Zugegeben, aus deutscher Sicht hat es Country Music beim Eurovision Song Contest schwer. Denken wir doch nur einmal an das Abschneiden von Texas Lightning und "No No Never". Hierzulande wochenlang an der Spitzer der Charts und beim ESC erreichte die Band gerade einmal Platz 15 (Reportage lesen). Noch weniger hatten Truck Stop eine Chance: Die Cowboys von der Waterkant traten 1979, zu einer Zeit als der Wettbewerb noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß, mit "Take it easy altes Haus" an und schafften es nicht einmal nach Jerusalem, sondern belegten nur Platz 2 in Vorentscheid. In dem Jahr wählten die Deutschen die Gruppe Dschinghis Khan um sie beim Grand Prix Eurovision de la Chanson zu vertreten. Dschingis Khan erreichten dann einen guten vierten Platz in Jerusalem. Dann gibt es noch die nationalen Country-Bands, die versucht haben, beim ESC teilzunehmen und nicht einmal in die Vorauswahl kamen und heute zum Teil in der Versenkung, teilweise zu Recht, verschwunden sind.
Langjährige Fans des Eurovision Song Contests werden auch zugeben müssen, dass es Jahre gab, in denen gute handgemachte Musik es auch schwer hatte sich durchsetzen, wenn gleichzeitig schrille Kostüme über nicht getroffene Töne hinwegtäuschen oder putzige alte Leute und Showeinlagen von der mangelnden Qualität der Songs ablenken sollten. Denn eines sollte man nie vergessen: Beim Eurovision Song Contest geht es um die Lieder und die Songschreiber und nicht um die Darbietung auf der Bühne.
Doch in diesem Jahr scheint der Eurovision Song Contest ein wenig erwachsener geworden zu sein und es gibt vier Teilnehmer, die den Weg für Country Music ebnen könnten, wenn sie denn genug Stimmen bekommen.
Aarzemnieki aus Lettland mit "Cake to Bake"
Mit einer gehörigen Portion Spaß tritt Aarzemnieki aus Lettland an. Das Lied "Cake to Bake" hat Ohwurm-Qualität und hier könnte sogar Deutschland bei einem Gewinn ein bisschen Ruhm abbekommen, denn der Frontsänger Jöran Steinhauer kommt ursprünglich aus Bochum und lebt schon eine ganze Weile in Lettland. In dem Song weist er sogar darauf hin, dass er lettisch gelernt hat. Durch die Liebe zur Musik zog es Steinhauer 2000, dem Jahr von Lettlands erster Teilnahme beim Eurovision Song Contest, nach Lettland. Seine Mutter lud ihm zum Mitschauen des Song Contests ein. "Damals war eine Band da, Brainstorm, die wurden Dritte. Die haben mich so mitgerissen, da habe ich mir im Plattenladen gleich zwei Alben von ihnen geholt", sagt Steinhauer. 2005 war er für einen Monat Austauschschüler im neuen Land, lernte in der Stadt Talsi seine erste Freundin kennen, dadurch auch die lettische Sprache und leistete seinen Zivildienst in Lettland.
Sebalter aus der Schweiz mit "Hunter of Stars"
Mit einer Bluegrass-Instrumentierung versucht Sebalter das Publikum für sich zu gewinnen. Ein fröhliches Banjo, eine lässige Akustikgitarre und ein groovender Kontrabass - auch "Hunter of Stars" hat Ohrwurmqualität. Sebalter wurde 1985 als Sebastian Paù-Lessi im Tessin geboren, studierte Jura und arbeitet als Wirtschaftsanwalt in Lugano. Vielleicht könnte die Geige auch der Weg zum Sieg des Eurovision Song Contest sein, denn die Geige war schon viermal bei einem Siegertitel ein wichtiges Instrument: 1957 gewinnt "Net als toen" von Corry Brokken aus den Niederlanden. 1995 siegt die Esoterik-Geigerin Fionnuala Sherry mit ihrer Band Secret Garden mit "Nocturne" für Norwegen. 2008 zieht ein Geiger beim Live-Auftritt alle Blicke auf sich und führt Dima Bilan aus Russland zum Sieg und nur ein Jahr später und vermutlich noch vielen im Gedächtnis, belegt Alexander Rybak aus Norwegen Platz 1 mit seinem Song "Fairytale". Bluegrass beim Eurovision Song Contest? Dafür sind die Schweizer prädestiniert, denn kaum ein Land in Europa steht diesem Musikgenre so offen gegenüber, wie die Helvetier.
