Im Westen wird lieber Bier getrunken - im Osten lieber der Musik zugehört

ImageLarry Schuba - Songschreiber, Sänger, Entertainer, Chef der Country-Institution “Western Union”, Labelchef. Vor allem aber ist Larry Schuba ein Mann mit Prinzipien, Charakter und einem eisernen Willen. Im ausführlichen Gespräch nimmt das deutsche Country-Urgestein kein Blatt vor den Mund um die Entwicklung und die Perspektiven der Szene zu beschreiben. Trotz herber Kritik ist der 55jährige musikalische überzeugungstäter keineswegs verbittert: “Ich habe meine Nische und meine Fans gefunden.” Ein Privileg, das nachrückende Countrymusikern, wie er meint, kaum mehr in Anspruch nehmen werden können.

CMN: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der deutschen Country-Musik-Szene in den letzten zehn bis zwanzig Jahren?
Larry Schuba: Ich denke, sie hat sich negativ entwickelt. Viele haben nicht verstanden, worum es bei der Country-Musik geht - nämlich darum, Geschichten zu erzählen. Oft hören die Menschen den Geschichten nicht mehr zu und vergessen, dass es bei Konzerten um die Musik geht - und nicht um Bierkonsum. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich schon 55 Jahre alt bin - für die Zukunft der Szene sehe ich nämlich schwarz.  

CMN: Was denken Sie, wer für diese Entwicklung verantwortlich ist?
Larry Schuba: Die Medien, die Plattenfirmen, die Musiker - da hat sicherlich jeder seinen Teil dazu beigetragen. Den Plattenfirmen geht es ja leider nur ums Geld, Qualität wird nicht eingefordert. Songschreiber, die Leidenschaft mitbringen, haben es wirklich schwer und werden oftmals gar nicht gehört. Ich persönlich kann mit diesem Problem umgehen, weil ich meine Nischen und vor allem meine Fans habe.  

CMN: Hängt die negative Entwicklung der Szene auch mit dem Image der Country-Musik zusammen?
Larry Schuba: Ja natürlich. Country wird in Deutschland nahe dem Musikanten-Stadl angesiedelt. Und das Absurde ist, dass man dieses Image, das der Musik ja schadet, bedienen muss, um Erfolg zu haben: Man darf nicht eckig und kantig sein, sondern soll sich anpassen und sich verkleiden, damit das Klischee bedient ist. Dagegen habe ich mich immer gewehrt. Ich habe mir nie den Mund verbieten lassen. So kann man mit aufrechtem Rückgrat durchs Leben gehen.  

CMN: Tom Astor äußerte sich in einem Interview ähnlich. Er kritisierte die gleichen Punkte.
Larry Schuba: Mit Verlaub: Tom Astor hat einen völlig anderen Zugang zur Countrymusik als ich. Ich schätze ihn sehr als guten Freund. Er hat viele tolle Sachen gemacht, aber auch vieles, was ich nicht machen würde. Ich habe großen Respekt vor ihm. Trotzdem ist er nicht mein Maßstab. Er hat eine große Plattenfirma und bekommt von allen Seiten Hilfe. Bei mir sieht das anders aus: Zu mir kommen nicht die Cowboyhut-Träger, sondern ganz normales Publikum, das zu schätzen weiß, dass wir seit fast 40 Jahren unsere Musik mit großer Leidenschaft präsentieren. Das ist genau die Nische, die ich immer mehr suche und auch finde. Nur: Da hilft einem keine Plattenfirma. Deshalb habe ich meine eigene kleine Firma. So muss ich keine faulen Deals eingehen, was wirklich ein Geschenk ist.

