ohne dass das Album dabei an Kohärenz verliert: Den Klageliedern über Selbstmorde und Selbstzweifel folgen das schwärmende "Beautiful Man" und das hoffnungsschwangere "Unfinished Song # 57" - ein toller Songtitel, übrigens. Nach dem stolzgeschwellten Walzer "Dance With The Ladies", dem zärtlichen "The Other Boys" und dem tieftraurigen Radiohead-Cover "Fake Plastic Trees" folgt die größte Überraschung des Albums: die packende Uptempo-Nummer "You Better". Von McKenna ebenso präzise wie treibend perkussiv eingespielt. Was für ein feines Gitarrentapping, was für ein Song! Gleich darauf, der zweitbeste Song von "The Kitchen Tapes": "Feeding The Angels", ein weiterer, verträumter, verschleppter, bittersüßer Waltz.