"Kid Sister" - ergreifende Balladen, gut gelaunter Western-Swing
Wer bei "Kid Sister" jetzt aber Musik mit Trauerflor und ausschließlich in griesgrämigen Moll-Tönen gefärbte Klänge erwartet, wird sich getäuscht sehen. Und das schon ab dem Opener, dem von Freddy Powers komponierten Klassiker "My San Antonio Rose" - ein rasanter Western-Swing mit brillanten solistischen Einlagen. Wer den Track hört, kann verstehen, dass die Time Jumpers um Superstar Vince Gill bereits mehrfach für einen Grammy nominiert wurden. Apropos Vince Gill. Natürlich, sagt er, sorgt sein Name für gesteigertes Interesse an der Band. Aber, betonte er, er ist ein Bandmitglied wie jedes andere auch. Live würden The Time Jumpers deshalb so gut wie nie einen Song aus Vince Gills Solo-Karriere spielen.
Wie großartig es aber sein muss, einen so famosen Sänger, Gitarristen und Songschreiber in seinen Reihen zu haben, zeigt sich in einigen Tracks des mit 14 Titeln üppig ausgestatteten Albums. Zum Beispiel gleich im zweiten Song, dem wundervollen "I Miss You" - eine von Gill geschriebene und gesungene Dahinschmelz-Ballade. Kein anderer Künstler Nashvilles kann das herzzerreißende Gefühl der Wehmut in schönere Worte und Harmonie verpacken als Vince Gill. Ein wundervoller Song - wenngleich er mit doch recht gefälligen und dazu modernen Melodien etwas aus dem Rahmen fällt. Typischer für die Time Jumpers ist da schon der nicht umsonst so betitelte Song "We're The Time Jumpers": flotter Western Swing, gut gelaunte Melodien, luftige Grooves, jede Menge Fiddles und Pedal-Steel-Guitars - und über allem die unverkennbare Schmelz-Stimme von Vince Gill.
Musik auf höchstem Niveau: die Time Jumpers
Neben rustikalem Western-Swing hat die Band nicht weniger rustikale Country-Klänge parat. Vor allem bei Balladen - wie dem von Gill und Max D. Barnes komponierten - "Table For Two" und dem etwas flotteren, von Doug Green geschriebenen "Empty Rooms" zeigt die Band ihre Ausnahmestellung im Retro-Style. Doch nicht nur hier. Auch in dem von Pedal-Steel-Star Paul Franklin geschriebenen Instrumental zeigt die vielköpfige Formation, was sie drauf hat. Bei dem rasanten Texas-Swing laufen - unterstützt von Kontrabass und Schlagzeug - Franklin, Fiddle-Ass Sears und Gitarrist Gill zur Höchstform auf.
Retro? Ja, freilich. Aber letztendlich von zeitloser Qualität. Dass es sich bei den Time Jumpers um eine echte Band handelt, zeigt sich auch bei dem dezent angejazzten, lässig swingenden "Blue Highway Blue", bei dem Drummer Billy Thomas die Vocals übernimmt, und dabei eine erstaunlich gute Figur dabei abgibt.
Auch der Rest des von Vince Gill produzierten "Kid Sister"-Albums beschert so manchen akustischen Glücksmoment: das - der Titel ist Programm - "Honky Tonkin'" geht ab wie eine Eins, das aufgekratzte "Bloodshot Eyes" versprüht jede Menge gute Laune, beim urigen Blues von "Sweet Rowena" unterstreicht Gill seine Fähigkeiten als Gitarrist und bei "This Heartache" nimmt Kenny Sears ein weiteres Mal Abschied von seiner Frau und Bandkollegin. Das macht mit dem letzten Song auch noch einmal Vince Gill: Der von Gill geschriebene Titeltrack beendet erwartungsgemäß prächtig wehmütig das großartige Album. Dawn Sears wäre mit "Kid Sister" zufrieden gewesen, jede Wette.
Fazit: Mit "Kid Sister" setzen die Time Jumpers ihrer verstorbenen Sängerin Dawn Sears ein akustisches Denkmal - aus ergreifenden Balladen, rustikalen Honky Tonks und temperamentvollem Western Swing. Ein Muss für alle Freunde des Retro-Sounds - und natürlich auch von Vince Gill.
Label: Rounder (H'Art) | VÖ: 9. September 2016 |
01 | My San Antonio Rose |
02 | I Miss You |
03 | We're The Time Jumpers |
04 | Table For Two |
05 | Empty Rooms |
06 | All Aboard |
07 | Blue Highway Blue |
08 | I Hear You Talkin' |
09 | The True Love Meant For Me |
10 | Honky Tonkin' |
11 | Bloodshot Eyes |
12 | Sweet Rowena |
13 | This Heartache |
14 | Kid Sister |