CMN: Sony BMG hat vor einigen Jahren den Versuch gestartet, Country-Musik zu vermarkten. Warum denken Sie, hat das nichts bewegt in der Szene?
Larry Schuba: Sony BMG hat vielleicht einige falsche Leute unterstützt. Außerdem haben sie versucht, die amerikanische Szene nachzuahmen. Anstatt deutsche Bands und Musiker mit deutschen Texten raus zu bringen, haben sie die Künstler amerikanisiert. Ich sehe es generell als Problem, dass es in diesem Land schon fast ein Verbrechen ist, deutsch zu singen. Dabei ist es doch völlig schwachsinnig in einem Land mit über 80 Millionen Deutschen, englisch zu singen! Viele Deutsche verstehen die englische Sprache nicht gut und so kommt die Aussage der Songs oft nicht im Herzen der Zuhörer an. Deshalb bevorzuge ich deutsche Texte. So versteht man, was ich zu sagen habe. Ich finde es hochinteressant und prickelnd, einen guten deutschen Text abzuwickeln. Das ist richtige Arbeit. Nur die Medien ziehen bei den deutschen Texten leider nicht mit.   

CMN: Im Pop-Musik-Bereich ist die deutsche Sprache aber mittlerweile wieder bestens etabliert. Wieso nicht im Country?
Larry Schuba: Ich denke, hier ist die Szene selbst schuld. Die Leute hätten weniger Bier trinken und sich stattdessen mehr auf die Konzerte, die Musik konzentrieren sollen. Ich mache das jetzt seit fast 40 Jahren mit, ich habe alles durch - die großen 80er und dann die letzten 20 Jahre, in denen es stetig bergab ging. Die Veranstalter interessiert es mittlerweile nicht mehr, wer auf der Bühne steht, Hauptsache, sie können ihr Bier verkaufen. Das ist natürlich unheimlich schade.   

Foto: Andreas Weihs
CMN: Sie sind mit Ihrer Band häufig im europäischen Ausland und in den USA aufgetreten. Wie erleben Sie die Country-Szene im Ausland?
Larry Schuba: Auch dort zählt nur noch der Umsatz. Newcomer dürfen oft nur eine CD machen - wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, sind sie weg vom Fenster. Ich war in den 80er Jahren öfter in den USA. Heute zieht mich da nichts mehr hin. Ich habe mir geschworen, solange dieser Präsident (Anmerkung der Redaktion: George W. Bush) am Ruder ist, bringe ich mein Geld nicht in dieses Land.   

CMN: Wie war es für Sie, als sie zum ersten Mal im Mutterland der Country-Musik aufgetreten sind?
Larry Schuba: Das ist natürlich lange her ... Nun, es war schön. Aber ehrlich gesagt, auch nicht so ein riesiger Unterschied zu den Konzerten in Deutschland. Es war wie ein schöner Urlaub und wir haben dort gezeigt, dass auch wir Deutschen Musik machen können. Aber die Amerikaner sind da eigentlich sehr professionell - sie machen keinen Unterschied, nur weil jemand aus einem anderen Land kommt. Heute interessiert mich das aber alles nicht mehr wirklich. Auch Nashville ist heute auf puren Kommerz ausgerichtet. Das ist nicht mehr das Nashville, das ich mal gekannt hab. Diesen schönen alten Traum will ich mir nicht kaputt machen.  Auch die Optik muss bei den Künstlern in Nashville inzwischen ja passen, damit sie einen Plattenvertrag kriegen. Aber so richtig Charisma versprühen nur ganz wenige. Plastikbrüste, entsprechendes Styling - meine Welt ist das nicht.  

CMN: Sie sind Anfang der 90er Jahre im Vorprogramm der Highwaymen aufgetreten. Wie war das für sie?
Larry Schuba: Ich hab da zum ersten Mal Willie Nelson getroffen. Er ist für mich Mentor und Idol. So jemandem in die Augen zu schauen und die Aura zu spüren ... Das waren schon große Momente für mich. Er hat mir auch seine eigene Philosophie mit auf den Weg gegeben: Mach das, was du fühlst! Mach das, was dir wichtig ist und bieder dich nicht bei irgendwelchen Leuten an, die nicht wissen, um was es geht. Das hat mir Kraft gegeben. Insofern war das ein unvergessliches Erlebnis.   

