Elizabeth Cook - Aftermath

CD Cover: Elizabeth Cook - Aftermath

Das neue Album "Aftermath" stellt eine Kurskorrektur für die ursprünglich im traditionelleren Country und Americana beheimatete Elizabeth Cook dar.

Ein Blick auf die Rahmenbedingungen von "Aftermath" deutet es schon an. Ach was, diese Infos machen doch klar, dass Elizabeth Cook gerade soweit von Country und Americana entfernt ist, wie Donald Trump von einem buddhistischen Mönch. Beweise gefällig? Das Album produzierte Butch Walker, den man von den Pop-Punkern Green Day, Weezer und Taylor Swift kennt. Eingespielt wurde es auch nicht in Nashville, sondern im kalifornischen Santa Monica, mit dort ansässigen Musikern wie Steve Duerst (Bass), Herschel Van Dyke (Schlagzeug) und Andrew Leahey (Gitarre).

"Aftermath" bietet Pop - aber gegen den Strich gebürstet

Tja, dann wäre noch das Cover-Foto zu nennen, auf dem Miss Cook in einem raumfahrer-ähnlichen Jumpsuit auf einer mars-ähnlichen Rote-Erde-Wüste posiert. Wer jetzt immer noch glaubt, dass Elizabeth Cook ihren Country-Roots hingebungsvoll verbunden ist, muss nur mal die Songlist studieren. Da findet sich als zweiter Track von "Aftermath" das so programmatische wie wahrhaftige "Perfect Girls of Pop". Nun ja, spätestens jetzt ist auch Elizabeth Cook eine von ihnen. Oder etwa nicht?

Der eine oder andere Leser wird jetzt vielleicht etwas wehmütig werden. Immerhin gastierte die 1972 in Wildwood, Florida, geborene Sängerin seit ihrem im Jahr 2000 erschienenen - und hochgelobten - Debüt "The Blue Album" über 400 Mal in der Grand Ole Opry, der ultimativen Country-Ruhmeshalle. Noch krasser aber wirkt der Gegensatz zur heutigen Elizabeth Cook, wenn man sich vorstellt, dass sie mit Dwight Yoakam, Rodney Crowell und Buddy Miller zusammengearbeitet hat, dass sie gemeinsam mit Jason Isbell Songs von Townes Van Zandt gesungen hat und zwischen 2007 und 2011 vier Mal für einen Americana Music Award nominiert war. Tja, und jetzt gibt sie die glitzernde Raumfahrerin auf Planet Pop.

Aber das ist schließlich legitim. Und dazu alles andere als unüblich. Man erinnere sich nur an LeAnn Rimes und Taylor Swift, die konsequent ihre Wurzeln kappten um große, glamouröse Weltkarrieren zu starten. Nun also Elizabeth Cook. Doch: Will oder kann die Tochter eines Hillbilly-Musiker-Ehepaares (sie ist die jüngste von zwölf Kindern!) sich so gänzlich von ihrer musikalischen Herkunft verabschieden? Eher nicht, würde man denken - und ist dann umso erstaunter, hört man die ersten Takte des dreieinhalbminütigen Openers "Bones": Pop pur, modern, aufgemotzte Sounds, aggressive Gitarren-Riffs und eine Sängerin, die sich gerade so anhört, als hätte sie in ihrem Leben keinen einzigen Bluegrass-Song gesungen.

Elizabeth Cook spannt einen weiten musikalischen Bogen

Das nachfolgende, bereits zitierte "Perfect Girls of Pop" kommt mit weniger viel Schärfe und Dynamik aus und erinnert mit seinem sonnigen Refrain - sicher beabsichtigt - an frühe Girl-Bands wie Bananarama oder die Spice Girls. Dass dabei eine gute Prise Ironie mitschwingt lässt aber hoffen. Und tatsächlich: Schon im darauffolgenden "Bad Decisions" schwingen erste Country-Elemente mit. Country-Pop-Elemente natürlich. Vor allem aber sind es die träumerischen Melodiebögen und das gelungene Gitarren-Solo, die den Song zum Song-Treffer machen. Es soll nicht der einzige von "Aftermath" sein.

Ganz im Gegenteil. Je länger das Album im Player rotiert, desto stärkere und interessantere Songs hält es parat. Songs, wie die mit Geigen, schwelgerischen Harmonien und kessem Text ausgestattete Country-Ballade "Daddy, I Got Love For You", dem groovigen und gut gelaunten Country-Pop von "Bayonette", das sehnsuchtsvolle, an Kacey Musgraves erinnernde "Stanley By God Terry" oder der düstere, mit seinem Gitarren-Riff glatt an die Metallica-Hymne "Enter Sandman" erinnernde Folk von "When She Comes".

Eines steht fest: Mit Stilschubläden wie "Pop" oder "Country-Pop" wird man Elizabeth Cook und "Aftermath" nicht gerecht. Dafür spannt die schlaue Songschreiberin und Sängerin musikalisch einfach einen zu weiten Bogen. Außerdem liebt sie den Kontrast - und verknüpft schon mal brave Radio-Melodien mit Texten, die weit über die Stadtgrenze von Nashville hinausreichen ("Half Hanged Mary", "Thick Georgia Woman"). Songtitel und Inhalte, um die die meisten der Music Row-Künstler und Künstlerlinnen einen weiten Bogen machen würden.

Vermutlich würden sie auch einem Track wie "Two Chords And A Lie" nicht zu nahekommen. Geradezu genial verdreht Cook hier das berühmte Zitat von Country-Songwriter Harlan Howard ("three chords and the truth") zu einem ironischen Country-Revue-Walzer. Jede Wette: kein Mainstream-Radio-Sender wird den Titel spielen. Wohl kaum auch das Song-Dutzend abschließende "Mary, The Submissing Years", bei dem sie nur zu einer Akustik-Gitarre - teilweise im Sprechgesang - die bewegte und bewegende Geschichte von "Mary" erzählt. Pures Americana. Starker Stoff. Perfektes Storytelling. Puh, … ganz ist Elizabeth noch nicht an den Pop verloren.

Fazit: Geht mit geschliffenem Pop los -– und hört mit purem Americana auf. Die Bandbreite von Elizabeth Cooks neuem Album "Aftermath" ist beeindruckend. Ein Album mit Zündstoff, Grips und jeder Menge Überraschungsmomenten.

Label: Agent Love / Thirty Tigers (Membran) VÖ: 11. September 2020
01 Bones
02 Perfect Girls of Pop
03 Bad Decisions
04 Daddy, I Got Love for You
05 Bayonette
06 These Days
07 Stanley by God Terry
08 Half Hanged Mary
09 When She Comes
10 Thick Georgia Woman
11 Two Chords and a Lie
12 Mary, The Submissing Years
vgw
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