Mit "Cowboy Town" schlagen Kix Brooks (Hutträger) und Ronnie Dunn (Bartträger) ein neues Kapitel in ihrer Erfolgsgeschichte auf. Nach "Hillbilly Deluxe" arbeiten sie erneut mit Tony Brown. Der Produzent, der in den 90er Jahren ganz entscheidend den Sound Nashvilles prägte, hat sich nach einigen weniger erfolgreichen Jahren wieder ganz oben etabliert. Gemeinsam mit Brown, übrigens einst ein Mitglied in der Band von Elvis, greifen B&D in die Vollen. Klotzen statt Kleckern ist die Devise. Das macht alleine schon ein etwas genauerer Blick in die Credit-Liste der CD klar. Alleine der Sitz hinter den Drums ist üppig mit der vollständig angetretenen Creme de la Creme der Music Row besetzt: Chad Cromwell, Owen Hale, Chris McHugh, Greg Morrow, Paul Scholten, Eddie Bayers. Gleiches gilt für Gitarre, Bass, Keyboards und so weiter.
Aufschlussreich ist auch die Lektüre der Songautoren-Credits. Von den zwölf Titeln war bei neun einer der beiden Akteure beteiligt. Da sich Brooks & Dunn längst auch als solide Komponisten etablieren konnten, ist das keine schlechte Nachricht.
Umso überraschter vernimmt der geneigte Hörer die ersten Takte der neuen CD zur Kenntnis. Anstatt einer Fiddle, Pedel-Steel-Guitar, Gitarre oder irgendeinem anderen countrytypischen Sound knarzt, wummert und dröhnt eine Hammond-B3-Orgel. Der Opener - gleichzeitig Titeltrack - entwickelt sich dann bald als eine Symbiose aus Bruce Springsteens "Livin' In America" und einem modernen Countryrocker. Nicht schlecht, aber auch nicht gerade berauschend resümiert man dezent ernüchtert.
Deutlich solider und weit näher an den Roots der Musik kommt der nachfolgende Titel, "Proud of The House We Built". Das ist Brooks & Dunn in Reinkultur, um einen Tick rockiger vielleicht, als man es von früher her gewohnt ist. Nicht nur um einen Tick sondern um einen halben Kulturkreis moderner, rockiger und - vor allem! - hipper fällt das nachfolgende, paradoxerweise "Johnny Cash Junkie (Buck Owens Freak)" aus. Der Song hat seinen Charme, vor allem textlich. Doch die spacigen Gitarren gehen einem spätestens nach dem zweiten Refrain auf den Nerv.
Das Wechselbad der Marke Hip & Tradition setzt sich mit "Cowgirls Don't Cry" fort: ein solider, starker Song ohne viel Klimbim, dafür mit starken Melodien und erdigem Arrangement. In der zweiten CD-Hälfte versucht sich der lässige Zweier in den verschiedensten Stil- und Klangfarben. Mal erinnern sie an die Stones während ihrer "Exile On Mainstreet"-Phase ("Put A Girl In It"), dann geben sie die angeheiterten Partylöwen ("Tequila"), bei "Drunk On Love" erinnern sie an die frühe Sheryl Crow und bei der Kix Brooks-Komposition "Chance Of A Lifetime" zitieren sie gleichzeitig Punk-Opa Iggy Pop und ihre jungen Kollegen von Big & Rich. Dass letzterer Song in die Hose ging, muss man wohl kaum mehr dazu sagen. Wesentlich besser schlägt sich Brooks als Sänger in der ebenfalls von ihm entworfenen Story "Ballad of Jerry Jeff Walker", ein erfreulich leiser aber dafür umso tiefer gehender Titel in bester Country/Singer-Songwriter-Manier.
Den krönenden Abschluss bietet die CD aber mit einer Fremdkomposition: "God Must Be Busy" ist eine in eindringlich subtilen Tönen verpackte Zustandbeschreibung der amerikanischen Wirklichkeit. Nicht dass die Lieblingsband von George W. Bush urplötzlich systemkritisch werden würde - i wo! - aber fahnenschwenkender Patriotismus klingt allemal anders.
Fazit: Mit Produzent Tony Brown probieren sich die beiden Nashville-Recken in verschiedenen Fahrwassern. Leider erleiden sie dabei auch ein paar Mal Schiffbruch. Weniger Experimente und mehr solide Songschreiberkunst wären deutlich besser.
Label: Arista Nashville (Sony) | VÖ: 5. Oktober 2007 |
Titelliste
Links
01 | Cowboy Town | 07 | Tequila | ||
02 | Proud Of The House We Built | 08 | Drop In The Bucket | ||
03 | Johnny Cash Junkie - Buck Owens Freak | 09 | Drunk On Love | ||
04 | Cowgirls Don't Cry | 10 | Chance Of A Lifetime | ||
05 | Put A Girl In It | 11 | American Dreamer | ||
06 | The Ballad Of Jerry Jeff Walker (mit Jerry Jeff Walker) | 12 | God Must Be Busy |