So viel Bodenständigkeit wie er auf seinem neuen Album präsentiert, hätte man allerdings nicht erwartet. Denn auf dem von ihm gemeinsam mit Rick Rubin produzierten Album huldigt der graubärtige Sänger und Songschreiber erstaunlicherweise dem Blues und dem R&B, den Wurzeln und Roots von Pop und Rock. Das Ergebnis sind zehn grandiose Songs und Interpretationen, die man immer wieder hören kann. Nicht, weil die Arrangements so viele versteckte Feinheiten zu bieten hätten. Sondern weil die Musik durch seltene Wärme besticht.
Es ist schon erstaunlich, dass fast 50 Jahre ins Land ziehen müssen, bis dieses Phantom von Künstler so ein Album präsentiert. Dabei, so schreibt er in den Liner-Notes, habe er sich schon als Teenager vom R&B angezogen gefühlt, von Künstlern wie Bo Diddley, Chuck Berry, Howlin' Wolf und Jimmy Reed. Gleiches kann auch Eric Clapton von sich behaupten. Nur, dass sich der schon früh aufgemacht hat, musikalisch in die Fußstapfen dieser Roots-Künstler zu treten. Nun macht es Yusuf - und klingt dabei nicht selten wie der erwähnte Eric Clapton. Man nehme nur die Luther Dixon/Al Smith-Komposition "Big Boss Man". Ein rabenschwarzer Blues, mit der exzellenten Harp von Charlie Musselwhite, mit Feeling - aber eben mit dem gewissen Brit-Blues-Feeling, das Eric Clapton seit jeher auszeichnet.
Dass Yusuf imstande ist, einen dieser vielen Klassiker des 12-Takt-Schemas kompetent zu interpretieren, ist nicht verwunderlich. Dass er es aber drauf hat, selbst den einen oder andern Song-Meilenstein in diesem Genre zu setzen, ist noch mal etwas anderes. Er hat es drauf. Und wie. Man nehme nur das finale "Doors". Ein Blues mit Gospel-Orgel. Die wummert sicher nicht zufällig, denn Islam & Gospel - das sollte sich eigentlich ausgrenzen. Vermutlich geht's ihm darum: weg mit den Klischees, weg mit den Grenzen, weg mit den verschlossenen Türen. "Doors" gehört zu den Glanzlichtern dieser durchweg exzellenten CD, vielleicht sogar zu den Glanzlichtern in der gesamten Karriere von Yusuf Islam/Cat Stevens.
Welch prächtigen Blues-Sänger die britische Songwriter-Legende abgibt, beweist er auch in dem Edgar-Winter-Track "Dying to Live". Begleitet nur von Akustik-Gitarre, Keyboard und Bass gibt er eine höchst emotionale Performance, veredelt er subtil die einst von Winter edel geschmiedeten, todtraurigen Textzeilen. Purer Blues, wie man ihn aber nur selten zu Gehör bekommt.
Auch bei den weiteren Cover-Versionen überrascht und verzückt Yusuf. So holt er mit "The Devil Came From Kansas" den 1969 erschienenen Procol Harum-Rocker aus der Song-Mottenkiste, um ihn zu entstauben, um ihn mit neuem Schwung und neuen Sounds aufzuladen und ihn gemeinsam mit Begleitern wie Americana-Liebling Bonny "Prince" Billy in neue Song-Höhen steigen zu lassen.
Gestern und Heute ist auch das Thema bei dem neu arrangierten, jetzt zum Titelsong umfunktionierten Traditional "Tell 'Em I'm Gone". Wieder sind Bonnie "Prince" Billy und Gitarrist Matt Weeney mit von der Partie, wieder ergeben Roots und Rock, erdiger Blues und pure Magie eine unwiderstehliche Mixtur ab. Eine in Arabisch gesungene Textzeile schlägt überdies die Genre-Brücke zur World Music.
Weitere Yusuf-Originale - wie "I Was Raised In Babylon" und "Editing Floor Blues" - erfüllen ebenfalls die höchsten Qualitätskriterien. Eine Meisterleistung!
Fazit: Ob Cat Stevens oder Yusuf Islam - der Mann macht einfach klasse Musik. Für das bluesige "Tell ´Em I’m Gone" gilt das mehr denn je. Ein absoluter Volltreffer!
Label: Legacy (Sony) | VÖ: 24. Oktober 2014 |
Titelliste
Video-Interview
01 | I Was Raised In Babylon | 06 | Cat & The Dog Trap |
02 | Big Boss Man | 07 | Gold Digger |
03 | Dying to Live | 08 | The Devil Came From Kansas |
04 | You Are My Sunshine | 09 | Tell 'Em I'm Gone |
05 | Editing Floor Blues | 10 | Doors |