"Es ist aufregend für mich, weil ich glaube, dass ich zu einer echten Künstlerin geworden bin und nicht mehr nur eine Stimme bin", sagt Rimes, die zum ersten Mal beim Schreiben aller Lieder mitgewirkt hat. "Ich glaube, dass die Menschen mich lange Zeit wegen meiner Stimme gekannt haben und ich akzeptiere und schätze das. Aber da gibt es noch diese ganze andere Seite von mir, die schon immer da war."
Mit dieser Meinung ist sie nicht allein. Der Vorsitzende von Curb Records, Mike Curb, betonte: "Dieses Album zeigt LeAnns Weiterentwicklung als Songschreiberin und als Künstlerin, aber es zeigt auch LeAnns Fähigkeit auf sehr erwachsene Art und Weise mit ihrer Familie und ihrem Leben umzugehen. Dies ist besonders erstaunlich, wenn man bedenkt, dass LeAnn bereits als Teenager, als sie ihren ersten Plattenvertrag mit uns unterzeichnete, über die Fähigkeit verfügte wie eine Erwachsene zu singen und Songs zu interpretieren; jetzt tut sie dies jedoch mit der Perspektive einer Frau, die ihre eigenen Erfahrungen in einer sehr direkten Art vermittelt."
Obwohl sie schon sehr lange Songs schreibt, erklärte Rimes, dass sie sich in Bezug auf ihre Fähigkeiten als Songschreiberin nie so sicher gefühlt hat wie in Bezug auf ihr Talent als Sängerin. Das hat sich mit diesem Album geändert.
"Ich habe mir Bright Eyes und viel von Bob Dylan angehört", sagte sie. "Und ich habe mir Tracy Chapmans letztes Album "Where You Live" angehört. Diese Alben habe eine Art tief verwurzelten Sound und sehr ehrliche Texte. Da dachte ich mir: 'Ich kann das tun und ich möchte das tun'. Wir haben damit angefangen kommerzielle Refrains zu schreiben, die ins Ohr gehen, aber mit Texten, die etwas aussagen und ehrlich sind."
Rimes wollte, dass diese Songs ihre Gefühle ausdrücken, aber trotzdem allgemein genug sind, dass sich andere Menschen in den Texten wieder erkennen. "Ich wollte Songs schreiben, die etwas über mich und meine Vorstellungen und Ansichten aussagen", erklärte Rimes, die am 28. August 25 Jahre alt geworden ist. "Und ich wollte so schreiben, dass sich die Menschen in den Songs wieder finden und ihre eigenen Geschichten hören, daher geht es teilweise um mich und teilweise um sie."
"Ich glaube, das ist der Grund, warum ich das Album "Family" nennen wollte", fuhr sie fort, "weil ich das Gefühl habe, dass die Leute mit mir aufgewachsen sind, ich wiederum mit ihnen aufgewachsen bin und diese ganze Welt auf eine Art meine Familie geworden ist. Jeder wusste immer über jeden Teil meines Lebens Bescheid, einschließlich aller Probleme und Widrigkeiten, die ich persönlich mit meiner Familie durchstehen musste. Ich hatte das Gefühl, dass es Zeit ist, diese tief empfundenen und ehrlichen Gedanken mit allen zu teilen."
Nur wenige Künstler in irgendeinem Genre sind so im Fokus der Öffentlichkeit aufgewachsen wie Rimes. Die in Jackson, im US-Bundesstaat Mississippi geborene Sängerin gewann ihren ersten Talentwettbewerb im Alter von fünf Jahren. Ihre Familie zog von Mississippi nach Texas, als sie sechs Jahre alt war und die Karriere der jungen Künstlerin blühte dort auf. Sie sang die Nationalhymne bei den Spielen der Dallas Cowboys und war ein regelmäßiger Gast bei der "Jonnie High´s Country Music Revue", die zu der Zeit jede Woche in Fort Worth stattfand. Im Alter von sieben Jahren nahm sie ihr erstes Album auf. Als sie elf Jahre alt war, hatte sie bereits ihr zweites Album bei Norman Pettys Plattenstudio in Clovis, New Mexico aufgenommen.
Mit dem Titel "Blue", der Mike Curb dazu veranlasste der jungen Künstlerin einen Plattenvertrag anzubieten, hob ihre Karriere dann richtig ab. "Blue" wurde ein Riesenhit und im Alter von vierzehn Jahren war Rimes die jüngste Künstlerin, die je einen Grammy gewonnen hat oder um genau zu sein: zwei Grammies, einen als beste neue Künstlerin und einen für die beste weibliche Gesangsdarbietung. 1997 erhielt sie außerdem den CMA Horizon Award.
Seitdem hat Rimes mehr als 37 Millionen Alben verkauft und konnte zahlreiche Hit-Singles verzeichnen, wie unter anderem "One Way Ticket", "I Need You", "Nothin' 'bout Love Makes Sense", "Probably Wouldn't Be This Way" und "How Do I Live", ein Song der rekordbrechende 69 Wochen in den Billboard Hot 100-Charts war.