FireLight aus Malta mit "Coming Home"
"Coming Home" fällt irgendwie in die Kategorie Folkrock (wie auch Mumford & Sons) und der Sänger von FireLight hat eine für die Country Music typische leicht nasale Stimme. Textlich möchte das Lied ein Ereignis, das sich 2014 zum 100. Mal jährt, zurück ins Gedächtnis rufen: Der Beginn des Ersten Weltkriegs. Damit ehrt die Malteser Band Firelight, wie auch im Musikvideo zu sehen, all jene, die nie nach Hause kamen: "Remembering Those Who Never Came Home". Das Musikvideo beginnt auch mit einem Soldaten aus dem ersten Weltkrieg in einem Graben. Dort schreibt der Leadsänger und Autor des Songs, Richard Edward, Notizen in ein Heft. Gleich beim ersten Satz löscht eine Bombe alles aus. Die Musik feiert in den folgenden Bildern aber das Gegenteil - den Neubeginn. Es zeigt einen Vater, der von der Schlacht heimkehrt. Fröhlich blickt auch der 31-jährige Sänger im Duett mit seiner Schwester, der Keyboarderin Michelle Mifsud, in die Kamera.
Starke Texte haben schon oft Einfluss auf die Wahl der Gewinner gehabt, denkt man nur einmal an Nicole, die mit "Ein bisschen Frieden" den ersten Sieg für Deutschland verzeichnen konnte oder an Toto Cutugno, der 1990 mit "Insieme: 1992" für Italien gewann.
The Common Linnets aus den Niederlanden mit "Calm After The Storm"
Die Niederlande sind in den letzten Jahren vom Eurovision Song Contest nicht gerade verwöhnt worden. Auch wenn Sieneke mit "Ik Ben Verliefd (Sha-La-Lie)" die Herzen der anwesenden Musiker und Journalisten im Sturm eroberte und intern zum Ohrwurm des ESC erkoren wurde, scheiterte der Song schon im Halbfinale. 2013 änderte sich das Glück der Holländer, als Anouk mit "Birds" antrat und sie in die Top Ten in Malmö katapultierte. Nun wollen The Common Linnets mit "Calm After The Storm" und astreinen Americana noch höher hinaus. The Common Linnets ist ein Duo, das aus der Country-Sängerin Ilse DeLange und Wylon besteht. Die Beiden wollen ehrliche, handgemachte Musik bieten. Country eben, in der Bluegrass-Tradition, gemischt mit Folk oder wie Kenner sagen: Americana. 2013 hatte DeLange die Idee, mit wechselnden Musikern die Band The Common Linnets zu gründen. Sie wählte Waylon als ihren ersten Duett-Partner. Gemeinsam schrieben sie das erste Album "The Common Linnets" - und produzierten es in Nashville.
Der 59. Eurovision Song Contest wird am 10. Mai 2014, ab 21:00 Uhr, in Kopenhagen ausgetragen. Das Erste wird die Final-Show live übertragen. Auch die beiden Halbfinale, in der sich alle vier vorgenannten Songs für das Finale erst einmal qualifizieren müssen, werden am 6. und 8. Mai 2014 gesendet. EinsPlus und Phoenix übertragen ab 21:Uhr Uhr live. Leser aus Deutschland und Österreich können durch ihre Anrufe auch eine Stimme abgeben. Leser aus der Schweiz können nicht für ihren eigenen Beitrag, aber für die drei anderen Lieder abstimmen. Der Gewinner wird am 10. Mai 2014, kurz vor Mitternacht, feststehen.
Auch in diesem Jahr hat Universal Music die an dem Eurovision Song Contest teilnehmenden Songs auf eine Compilation gepackt. Die Doppel-CD kann bei Amazon.de und JPC online bestellt werden.