Dixie Chicks: Shut Up & Sing

Dixie Chicks Shut up and Sing

Eine unbedachte Äußerung - zwölf Worte nur - ruinierte fast die Karriere der erfolgreichsten Frauenband der Welt, der Dixie Chicks. 2003, kurz vor Beginn des Irak-Kriegs, sagte Sängerin Natalie Maines zum Auftakt der "Top of the World"-Tour im "Londoner Sheperd's Bush Empire": "Wir schämen uns, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stammt". Damit löste sie in den USA eine hysterische Hexenjagd aus, angefeuert von rechten Gruppen wie "Free Republic".

Dixie Chicks Shut up and Sing Cover
 

"Shut Up & Sing" dokumentiert, wie 12 Worte die Karriere der Dixie Chicks fast beendeten

Country-Sender boykottierten die Dixie Chicks, ihre Umsätze stürzten im freien Fall, aufgebrachte Fans zerstörten öffentlich ihre CDs, ließen Hass-Tiraden ab, sogar Morddrohungen. In den USA ist kürzlich "Shut Up & Sing" auf DVD erschienen, eine fabelhafte Dokumentation, die den Kampf der Band um ihre Integrität schildert und verfolgt, wie sie daran menschlich wie künstlerisch wächst.

Die Nerven liegen blank

"Dixie-Schlampen", "Saddams Engel", "Verräter", die Beschimpfungen kamen prompt und heftig. In den Medien, von Politikern, im Country-Radio, vor ausverkauften Hallen von (Ex-)Fans. "Wir hatten noch nie soviel Negativ-Feedback, da hätten wir auch gleich Marilyn Manson spielen können", bestätigte der Manager einer Country-Station vor laufender Kamera. Das "United We Stand"-Amerika war nicht nur kriegswillig, es schoss sich auch auf die Dixie Chicks ein, frei nach George W. Bushs Motto: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns". Die Dixie Chicks, die sich seit 2020 nur noch The Chicks nennen, reagieren zuerst ungläubig, sind um Schadensbegrenzung bemüht, vermuten ein kurzes Medien-Gewitter, das rasch vorüberziehen wird. Doch dann folgt Ernüchterung, Fassungslosigkeit. Nichts wird mehr so sein wie früher. Die Lage ist ernst, die Nerven liegen blank. "Natalie wird am 6. Juni in Dallas, Texas erschossen!", droht ein manischer Wirrkopf. Aber die Dixie Chicks weigern sich, klein beizugeben. Im Gegenteil, sie wollen sich nicht mundtot machen lassen und treten die Flucht nach vorn an.

Kommerzieller Selbstmord

Die Regisseurinnen Barbara Kopple (Oscars für die Dokumentationen "Harlan County, USA" und "American Dream") und Cecilia Peck waren drei Jahre lang, von 2003 bis 2006, hautnah dabei. "Shut Up & Sing" ist eine mitreißend inszenierte Dokumentation, die neben dem politischen Aspekt auch erstklassige Einblicke ins Country-Geschäft gewährt: Der Film springt zwischen der Hysterie von 2003 und den Aufnahmen zu ihrem Grammy prämierten Hit-Album "Taking The Long Way" (2006) hin und her, mit dem die drei Frauen die Ereignisse reflektierten. Man sieht die Dixie Chicks vor und während Konzerten, bei Pressekonferenzen, diskutierend mit Produzenten-Guru Rick Rubin, bei karrierestrategischen Besprechungen mit ihrem Manager Simon Renshaw. Der hält die ganze Zeit bedingungslos zu seiner Band. Sogar bei kommerziellen Selbstmordaktionen wie dem legendären "Entertainment Weekly"-Cover, das die Dixie Chicks nackt, mit Hass-Parolen beschmiert, zeigte.

Country-Krieg

Dabei ist "Shut Up & Sing" frei von falscher Sentimentalität und Märtyrertum. Natalie Maines, Emily Robinson und Martie Maguire akzeptieren ihre Rolle als Sprachrohr eines Anti-Bush-Amerika zuerst eher unfreiwillig, dann aber umso vehementer. Und sie geben Country-Größen wie Toby Keith contra. Der war über Natalie Maines hergezogen, indem er sie auf einem gefälschten CD-Cover im Arm von Saddam Hussein als "Dixie Duo" darstellte und beleidigte. Die Dixie Chicks trugen daraufhin "FUTK"-T-Shirts (Fuck You, Toby Keith). Auch diese bizarre Episode deckt die Dokumentation "Shut Up & Sing" ab. Sie ist ein Pflichtprogramm, und zwar nicht nur für Dixie Chicks-Fans.

Fazit: Erstklassig, erhellend und intelligent. Nach der Dokumentation "Shut Up & Sing" kann man vor dem Mut und der Integrität der taffen Dixie Chicks nur den Hut ziehen

vgw