Tja, und so hat der Coronavirus doch immer auch etwas Gutes. Denn "Live at the Ryman" ist tatsächlich ein Album geworden, das sich die Veröffentlichung allemal verdient. Der Sound ist druckvoll, superb ausgewogen; die Band spielt wie aus einem Guss, hingebungsvoll und trotzdem zu Jederzeit diszipliniert. Und Justin Moore? Der genießt die Show im Country-Tempel hörbar zu jeder Sekunde. Er ist zu Späßen aufgelegt, kommuniziert launig mit seinem Publikum (das textsicher jede Zeile seiner Songs auswendig kennt) und er beweist, dass er das Zeug zum Top-Star hat: Er ist zu jederzeit Dreh- und Angelpunkt des Spektakels.
Justin Moore nutzt die auftrittslose Zeit perfekt
Ein Spektakel und Hit-Feuerwerk, in dessen Verlauf er natürlich alle seine Song-Volltreffer abfeuert. Das sind mittlerweile eine ganze Reihe, seit der heute 36-Jährige im Jahr 2009 mit seinem gleichnamigen Debüt-Album die Country-Bühne betrat. Er hat das breitbeinig gemacht. Sogar etwas großspurig: "I Could Kick Your Ass" hieß seine erste Single-Auskopplung. Für einen Newcomer ist das freilich gewagt, aber es war auch eine Ansage: Hallo, Leute, hier bin ich! Nun, die Rechnung ist, wie sich gezeigt hat, nicht aufgegangen. Die Single floppte phänomenal, was Moore nicht daran hindert, den Track jetzt beim "Live at the Ryman"-Konzert wieder zu präsentieren: Als letzten Song des Sets, vor der Zugabe "Point at You". Und was soll man sagen: Die Menschen im Ryman lieben heute den Song. Sie singen mit, klatschen frenetisch Beifall und sie amüsieren sich heute über diesen Flegel, der - wenn es sein musst - dem einen oder anderen schon mal in den Allerwertesten tritt.
Eine ganze Reihe von Single-Hits, drei Alben, die jeweils auf Platz eins der Country-Charts (und dazu in den Top-Fünf der Pop-Bestenliste) landeten und eine stattliche Anzahl begehrter Preise und Awards haben aus dem kecken Neuling einen arrivierten Entertainment-Star gemacht. Verdientermaßen muss man sagen. So souverän und stimmgewaltig wie Justin Moore hier seine exzellente Backing-Band durch die 17 Tracks seine Best-Of seiner ersten vier Alben führt - Album Nummer fünf, "Late Night And Longnecks" kam erst 2019 und damit nach der Ryman-Show heraus - ist aller Ehren wert und Beleg seiner Klasse.
Mit "Hank It" aus seinem ersten Album steigt er in die Show ein. Ein ruhiger, erdiger, mit Honky-Tonk-Feeling ausgestatteter Country-Song. Ein Titel ohne großen Schnick-Schnack, ohne hochtrabende Ansprüche, dafür aber mit diesem besonderen Gefühl für die Roots-Musik. Dass er gleich mit dem Auftakt an Country-Übervater Hank Williams erinnert, ist natürlich kein Zufall, sondern klare Ansage und dazu eine Respekterweisung vor den Wurzeln des Genres. Davon entfernt er sich ohnehin nur immer in Nuancen. Sowohl auf seinen Alben, als auch bei diesem Live-Mitschnitt.
Wenn Live Life ist, dann ist "Live at the Ryman" ein Lebenselixier
Als hemdsärmeliger Typ mit übergroßem Selbstbewusstsein ist er natürlich der Richtige für knalligen Country-Rock. Den serviert er ausgiebig und gekonnt - in Kracher wie dem wuchtigen, bluesig dahinrollenden "Kinda Don't Care" (hier erinnert er an Travis Tritt), im flotten "Bait a Hook", dem düsteren, mit einem synkopierten Groove angelegten "Somebody Else Will", im köstlich getexteten "You Look Like I Need A Drink" oder beim trägen Country-Blues "Country State of Mind" - bei dem er Chris Janson als Gaststar und Duett-Partner begrüßt. Nicht schlecht dieser zweier. Das gilt natürlich für "I Ain't Living Long Like This": Beim Waylon Jennings-Klassiker teilt sich Moore das Mikro mit David Lee Murphy und - damit hat es sich dann auch mit den Special-Guests - beim nachfolgenden Honky-Tonk "Honey (Open That Door") machen ihm Bluegrass-Legende Ricky Skaggs und The Whites die Ehre. Tja, man wäre bei dem Abend gerne dabei gewesen…
Dass Justin Moore nicht nur Country-Rock und -Blues drauf hat, zeigt er im Verlauf der Show in ruhigeren und balladesken Songs. In Titel wie "Flyin' Down A Back Road", "Bed of my Chevy" (beide von seinem zweiten Album "Outlaws Like Me") und natürlich, der Mann ist überzeugter Patriot, im Liebesbekenntnis an seine Heimat: "Small Town USA". Hier ziehen Moore und Band alle Register: zweistimmiges Gitarrensolo, Pathos satt und gesanglich wächst der drahtige Kerl über sich hinaus.
Fazit: Wer unter Konzert-Entzugserscheinungen leidet, kann sich "Live at the Ryman" trösten: Justin Moore präsentiert in blendender Form alle seine Hits - plus drei Stargäste. Stimmt schon: Live is Life.
Label: The Valory Music Co. (Universal) | VÖ: 25. September 2020 |
01 | Hank It |
02 | Backwoods |
03 | Flyin’ Down a Back Road |
04 | You Look Like I Need A Drink |
05 | Somebody Else Will |
06 | Bait A Hook |
07 | Kinda Don't Care |
08 | Til My Last Day |
09 | If Heaven Wasn't So Far Away |
10 | Lettin' The Night Roll |
11 | Bed of my Chevy |
12 | Country State of Mind (mit Chris Janson) |
13 | I Ain't Living Long Like This (mit David Lee Murphy) |
14 | Honey (Open That Door) (mit Ricky Skaggs and The Whites) |
15 | Small Town USA |
16 | I Could Kick Your Ass |
17 | Point At You |