Nashville-Top-Produzent Dave Cobb feiert in diesem Jahr ein rundes Jubiläum: Genau zehn Jahre ist es her, da sorgte er als Produzent des Shooter-Jennings-Albums "Put The "O" Back In Country" für ein großes Hallo in Nashville. Es war nicht seine erste Produzententätigkeit. Aber nach Arbeiten für Acts wie Count The Stars oder für die kalifornischen David-Bowie-Möchtegerns The Shys war es das erste echte Ausrufezeichen, das Dave Cobb setzen konnte. Es war gleichzeitig auch das erste Country-Album, an dem Cobb arbeitete. "Ich habe bis ich Shooter Jennings kennen gelernt habe gar nicht gewusst, wie cool Country überhaupt sein kann", erinnert er sich heute. Country war für ihn: ein Klischee. "Meine Eltern haben immer so billige Supermarkt-Country-Sampler gekauft, Nonnen, die Johnny Cash-Songs singen. Einfach schrecklich", lacht er bei der Erinnerung. Shooter Jennings hat ihn aber schnell von seinen Vorurteilen befreien können. Zumal, wie könnte es auch anders sein, Shooters Vater Waylon einer seiner größten Helden ist.
Als er in einem Studio in Los Angeles Shooter Jennings kennen lernt, war Dave Cobb vorwiegend als Musiker aktiv. Der aus Savannah, Georgia, stammende Bassist und Gitarrist spielte in der Band Tender Idols - vorwiegend Rock und Brit-Pop. Doch das Tourleben war nie so ganz sein Ding. "Ich bin gerne zu Hause", sagt er. Er habe einfach gerne seine Frau und seine fünf Jahre alte Tochter um sich, aber auch seine Plattensammlung, seine vielen, in langen Jahren zusammengekaufte Kollektion an Vintage-Equipment und: seine Studios. Obwohl er heute fast ausschließlich als Songwriter und Produzent arbeitet, ist ihm das Bandgefühl nicht völlig abgekommen. "Es ist ganz ähnlich", meint er, "nur dass ich eben nicht in einer einzigen, sondern in vielen verschiedenen Bands spiele."
Seine "vielen verschiedenen Bands" sind seine Produzenten-Kundschaft. Und die kann sich hören und sehen lassen. Neben dem wilden Shooter umfasst seine Referenzliste Kritikerlieblinge wie Jamey Johnson ("The Guitar Song" und "That Lonesome Song"), Jason Isbell ("Southeastern") aber auch die rüstigen Veteranen von den Oak Ridge Boys ("The Boys Are Back"). Jüngstes, hoch gelobtes, viel diskutiertes Werk: "Traveller" von Chris Stapleton.
Auch wenn der Sound-Nerd zum Erfolg eines Albums einen gehörigen Teil beiträgt, hält er sich dennoch, wie er sagt, im Hintergrund. "Ich möchte niemandem meinen Sound aufdrücken", betont er, grübelt ein paar Sekunden, sucht nach den richtigen Worten, um zu verkünden: "Ich möchte, dass die Bands und Künstler einfach nach ihnen selbst klingen." Das ist leicht gesagt - und dabei alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Man nehme nur Produzenten-Kollegen wie Robert "Mutt" Lange, Quincy Jones, Phil Spector oder - als Kollege an der Music Row - Dann Huff. Diesen verdienten Hit-Schmieden ist allen eine eigene, sofort erkennbare Handschrift zu eigen. Das Individuum des Künstlers bekommt da oft genug nur wenig Raum zur freien Entfaltung. Die Alben seiner Künstler hätten so etwas nicht. Im Gegenteil, sie hätten kaum eine Gemeinsamkeit aufzuweisen, außer, dass er jedes Album mit so viel Liebe und Freude produziert hätte, wie nur möglich.
