Musik hält jung. Man denke nur an Willie Nelson, Kris Kristofferson, Tina Turner oder: an Wanda Jackson. Die 1937 in Oklahoma geborene Rockabilly-, Country und Gospel-Sängerin nahm ihre ersten Alben auf, da waren vermutlich viele unserer Leser noch gar nicht geboren. Also: in den 1950er Jahren. Doch Wanda Jackson ist noch weit mehr als eine irre rüstige Sängerin. Sie ist auch so etwas wie eine Vorreiterin der musikalischen Emanzipation. Immerhin gilt sie als erste Frau, die Musik wie ihren männlichen Kollegen gemacht hat, heissen Rock 'n' Roll, harten Rockabilly, knochentrockenen Country.
Wanda Jackson: Pionierin der weiblichen Rockmusik
Ursprünglich war sie auf dem besten Weg, eine ernsthafte Konkurrentin für Country-Königin Patsy Cline zu werden. Sie begeisterte mit ihrer Stimme und mit ihrem authentischen Country-Feeling und war dazu ständig auf Tour. Unter anderem Mitte der 1950er Jahre mit einem gewissen Elvis Presley, der ihr riet, von Country auf Rockabilly umzusatteln. Wenn einem der King höchstselbst einen Ratschlag gibt, dann befolgt man den natürlich. Ein Fehler war das nicht. Denn Wanda Jackson reihte - trotz Ehe und zwei Kindern - Erfolg auf Erfolg und avancierte ab den späten 50er Jahren zur weiblichen Leitfigur der Rock 'n' Roll- und Rockabilly-Gemeinde. Vielleicht auch, weil sie neben ihrer markant kräftigen Stimme auch eine burschikos hemdsärmelige Art mitbrachte. Sie teilte aus, sie steckte ein, sie war nicht gerade zimperlich.
Das ist sie bis heute nicht. Entsprechend groß ist der Respekt, der dem Rockabilly-Hall-of-Fame-Mitglied in der Musikszene entgegengebracht wird. Auch von der jungen Garde. Wie jung das Energiebündel geblieben ist, zeigte sie bei ihrem 2011, von Jack White produziertem Comeback "The Party Ain't Over", auf dem sie u.a. Songs von Bob Dylan und Amy Winehouse packend interpretierte. Jetzt, zehn Jahre nach diesem von der Kritik hochgelobten Album meldet sich das musikalische Urgestein erneut zurück: mit "Encore" gibt sie eine dynamische, keinesfalls altersmilde Zugabe.
Kleiner Wermutstropfen: Das von Rocklady Joan Jett produzierte Album soll tatsächlich jetzt ihr letztes sein. Nun gut, mal schauen. Wenn es aber tatsächlich ihr finales Werk sein sollte, dann ist es - immerhin - ein würdiger Abschluss. Ein finales Album, bei dem sie sich das Mikrofon mit ein paar geschätzten Kolleginnen teilt, mit Joan Jett, Elle King, Angaleena Presley (Pistol Annies) und Candi Carpenter. Mehr Frauen-Power geht kaum.
Doch auch ohne gesangliche Unterstützung gibt Wanda Jackson auf "Encore" eine gute Figur ab. Sie rockt, sie rollt, sie drückt auf die Tube. Schon der Einstieg ("Big Baby") hat alles, was das Rockabilly- und Rock 'n' Roller-Herz höherschlagen lässt: scharfe Gitarren-Riffs, ein wuchtig-simpler Beat, ein klimperndes, ganz im Stile eines Jerry Lee Lewis gespieltes Piano und - eine Sängerin die sehr genau weiß, wie man Haartollen und Petticoats zum Wippen bringt. Keine Frage, in diesem Fach macht Wanda Jackson immer noch niemand etwas vor.
"Encore" - ein würdiger CD-Abschied von Rockabilly-Ikone Wanda Jackson
Nach so einer Energieleistung könnte man argwöhnen, muss sich die 83-Jährige erst einmal unter's Sauerstoffzelt auf einen Schluck Biovital begeben. Doch: von wegen! Entschlossen und vehement macht die Seniorin in Lederjacke so weiter: bei "Two Shots" kippt sie hochprozentigen Rock 'n' Roll weg, bei dem düster dahinrockenden "You Drive Me Wild" fährt sie - ja, doch - verführerisch die Krallen aus und mit dem wilden, mit kessem Damen-Chor verzierten "Good Girl Down" bringt sie garantiert jeden Rock-Club zum Ausflippen.
In der zweiten Hälfte der acht Tracks umfassenden CD schaltet sie aber dann doch um ein, zwei Gänge zurück. In der Ballade "It Keeps Right on a Hurtin'" drückt sie, wie auch in dem im Sechs-Achtel-Takt gehaltenen Blues "We Gotta Stop", gefühlvoll auf die Tränendrüse, in "Treat Me Like a Lady" fordert sie zu funky-souligen Klängen Respekt ein um - jetzt wird es dann noch rührselig - im letzten Song "That's What Love Is" einen großartigen Love-Song zu servieren. In den getragenen leisen Passagen, bei denen sie nur zu einem Klavier singt, hört man es dann doch noch, dass Wanda Jackson schon einige Jahrzehnte im Musik-Zirkus eine große Nummer ist. Ihre Stimme klingt da etwas brüchig, wenn sie "everyday is a gift" schmachtet und damit aber auch sehr ergreifend. Ein toller Song zum Ausklang und ein mehr als würdiger Abschied einer Legende.
Fazit: Rockabilly-Urgestein Wanda Jackson will es auf "Encore" noch einmal wissen. Gemeinsam mit Joan Jett, Angaleena Presley und anderen starken Frauen läuft sie noch einmal zu großer Form auf. Manko der CD: nur acht Songs.
Label: Blackheart / Big Machine (Universal) | VÖ: 20. August 2021 |
01 | Big Baby |
02 | Two Shots (mit Elle King & Joan Jett) |
03 | You Drive Me Wild |
04 | Good Girl Down (mit Angaleena Presley & Candi Carpenter) |
05 | It Keeps Right on a Hurtin' |
06 | We Gotta Stop |
07 | Treat Me Like A Lady (mit Joan Jett) |
08 | That’s What Love Is (mit Joan Jett) |