Perfekte Harmonie: die Rempel-Brüder von High Valley
Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass High Valley kaum mit den partygestählten Rüpeln der Bro-Country-Szene verglichen werden können. Ihre Songs drehen sich natürlich nicht um Girls und Drinks, sondern häufig um christliche Motive. Liebe und Familie sind beispielsweise zentrale Themen des stimmstarken Duos.
Bereits seit 1997 sind die Rempel-Brüder als High Valley aktiv. Doch es dauerte weitere zehn Jahre, bis sie mit "Broken Borders" ihr (selbstvertriebenes) Debüt-Album auf den Markt brachten. 2010 landeten sie schließlich bei dem Indie-Label Open Road, bei dem sie drei weitere Alben veröffentlichten - für Hitparaden-Plätze in den US-Charts reichte es allerdings noch nicht.
Das änderte sich erst 2016, als Major-Label Warner Nashville die CD "Dear Life" herausbrachte: Platz drei in den "US Heat" und - immerhin - Platz 37 in den US Country-Charts war das ermutigende Resultat. Als Single-Act schlug sich High Valley übrigens deutlich besser. Seit 2010 sind sie in den kanadischen Country-Single-Charts Stammgast, gelegentlich konnte sie auch in den US-Charts reinschnuppern. Trotzdem: Der große Wurf ist den Kanadiern bisher nicht geglückt.
Mit ihrer sechs Songs starken EP "Grew Up On That" könnte das jetzt gelingen. Die Vorzeichen stehen allemal gut. Nicht nur, weil sie in dem halben Song-Dutzend wohlklingenden, inhaltlich erbauenden Country-Pop auf hohem Niveau abliefern, sondern weil sich die Welt gerade nach Hoffnung machender Musik mit spiritueller Botschaft sehnt. Nach Liedern, die beim Hörer ein "alles-wird-gut"-Gefühl auslösen. Und genau das, schafft der Song-Sechser von "Grew Up On That".
Nehmen wir nur mal den Titelsong. Der klingt exakt nach Nashville 2020: der Groove, die Vocals, die Melodiebögen, die Chöre, das Feeling und das Arrangement. Mit so einem Song müssen sich High Valley zu keinem Ton gegenüber Top-Acts wie Thomas Rhett, Sam Hunt oder Luke Bryan verstecken. Vor allem, weil die beiden markanten und kantigen Kanadier großartige Stimmen haben und – nachdem sie seit Kindheit an miteinander singen - perfekt miteinander harmonieren. Sollte ich die Hit-Chancen des Songs einschätzen müssen, ich würde dem Track einen Platz in den Top 20 zutrauen. Mindestens!
Mit "Grew Up On That” auf Hit-Kurs
Noch mehr für die DNA dieses Acts steht aber wohl das nachfolgende "Your Mama". Hier beschreiben die Brüder in - okay - sehr kitschigen und pathetischen Worten ihre Vorstellungen einer Familie. Einer Bilderbuchfamilie, in der sich nicht alles, aber doch sehr viel um Mutti dreht. Motto: Mama wird’s schon richten. Die klingende Muttertags-Postkarte aus der Feder von Ben West, Tyler Hubbard, Josh Miller und Troy Verges haben Brad und Curtis aus makellosen Country-Pop-Klängen gefertigt. Süß!
Wer so langsam am Corona-Blues verzweifelt, sollte unbedingt in "River's Still Running" reinhören. Der von Randy Montana co-komponierte Song ist eine einzige Meditation in Sachen "positives Denken". Bereits die erste Textzeile lässt darüber keine Zweifel: "It's Allright, ain't Worried Bout Nothin', sun came up and the River's still runnin'". Musikalisch in den Strophen etwas verhaltener gehalten, geht es im Refrain natürlich voller Euphorie zur Sache. Nach dem dritten Hördurchgang weiß man spätestens: alles wird gut!
Nach ähnlichem Muster ist "Northern Star" gestrickt: der Polarstern zeigt die Richtung, er gibt den Weg vor, der zur Liebe und zum Glauben führt. Das ist alles hübsch und nett, erbaulich sowieso. Musikalisch aber ähneln sich die Songs dann doch etwas zu sehr. Zumal sie um einen Tick zu glattpoliert sind. Das fällt erst recht auf, wenn sie mit "One Day You'll Get It" einen Track präsentieren, der naturbelassener angelegt ist und weitgehend auf schicken Studio-Gimmick verzichtet. Hier zeigen die Brüder, dass sie Country und Bluegrass quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben. Keine Frage, musikalisch setzt der Song, der das harte Farmer-Leben Farmer thematisiert, das Glanzlicht der EP. Für den Abschluss des EP-Song-Reigens sorgt das gefällige "Show Me The Way", bei dem sie die feenhafte Folk-Sängerin Jillian Edwards als Gast präsentieren.
Fazit:Modern produzierter und dazu ausnehmend eingängiger Country-Pop mit spirituellen Inhalten: High Valley aus Kanada lassen mit "Grew Up On That" großes Potential erkennen.
Label: Warner Bros. Nashville (Warner) | VÖ: 22. Mai 2020 |
01 | Grew Up On That |
02 | Your Mama |
03 | River's Still Running |
04 | Northern Star |
05 | One Day You'll Get It |
06 | Show Me The Way (mit Jillian Edwards) |