CMN: Wer war der letzte Künstler, der Ihnen wirklich imponiert hat?
Larry Schuba: Der letzte, der mich wirklich tief beeindruckt hat - und das bis heute tut, ist Vince Gill. Ein Mann, der unglaublich schöne Songs schreibt, der die Tradition pflegt und Brücken baut zwischen der jungen und der alten Generation. Er lässt sich nicht verbiegen und zeigt unglaublich viel Leidenschaft.  

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CMN: Was ist Ihre Definition von Country-Musik?
Larry Schuba: Country bedeutet, Geschichten zu erzählen. Geschichten, die uns allen passieren können, über das Leben, das wir führen. Die Aufgabe eines Songschreibers ist nicht, irgendwelches unwichtiges Gequatsche abzusondern. Das ist mir im Laufe der Jahre natürlich auch passiert, aber ich schreibe inzwischen am liebsten die kleinen Gänsehaut-Geschichten. Zum Glück habe ich die mit Sicherheit beste Band in diesem Land, die meine Geschichten mit viel Fürsorge, Leidenschaft und Sensibilität untermalt. Uns verbindet eine ganz außergewöhnliche Freundschaft.   

CMN: Wie könnte man den Stellenwert der Szene ihrer Meinung nach verbessern?
Larry Schuba: Das ist schwer. Weil die Werte der Gesellschaft völlig verkommen sind. Vielen Leuten bedeutet es einfach nichts mehr, schöne Musik zu hören. Alles muss schnell sein, billig und dazu noch eine große Party. Keiner übernimmt mehr Verantwortung, keiner denkt mehr über diese Welt nach. Deshalb ist es schwer, Dinge zu verändern. Es bleibt nur der Rückzug. Zum Glück gibt es noch einige wenige Menschen, die einem Zeit schenken, zuhören und einen anderen Anspruch als die typischen Bierzelt-Gäste haben. Für diese Leute lohnt es sich weiterzumachen. Das gibt Kraft. Speziell in den neuen Bundesländern, gibt es noch viele Menschen, die echte Musik hören wollen.  

CMN: Sehen Sie da ein Ost-West-Gefälle?
Larry Schuba: Ja. Verallgemeinernd und überspitzt könnte man sagen: Im Westen wird getrunken, im Osten wird zugehört. Die Bierzelte sind eine Erfindung der BRD. Das gab es im Osten damals nicht. Es gab dort Kulturhäuser und Konzerte, bei denen man zugehört hat. Diese Tradition ist bei vielen Menschen noch tief verankert.  

CMN: 2007 feiern Sie  “40 Jahre Larry Schuba & Western Union” ...
Larry Schuba: Ja, im April. Ich will mit den Menschen feiern, die uns die letzten Jahre begleitet haben. Mit der Generation, die mit uns in den 60ern und 70ern angefangen hat. Wir sind inzwischen alle so viel älter geworden. Heute ist es für viele wie ein Déjà  Vu, wenn sie uns auf der Bühne sehen. Ich denke, das kommt durch unsere sehr ordentliche, liebevolle Arbeit über die letzten Jahrzehnte.  

CMN: Aber wir gehen mal davon aus, dass bei dieser Party auch Bier ausgeschenkt wird ...
Larry Schuba: Ja, klar, aber die Leute kommen schon zu uns, um uns zuzuhören. Wir haben viele sehr leise Lieder. Das weiß unser Publikum zu schätzen. Ich hab natürlich nichts dagegen, wenn die Leute singen und Spaß haben, aber ich muss ab und zu für Ruhe sorgen. Daher kommt im übrigen auch das Gerücht, ich würde mein Publikum beschimpfen. Das stimmt natürlich nicht. Aber ich bediene eben lieber Qualität als Quantität.  

CMN: Vielen Dank für die offenen Worte.

vgw
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