Neben ihrem Erfolg als Pop- und Countrysängerin in den USA feierte Rimes auch in Europa große Erfolge im Popgenre, wobei sie das Album "Whatever We Wanna" herausbrachte, bei dem sie eine andere Seite ihrer Kreativität weiterentwickeln konnte, indem sie 10 der 15 Titel selbst mit verfasste.

Rimes räumte ein, dass die Menschen manchmal skeptisch sind, wenn sich Künstler plötzlich auch als Songschreiber betätigen. "Die Leute sehen einen Künstler und denken: 'Wie viel bringen sie wirklich in dieses Album ein?'", sagte sie. "Wir haben in dieser Hinsicht einen schlechten Ruf, weil viele Künstler einfach nur in einen Raum gehen und sich dort hinsetzen, ohne etwas beizutragen. Ich glaube, dass viele Songschreiber genau das von mir erwarteten, als ich angefangen habe zu schreiben und dann überrascht waren, dass ich wirklich schreiben kann. Ich hatte meine eigenen Ideen und Meinungen und wollte mit den Songschreibern zusammenarbeiten. Am Anfang war es beängstigend, aber ich hatte das Gefühl, dass ich viel zu sagen hatte. Ich möchte nicht nur für mich selbst schreiben. Ich möchte selbst eine große Songschreiberin werden und ich wünsche mir, dass andere Sänger meine Lieder aufnehmen."
Rimes merkt an, dass Faith Hill und Jamie O'Neal bereits einige ihrer Kompositionen für kommende Projekte in Erwägung ziehen. "Das ist so seltsam, da ich normalerweise als Künstlerin auf der anderen Seite stehe und nicht die Songschreiberin bin", sagte Rimes und fügte hinzu, dass sie die Tatsache, dass einige Künstler manche Titel für lange Zeit auf Eis legen, jetzt ganz anders sieht. "Das werde ich einem Songschreiber nie wieder antun."
Trotz dieser Entwicklungen hat Rimes nicht vor, die Schreibergemeinschaft von Music Row zu verlassen. Sie hörte sich sogar einige Songs für "Family" an, bevor sie beschloss sich ausschließlich auf ihre eigene Arbeit zu konzentrieren.
"Es ist nicht so, dass die Songs nicht gut gewesen wären", erklärt sie. "Es war nur so, dass sie nicht meine Geschichte erzählt haben. Ich liebe es, mir Songs anzuhören - und wer weiß? Für mein nächstes Album schreibe ich vielleicht nur die Hälfte aller Titel. Ich werde niemals einen guten Song ablehnen, so viel steht fest."
Das von Dann Huff produzierte Album "Family", das am 9. Oktober herauskommen soll, deckt einen große Brandbreite ab, von der unbeschwerten ersten Single "Nothin´ Better to Do" bis zum ergreifenden "What I Cannot Change". Außerdem gibt es zwei Duette, eines mit dem Sänger und Songschreiber Marc Broussard aus Louisana mit dem Titel "Nothing Wrong" und eine heiße Darbietung mit Jon Bon Jovi mit dem Titel "Till We Ain´t Strangers Anymore", der bei Rimes als Bonustitel sowie auf Bon Jovis neuem Album "Lost Highway" auftaucht.

Für eine Künstlerin, die so früh in ihrem Leben schon so erfolgreich war, hat Rimes erstaunlicherweise ihre Bodenhaftung nicht verloren. Im Gegensatz zu vielen jungen Stars, die mit ihrem Fehlverhalten immer neue Schlagzeilen provozieren, ist sie seit fünf Jahren glücklich mit Dean Sheremet verheiratet. Die beiden schrieben zusammen an "Family", eine Erfahrung, die für einige schreibende Paare eine echte Herausforderung ist, sich für diese beiden aber völlig natürlich anfühlte.
"Schreiben ist eine sehr intime Erfahrung", sagte Rimes, "daher muss ich mich mit den Schreibern, mit denen ich zusammenarbeite, wohl genug fühlen, um meine Barrieren abzubauen. Wenn ich mit Dean schreibe, habe ich sofort das Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Wir ergänzen uns sehr gut und der eine führt das fort, was der andere angefangen hat. Wir treiben uns immer gegenseitig voran. Es ist sehr schön eine Beziehung mit vollkommener Ehrlichkeit zu haben."
Das andere Geheimnis ihrer stabilen Ehe ist ihre Dickköfigkeit. "Ich wusste, dass alle nur darauf gewartet haben, dass ich mich selbst zerstöre, weil dies das ist, was meistens passiert", sagte Rimes. "Und ich habe diesen Ehrgeiz, dass ich allen beweisen wollte, dass sie sich geirrt haben. Ruhm und Erfolg nehmen dir für eine Weile wirklich viele Dinge. So war das jedenfalls bei mir. Das Gefühl für die Realität kommt einem vollkommen abhanden und ich musste hart kämpfen, um es zurück zu erlangen. Ich wollte diesen Realitätssinn wieder zurück. Ich glaube, weil ich dies so sehr wollte, habe ich jetzt ein gutes Gleichgewicht. Es ist schön zurückschauen zu können und zu wissen, dass ich so viel erreicht habe und dankbar dafür zu sein, aber ich weiß, dass ich noch so viel mehr erreichen kann. Ich habe das Gefühl, dass dieses Album erst der Anfang ist."