Brothers Osborne - Skeletons

CD Cover: Brothers Osborne - Skeletons

"Skeletons" heißt etwas düster der dritte Streich der Brothers Osborne.

John und TJ Osborne zum Besten, was die heutige Country-Szene zu bieten hat. Geschätzt von Kollegen, geliebt von den Fans gelang ihnen mit "Pawn Shop" (2016) ein erfolgreiches Debüt, um mit dem 2018 erschienenen Album "Port Saint Joe" noch einen drauf zu setzen. So weist die Erfolgsbilanz der beiden nicht nur musikalisch harmonierenden Brüder aus Maryland unter anderem sechs Grammy-Nominierungen, etliche Hits sowie CMA-Awards aus. Trotzdem meint Joe, dass man die Brothers Osborne bisher nur oberflächlich kennenlernen konnte. Wer wissen will, wie der brummbärig singende John und der grandios Gitarre spielende TJ ticken, komme an "Skeletons" also nicht vorbei.

"Skeletons" bietet zwölf äußerst lebendige Song-Leichen

"Skeletons" (Skelette) ist ein düsterer, ein bitterer aber - traurige Wahrheit - auch ein wahrhaftiger und leider ziemlich perfekt in diese Zeit passende Titel. Und: eine mutige Losung für ein Album. Wer will sich schon gerne mit Tod und Teufel in der heilen Glitzerwelt Nashvilles beschäftigen? Natürlich ist "Skeletons" nicht wörtlich, sondern als Metapher gemeint. "You've got skeletons in your closet / It's written all over your face / Every little lie, stacked so high / Can't keep your story straight," singt John mit unheilvoller Grabesstimme im Refrain. Ob das politisch gemeint ist oder ob die beiden hier meinen, dass ja wohl so ziemlich jeder die eine oder andere Leiche im Keller (oder eben im Kleiderschrank) versteckt hat, bleibt offen. Für das eher brave Nashville ist es dennoch eine provokante Textzeile.

Doch auch irgendwie passend zu den Brothers Osborne. Keine Frage, die beiden trauen sich etwas. Sie haben den Mut, Grenzen zu überwinden, Normen zu sprengen und unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Auch musikalisch gehen die beiden ¬- erneut gemeinsam mit Hit-Produzent Jay Joyce - ihren ureigenen Weg. In ihrer noch relativ jungen Karriere haben es die zwei geschafft, einen eigenen Sound zu definieren. Der basiert zum einen auf dem so voluminösen wie unverwechselbaren Grummel-Bass von John und auf den fingerflinken Gitarren-Salven von TJ. Letzterem würde man das fast nicht zutrauen: Der bullige Hüne mit dem Drei-Jahres-Vollbart wirkt optisch nicht gerade filigran oder - Vorsicht: Wortspiel! - zart besaitet. Doch so kann man sich täuschen.

Man nehme nur mal das fast zwei Takte lange Intro des exzellenten Country-Rockers "Back On The Bottle". Hier spielt John eine vertrackte Gitarrenmelodie, schnell, virtuos, gefühlvoll, auf die Drei im zweiten Takt steigt dann die Band ein. Volle Power, hart, trocken, rockig. Aber dennoch ganz in der DNA des Country-Sounds verankert. Mit dem Beginn der ersten Strophe erinnern die Brothers Osborne sogar an Brooks & Dunn, als sie in den 90er-Jahren das Genre mit rockigem Roots-Sound aufmischten. Keine Frage, ein Highlight der CD.

Ein weiteres setzt der Song mit dem merkwürdigen Titel "Muskrat Greene" ("Grüne Bisamratte"). In dem zweieinhalbminütigen Instrumental gehört das Spotlight ganz und gar TJ. Und der weiß die Aufmerksamkeit mit einem Feuerwerk an Gitarren-Kunststücken zu nutzen: So wie er in dem Country-Rocker tempogeladen und kreativ über das Griffbrett fliegt, macht er spätestens jetzt Brad Paisley den Ruf, schnellster Finger in Nashville zu sein, streitig. Doch, und das ist das Gute daran, zirkusreife Musiker-Tricks sind bei den Brothers Osborne nie Selbstzweck, nie eitle Selbstdarstellung, sondern immer ganz und gar im Dienste der Musik eingebunden.

Die Brothers Osborne sind in Bestform

Wenn es also heißt, dass man die Brothers Osborne erst jetzt mit "Skeletons" richtig kennenlernt, dann macht man mit einem Act Bekanntschaft, der ein Gespür für Crossover, für das Brückenbauen zwischen verschiedenen Stilrichtungen hat. Mal meint man als Inspirationsquelle ZZ Top auszumachen ("All Night", "All The Good Ones Are"), dann wieder schwelgen sie mit eingängigen Melodien und einem eher traditionell angesiedelten Arrangement im 90er Jahre Country-Sound, wie beispielsweise in den erneut an Brooks & Dunn erinnernden Tracks "I'm Not For Everyone" und "Make It A Good One".

Mit Produzent Jay Joyce haben sie aber auch einen Mann an ihrer Seite, der genau weiß, wie heutiger Country-Mainstream zu klingen hat. In perfekt radiotauglichen Country-Pop-Songs wie "High Note" und dem mit Southern-Rock-Elementen aufgeladenen "Hatin' Somebody" halten sie davon hitverdächtige Kostproben bereit. Weniger hip, dafür umso rustikaler beenden die Brüder "Skeletons" mit "Old Man's Boots". Ein Song, so staubig traditionell, wie es der Titel vermuten lässt.

Manchmal aber werfen John und TJ alles zusammen: Den Southern-Rock, das Country-Feeling, das erdverbundene Americana, die abgefahrene Virtuosität und den schwitzenden Soul. Dass diese verwegene Melange ein süffiges Gebräu ergeben kann, beweisen sie im knapp vierminütigen Titeltrack. Klarer Fall von Meisterleistung!

Fazit: Nach zwei starken Alben gelingt den Brothers Osborne mit "Skeletons" eine weitere Steigerung: starker Country-Rock, mal bluesig, mal urwüchsig, mal hip, mal experimentell. Ein Top-Album!

Label: EMI Nashville (Universal) VÖ: 9. Oktober 2020
01 Lighten Up
02 All Night
03 All The Good Ones Are
04 I'm Not For Everyone
05 Skeletons
06 Back On The Bottle
07 High Note
08 Muskrat Greene
09 Dead Man's Curve
10 Make It a Good One
11 Hatin' Somebody
12 Old Man's Boots
vgw
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