Auch auf "Everybody's Brother" vertraut Shaver, der nie als großer Vokalakrobat von sich reden machte, auf stimmliche Unterstützung von außen. John Anderson, Kris Kristofferson, Marty Stuart, Bill Miller, Tanya Tucker und, man höre und staune, Johnny Cash singen gemeinsam mit Shaver. Wobei "You Just Can't Beat Jesus Christ", das Duett mit dem 2003 verstorbenen "Man in Black" bereits Ende der 70er Jahre von Jack Clement aufgenommen wurde. An der Gitarre: Eddy, der damals 15-jährige Sohn Shavers, der im Jahr 2000 38-jährig an einer Überdosis Heroin verstarb.
Den Anfang des von John Carter Cash gleichermaßen erdig wie ehrlich produzierten Albums macht der Song "Rolling Stone". Hier wird gleich die Marschrichtung für das gesamte Album vorgegeben - flotter Honky-Tonk-Style mit Gospel-Texten - und es offenbart sich zugleich die Klasse der Begleit-Combo. Aber was soll auch schiefgehen, wenn Randy Scruggs die Akustik-Gitarre, Paco Shipp die Mundharmonika und Dave Roe den Bass beisteuern.
John Anderson, Neo-Traditionalist mit Gänsehaut-Garantie, singt mit Shaver gleich zwei Songs: "Get Thee Behind Me Satan" und "Jesus Is The Only One That Loves Us" passen sich thematisch hervorragend in das Lieblingsmotto des streitbaren Christen Shaver ein: "If You Don't Love Jesus, You Can Go To Hell." Den dazugehörigen Song singt Shaver als Hochgeschwindigkeits-Gospel, der jede Kirche in ein Tollhaus verwandeln könnte, inklusive wunderbarem Honky-Tonk-Piano, beigesteuert von Tony Harrell, der schon für Brooks & Dunn, Keith Urban, Toby Keith, Montgomery Gentry, Lee Ann Womack und Marty Stuartklimperte. Letzterer ist auch als Duett-Partner von Shaver zu hören beim Song "Winning Again".
Ein einziges Stück des Albums, "No Earthly Good", stammt nicht aus der versierten Feder Shavers, sondern von Johnny Cash. Den Song, der im Original auf der "Unearthed"-Box zu hören ist, nehmen sich die Cash-Kumpel Billy Joe Shaver und Kris Kristofferson gemeinsam zur Brust. Mit ihren unvergleichlichen Stimmen zimmern sie ihrem Freund nicht nur ein würdiges Denkmal, sie sorgen auch gleichzeitig für den stimmungsvollsten Moment von "Everbody's Brother".
Doch derer gibt es mehrere auf dem Album. Zum Beispiel beim einzigen Lied ohne religiöse Thematik: "The Greatest Man Alive", eine Huldigung an Shavers 1999 verstorbene Frau Brenda, bei der der alte Kauz Shaver so richtig Gefühle zeigt. Dazu passt so gar nicht, dass Waffennarr Shaver Ende März dieses Jahr einem Mann ins Gesicht schoss. Aber Shaver ist beileibe kein einfacher Charakter. Kinky Friedman, Country-Musiker, Krimiautor und vielleicht der nächste Gouverneur von Texas sagt über Shaver: "Billy Joe erinnert mich an Hank Williams, van Gogh und Mozart. Sein Leben und seine Kunst sind nicht voneinander zu trennen."
Fazit: Überzeugendes Alterswerk des prominentesten Songwriters der Outlaw-Szene, das sich vornehmlich religiösen Themen widmet und sich durch eine erdige Produktion auszeichnet. Wer bei Shaver stimmliche Defizite diagnostiziert, darf sich über gelungene Gastauftritte freuen.
Label: Compadre (rough trade) | VÖ: 16. November 2007 |
Titelliste
Links
01 | Rolling Stone | 08 | To Be Loved By A Woman |
02 | Get Thee Behind Me Satan (mit John Anderson) | 09 | The Tough Get Going |
03 | When I Get My Wings | 10 | The Greatest Man Alive |
04 | Most Precious | 11 | Played The Game Too Long (mit Tanya Tucker) |
05 | Winning Again(mit Marty Stuart) | 12 | You'll Always Be My Best Friend |
06 | No Earthly Good(mit Kris Kristofferson) | 13 | Jesus Is The Only One That Loves Us (mit John Anderson) |
07 | If You Don't Love Jesus | 14 | Everybody's Brother(mit Johnny Cash) |