Obwohl der 1965 in einem Kaff in Tennessee geborene Sänger und Songschreiber seit Beginn seiner Karriere in den frühen 2000er-Jahren nie zur allerersten Riege der Country-Acts zählte und zählt, kann Craig Morgan auf eine treue Fangemeinde zählen. Sieben Studio-Alben plus ein "Greatest Hits" gehen auf sein Konto, darunter die mit "Gold" veredelten CDs "My Kind of Livin'" (2005) und "Little Bit of Life" (2006). Seitdem gehört der Ex-GI zum Nashville-Establishment - ohne jedoch weitere Top-Hits zu landen.
Neue EP plus Best-Of: "God, Family, Country"
Mit "God, Family, Country" präsentiert er gleichzeitig ein Best-Of und neues Album. Das heißt: 50 Prozent der insgesamt zehn Tracks der CD fanden sich bereits früheren Alben, der Rest ist neues Material. Das ist zunächst einmal keine schlechte Idee. Vor allem ist es interessant. Zeigt es doch, wie sehr sich in den letzten 15 Jahren der Nashville-Sound - und Craig Morgans Stimme - verändert haben. Oder blieb etwa alles beim Alten?
Die erste CD-Hälfte ist den neuen Songs vorbehalten. Für den Auftakt sorgt der vermutlich persönlichste, sicher aber leidvollste Song des Albums: "The Father, My Son and The Holy Ghost". In der von ihm im Alleingang geschriebenen Ballade verarbeitet er den Bootsunfall, bei dem 2016 sein 19-jähriger Sohn Jerry ums Leben kam: ein hoch emotionales und berührendes Stück Trauma-Bewältigung. Craig Morgan singt es, wen wundert's, mit so viel Herzblut und Hingabe, dass die Gänsehaut nicht lange auf sich warten lässt.
Auf einen Song mit so viel Tiefgang kann freilich kein 08/15-Allerwelts-Track folgen. Mit "Soldier", geschrieben von Gavin DeGraw, nimmt er den vorher dramatisch gesponnen Faden erneut auf: eine hübsche, mit Gospel-Touch versehene Ballade, die im Refrain eine großartige Melodie entfaltet. In dem Track geht es im Übrigen nicht um einen GI oder Marine - dieser hier besungene Soldat ist ein Kämpfer für die Liebe.
In dieser Tonlage geht es mit "Sippin' on the Simple Life" weiter. Der von Michael Rogers, Justin Wright, Andrew Yacovone und Craig Morgan geschriebene Track verströmt herrliches, man könnte sagen, Retro-New-Country-Feeling. Wie in den 90ern, als Country (erneut) neu erfunden wurde, gelingt die Mischung aus Rock- und Pop-Elementen und sehnsuchtsvollen, ganz im traditionellen Country verorteten Melodiebögen. Ein starker Song. Nicht zuletzt, durch die gesangliche Performance des Routiniers.
Nach 90er-Country - und damit nach Acts wie Brooks & Dunn, Tim McGraw und Garth Brooks - klingt auch das nachfolgende Stück "Whiskey". Anthony Smith und Sarah Beth Terry haben den langsamen Country-Blues-Rock großartig entworfen und dabei kein plumpes Sauf- oder Partylied geschrieben, sondern ein Song, in dem ein Mann davon erzählt, dass er das Feuerwasser eigentlich gar nicht mag, dass er es nur zu einem braucht: um zu vergessen. Ein hochprozentiges Song-Gebräu!
Craig Morgan ist sich stilistisch treu geblieben
Für den Abschluss der neuen Songs-Sektion sorgt "Sippin' on the Simple Life". Der Track, geschrieben von Morgan gemeinsam mit Michael Rogers, Justin Wright und Andrew Yacovone, ist flotter und vor allem auch optimistischer angelegt. Eine klare Ansage: Leute, macht euch keine Sorgen. Die Ode an das einfache Leben bietet schöne Harmonien und eine gut gelaunte Fiddle. Kein Aufreger, kein Meisterwerk, aber ein Song, der für knapp drei Minuten alle Sorgen und Probleme vergessen lässt.
Nun, Craig Morgan hätte es mit den fünf neuen Songs, wie viele Kollegen, bei einer EP belassen können. Er aber hat sich dazu entschlossen, den Neulingen fünf seiner erfolgreichsten und schönsten Songs aus seinem Backkatalog zur Seite zu stellen. Gute Entscheidung! Denn mit dem Titeltrack "God, Family, Country", "Almost Home" (vom "I Love It”-Album aus dem Jahre 2003), "My Kind Of Woman” (von "Little Bit Of Life”, Jahrgang 2006) sowie "Lotta Man (In That Little Boy)” und "That's What I Love About Sunday” ("My Kind Of Livin'” von 2005) verweist er nicht nur auf seine beachtlichen Karriere-Erfolge. Er bringt sich mit diesen harmonisch gefälligen Songs auch als großartigen Interpreten gefühlvoller Country-Songs in Erinnerung.
Beim direkten Vergleich von Neu und Alt fällt auf, dass Craigs Morgans Stimme rauer und auch um einen Tick tiefer geworden ist. Musikalisch aber hat sich für den kernigen Sänger und Songwriter nicht sehr viel geändert. Er ist sich und seiner Musik treu geblieben. Das verdient allemal Respekt.
Fazit:Eine Halbe-Halbe-CD: Auf "God, Family, Country" präsentiert Craig Morgan fünf neue und fünf gut abgehangene Songs aus frühen Karrieretagen. Trotzdem ist das Album eine runde und homogene Sache. Freunde von eher traditionellen Country-Klängen werden die CD lieben.
Label: Broken Bow / BMG (Warner) | VÖ: 22. Mai 2020 |
01 | The Father, My Son, And The Holy Ghost |
02 | Soldier |
03 | Going Out Like This |
04 | Whiskey |
05 | Sippin' On The Simple Life |
06 | God, Family and Country |
07 | That's What I Love About Sunday |
08 | My Kind of Woman |
09 | Almost Home |
10 | Lotta Man (In That Little Boy) |