Vom Chartstürmer zur White-Trash-Ikone (und wieder zurück) - diese Geschichte können wirklich nicht viele erzählen, und sie ist allemal interessanter als die üblichen hohlen Erfolgsbeichten und Selbstbeweihräucherungen anderer deutscher Promis. Allein schon die Aufmachung von Gabriels Autobiografie ist auffällig: ziemlich groß, fast quadratisch und wuchtig soll das Buch wohl unterstreichen, dass hier ein Kerl, ein ganzer Mann von Format das Wort ergreift. Und dann erfährt man auf knapp 250 Seiten vieles, das man noch nicht wusste ("Einmal blubberte ich mit nacktem Oberkörper und Cowboystiefeln auf meiner Harley durchs KaDeWe"). Einiges, das man schon immer ahnte ("Egal, wo ich mich bewegte, ob in der High Society der Hamburger Elbchaussee oder am Rande der Gesellschaft in einer Autowerkstatt in Hannover, ich war immer und überall ein Außenseiter"). Und manches, das man nie wissen wollte ("Meine Zeltstange reckte sich wie beim Zirkus Roncalli gen Himmel.").
Aber "Wer einmal tief im Keller saß" ist nicht nur eine zotige "So bin ich nun mal"-Anekdotensammlung, auch wenn Gunter Gabriel seine zahlreiche Sauf- und Weibergeschichten bereitwillig zum Besten gibt. Das Buch hat auch eine andere, traurige Seite. Gabriels Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend sind bitter. Den frühen Tod der Mutter, ausgelöst durch eine misslungene Abtreibung, hat Gabriel nie verwunden. Er hat ihn ebenso geprägt wie der prügelnde und verständnislose Vater. Wie Gunter Gabriels Traum von einer Musikerkarriere schließlich über den Quereinstieg als DJ und Plattenfirmen-Promoter dennoch wahr wurde, um dann wieder wie eine Seifenblase zu zerplatzen, offenbart trotz vieler unterhaltsamer Nebenschauplätze die ganze Tragik seiner chaotischen Lebensführung.
In seinen Erinnerungen spürt Gabriel den beruflichen Erfolgen ("Ohne Moos nix los") ebenso nach wie verheerenden finanziellen Fehlentscheidungen, die ihn in den Ruin trieben, und letztlich seine Bob-Dylan-Cover-Version "Ich werd’ gesucht in Bremerhaven" zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden ließen: Irgendwann jagte die Steuerfahndung hinter ihm her. Doch auch privat hat Gunter Gabriel manchen Bock geschossen. Selbstkritisch bescheinigt er sich völlige Beziehungsunfähigkeit, obwohl er "diesen ganz normalen Familienwahnsinn (…) doch so gern gehabt hätte". Und er beschreibt seine vier Ehen, die trotz Glücksmomenten irgendwie von vornherein zum Scheitern verurteilt schienen. Aber selbst wenn Gabriel hart mit sich ins Gericht geht und die ernüchternde Bilanz zieht: "Mein Leben war eine einzige Katastrophe". Er weiß, dass er trotz vieler Fehler "irgendwas (…) auch richtig gemacht haben" muss und kommt zu der Erkenntnis: "Fühle ich mich nicht gerade deshalb so frisch und munter, weil mein Wahlspruch ’Sturm und Punk - ein Leben lang’ lautet?"
Über weite Strecken ist "Wer einmal tief im Keller saß" unterhaltsam, weil man wirklich Gabriel pur bekommt, dem einfach nichts peinlich ist und der alles frei Schnauze herausposaunt. Andererseits scheint die Gewichtung der Themen bisweilen beliebig und das Buch wirkt unvollständig und lückenhaft. Woraus Gabriel übrigens auch gar keinen Hehl macht: "Ich hätte noch vieles, vieles zu erzählen. Aber vielleicht gibt’s ja eine Fortsetzung", wie er abschließend bemerkt. Vieles, worüber man gern mehr erfahren hätte, wird nur angerissen, beispielsweise die "Wohnzimmer-Tour" von 2007. Darüber soll allerdings wohl noch ein separates Buch erscheinen, wie es vor kurzem hieß. Man bekommt also keinen chronologischen und erschöpfenden Lebensbericht, sondern tatsächlich laut gedachte Erinnerungen, unsortiert, mit Gedankensprüngen und in Gabriels typischem Slang gehalten. Bei seinem Lebenswandel kann man sicher froh sein, dass überhaupt was hängen geblieben ist. Zum Glück schreibt der selbsternannte "Rebell" seit seinem 13. Lebensjahr brav Tagebuch.
Fazit: Gunter Gabriel in seinen eigenen Worten - das ist unverblümt und erfrischend, manchmal witzig, manchmal rührend, manchmal einfach nur peinlich, aber eines nie: langweilig.
Verlag | Edel, 10/2009 |
Einband | Gebunden |
Sprache | Deutsch |
ISBN-10 | 3-941378-17-1 |
ISBN-13 | 9783941378179 |
Umfang | 256 Seiten |
Sonstiges | mit zahlreichen Fotos |
Gewicht | 1014 g |
Maße | 250 x 185 mm |
Stärke | 22 mm |