Nein, natürlich nicht, denn die Abstimmung fand durch ein so genanntes Televoting statt, d.h. die Zuschauer konnten für ihren Favoriten per Telefonanruf abstimmen. Selbst Angela Merkel hätte Sie nicht dazu bringen können, für irgendeinen Künstler abzustimmen, nur weil unser Land vielleicht einen politischen Vorteil davon hat. Richtig ist allerdings, dass uns die Musik unserer Nachbarn mehr liegt als die weit entfernter Länder mit anderen Kulturen. So würden wir alle vermutlich eher für einen niederländischen Pop-Song abstimmen als für eine russische Weise. Die Künstler, die zum Beispiel in Kroatien einen Hit haben, sind natürlich auch in den Nachbarstaaten bekannt, selbiges gilt für Skandinavien, die Baltischen Staaten und für uns - schauen wir doch einmal: Texas Lightning haben mit "No No Never" in Deutschland einen Nummer 1 Hit und fast automatisch rutscht die Single auch in Österreich und der Schweiz in die Charts. Österreich hat dieses Jahr beim Eurovision Song Contest ausgesetzt, aber von der Schweiz gab es sieben Punkte für "No No Never".
Gewonnen hat auch kein osteuropäisches Land, sondern Finnland und das mit einem Heavy Metal Song, der auch aus Deutschland 10 Punkte bekommen hat. Warum Lordi so gut abgeschnitten haben? Die Zeiten, da es beim Eurovision Song Contest um Lieder und ihre Texte ging, sind lange vorbei. Heute ist neben einem guten Lied auch ein guter Auftritt und gute Promotion wichtig und über eines sind wir uns doch wohl alle einig: Lordi haben einen Auftritt abgeliefert, der allen im Gedächtnis blieb. Auch bei der Promotion hat Lordi es geschafft, die Heavy Metal Fans zu erreichen. So war ihr Album "The Arckcalypse" (mit dem ESC Song “Hard Rock Hallelujah”) in Deutschland, in der Ausstrahlungswoche des Eurovision Song Contests, auf Platz 45 der Top 100 Media Control Album Charts. Der Chart-Einstieg war eine Woche vorher. ähnlich sah es in vielen anderen europäischen Ländern aus. Das Plattenlabel Drakkar und der Vertrieb Sony BMG Music Entertainment haben sich für die Promotion richtig ins Zeug gelegt.
Texas Lightning sind auf dem Label X-cell Records, die auch im Vertrieb von Sony BMG Music Entertainment sind. Warum hat man sich trotz eines Nummer 1 Hits in Deutschland nicht für eine europaweite Promotion eingesetzt? Eine Frage, die wir so nicht beantworten können. X-cell hat zum Beispiel in Deutschland gute Arbeit geleistet, denn sonst wäre "No No Never" schwerlich ein Nummer 1 Hit geworden und für das Ausland vertraute man auf Kai Ulatowski (Mitherausgeber der Zeitschrift “Western Mail”), der für Pressearbeit und Promotion innerhalb der Country-Szene sorgen sollte.
Bereits einige Wochen vor dem Eurovision Song Contest haben wir in unserem Newsletter darauf hingewiesen, dass die Single "No No Never" außerhalb Deutschlands im Country-Radio nicht oft genug gespielt wird. Bis zur 104. Ausgabe der ECMA-Country-Radio-Airplay-Charts, veröffentlicht am 26. Mai 2006, hat es Texas Lightning nicht einmal in die Top 100 geschafft. Warum hat man die Country-Radio-Stationen in Europa nicht mit der Single versorgt? Selbst wenn man über keine Adressenliste verfügt, gibt es mehrere Firmen, die einen entsprechenden Service anbieten. So auf Anhieb und ohne großes überlegen kommen da rund ein halbes Dutzend Firmen in Frage. Wenn man alle diese Firmen beauftragt hätte, wären ungefähr Kosten von EUR 4.000,00 bis EUR 5.000,00 entstanden. Für die skandinavischen Länder hätte es die Möglichkeit gegeben, den Country-Fan diesen Song auf einem Sampler Nahe zu bringen und man hätte auch noch einige hundert Euro verdienen können.
In mehreren europäischen Ländern gibt es Country Print- als auch Online-Magazine. Warum hat man nicht eine große Anzeigenkampagne gemacht? Die einzigen Anzeigen, die wir entdecken konnten, waren in der niederländischen Country-Gazette (kleinstmögliche Größe für circa EUR 80,00) und auf den Webseiten der European CMA, dessen Preise wir nicht kennen. Mit weiteren circa EUR 5.000,00 hätte man in fast allen Country-Print-Magazinen im europäischen Ausland eine ganze Seite als Anzeige schalten können und hätte damit bestimmt mehr Aufmerksamkeit erregt.
Mit einigen europäischen TV-Sendern, die Countrymusic spielen, wurde nicht einmal Kontakt aufgenommen.
Mit einem Gesamtbudget von vielleicht EUR 20.000,00 hätte man einen Großteil der europäischen Country-Szene mobilisieren können. Der Country-Fan an sich schaut nicht zwangsläufig den Eurovision Song Contest, aber er hätte vermutlich eingeschaltet, wenn er gewusst hätte, dass ein Country-Song zur Abstimmung steht.
Aus den Niederlanden, die der Countrymusic generell offen gegenüber stehen, bekamen Texas Lightning gerade einmal drei Punkte. Durch das Ausscheiden der Niederländer im Halbfinale waren die Einschaltquoten in unserem Nachbarland nicht besonders hoch. Hätten nun dort viele Country-Fans für "No No Never" abgestimmt, wären ohne Probleme 8, 10 oder 12 Punkte möglichen gewesen. (Lordi bekamen aus den Niederlanden sieben Punkte). Gleiches gilt für Belgien, die uns einen Trostpunkt schickten. Lordi hingegen bekamen sieben Punkte. Hinzu kommt, dass eine Interviewanfrage des belgischen Rundfunks vor dem Finale an Texas Lightning nicht berücksichtigt wurde. Aus Frankreich gab es gar keinen Punkt für "No No Never" trotz einer funktionierenden Country-Szene und Festivals zu denen über 20.000 Country-Fans pilgern. (Finnland bekam acht Punkte). In Polen werden Country-Konzerte im öffentlich rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt und trotzdem gingen Texas Lightning ohne einen einzigen Punkt aus Polen nach Hause. Lordi hingegen bekamen die volle Punktzahl.
Die fünf "No No Never" Punkte aus Spanien, haben wir unserem “17. Bundesland”, Mallorca, zu verdanken.
Unterm Strich zeigt sich, dass sich die Promotion von Lordi ausgezahlt hat. Eine ähnliche Promotion hätte mit Sicherheit auch Texas Lightning weiter nach vorne gebracht. Warum man das nicht gemacht hat oder es nicht funktioniert hat, darüber kann man nur spekulieren. Aber vielleicht sollen Texas Lightning auch ein nationaler Act bleiben und man hat kein Interesse am Ausland gehabt? Schade ist die Platzierung trotzdem, denn je weiter vorne Texas Lightning gelandet wären, desto besser für uns alle. Denn ein erfolgreicher Countrysong in Europa hätte viele Plattenlabel in den USA vermutlich aufhorchen lassen…