Zur Liebe und Freude des Sounds trägt im Falle von Dave Cobb immer eine gehörige Portion Rock 'n' Roll bei. Das ist auch seinem Faible für alte Produktionsmethoden und Vintage-Equipment geschuldet. Als Blaupause für erdigen Sound nennt Cobb alte Beatles- und Stones-Alben. "Ich liebe diesen Klang. Rock-Alben sind irgendwie gefährlich und null berechenbar. Diesen Spirit möchte ich mit Country verschmelzen." Schönes Anliegen. Aber auch schöne Umsetzung - wie etliche seiner Produktionen belegen. Als Musterbeispiel für diese fruchtbare Symbiose nennt Cobb die Arbeiten mit Jamey Johnson. "Wir haben gemeinsam rund 16 Songs aufgenommen. Ein Teil davon ist schon veröffentlicht, ein Teil wird wohl auf seinem nächsten Album zu hören sein." Die Sessions waren für Cobb: außergewöhnlich, faszinierend. Aber auch: verwirrend. "Wir haben das ganze Material in knapp vier Tagen aufgenommen", sagt er, "als ich seine Stimme über den Kopfhörer gehört habe, habe ich mir nur gedacht: Wow, so eine Stimme gibt’s nur einmal. Er ist unglaublich talentiert." Aber auch nicht zu fassen. "Er ist mysteriös. Du weißt nie, was er denkt. Nach den Sessions habe ich mich gefragt, ob er die Aufnahmen überhaupt mag - oder ob er mir gleich aus Wut eine scheuert. Der Mann ist ein Rätsel."
Die Gefahr von körperlicher Gewalt habe er bei Jason Isbell natürlich nie gespürt. Dafür etwas anderes: ein geradezu magisches Talent für Songtexte. "Sie hauen dich um", sagt er über die Sessions zu "Southeastern". Für Cobb ist Isbell der momentan stärkste Künstler im angesagten Americana. "Hör nur mal den Song "Elephant". Du hörst zu, schließt die Augen und glaubst gar nicht, was da aus den Boxen dröhnt." In gerade mal zwei Wochen sei das Album im Kasten gewesen. Die Zusammenarbeit mit Isbell, der als unberechenbar und kompliziert gilt, war effektiv und problemlos. "Er war die ganze Zeit über nüchtern und fokussiert. Das hört man auch."
Von Shooter, Jamey und Jason ist es musikalisch ein weiter Weg hin zu The Oak Ridge Boys. Ein Weg zurück, in die musikalische Vergangenheit. Doch die legendäre Formation ist, wie Cobb sagt, nicht stehen geblieben. Und offen für Experimente. "Ich habe die Band über Shooter Jennings kennen gelernt. Sie haben für ihn Chorgesang beigesteuert. Offenbar mochten sie es, wie ich arbeite, also haben sie mich angerufen, ob ich ihr Album produzieren möchte. Ich mochte!" Wie hätte er auch anders können. Schließlich sei die Band um Richard Sterban eine der Lieblingsformationen von seinem Vater. "Die Oak Ridge Boys liefen bei uns ständig im Autoradio", erinnert sich Cobb, "mein Vater war ein extremer Fan der Band." Spätestens nach den Sessions zu "The Boys Are Back" ist es auch Sohnemann Dave. "Ich habe ihnen verrückte Sachen von den White Stripes und von Ray Lamontagne vorgespielt, sie wollten das alles machen. Das war beeindruckend, sie waren für jeden Vorschlag offen und haben alles unglaublich gut eingesungen."
2015 scheint das bislang arbeitsreichste Jahr des weniger stromlinienförmigen Hit-Produzenten zu werden. Nach Arbeiten für Lindi Ortega, Christian Lopez, Anderson East, A Thousand Horses, Chris Stapleton und Sturgill Simpson stehen schon weitere talentierte Hochkaräter parat: Zum Beispiel Leigh Nash von Sixpence None the Richer. "Ich habe gut zu tun, es wird nicht langweilig", sagt Cobb. Für Shooter Jennings pure Untertreibung. Für ihn ist Dave Cobb ein Qualitäts-Fels in der Mainstream-Brandung: "Seit er hier in Nashville mitmischt, wird wieder mehr gute Musik hier gemacht."