Chase Rice, der bullige Sänger und Songschreiber aus Asheville, North Carolina, ist ein würdiger Vertreter dieser neuen Künstler-Generation und deren Veröffentlichungs-Philosophie. Dass ihm diese Strategie nicht schadet, konnte er zuletzt feststellen, als er Ende Januar dieses Jahres den ersten Teil seines neuen Longplayers seiner Fangemeinde präsentierte: "The Album, Part 1" bot sieben Tracks und landete auf einem stattlichen sechsten Rang der US-Country-Charts. Mal sehen wie weit es jetzt die vier Song-Nachzügler von "The Album, Part 2" bringen?
Nie war Chase Rice gefühlvoller und romantischer zu erleben…
Eines steht von vorneherein fest: Seine Fans, und davon gibt es nach seiner letzten umjubelten Deutschland-Tournee auch hierzulande eine ganze Menge, werden mit dem Song-Quartett der zweiten Albumhälfte zufrieden sein. Schließlich liefert der 33-Jährige. Er serviert in den von Chris DeStefano hip und mit einigen kreativen Einfällen garnierten Nummern genau das, was man von Chase Rice erwartet: melodiös eingängige Songs, denen eine gewisse Pop-Leichtigkeit beschieden ist, Texte die dem unbeschwerten Leben zugewandt sind plus sein typisch-tiefenentspannter Gesang. Hört man den ehemaligen Football-Star singen, rücken Infektions- und Reproduktionszahlen dieser gruseligen Corona-Tage sofort weit in den Hintergrund. Kein übles Argument, um sich den Song-Vierer von "The Album, Part 2" anzuhören.
Offenbar wollte Rice das auch mit "The Album, Part 2" bezwecken. "Wir wollten meine Fans möglichst schnell mit neuer Musik versorgen. Besonders in diesen verrückten Zeiten", sagte er Ende April in einem Interview mit "Sounds Like Nashville". Er hoffe, dass die Leute, während sie zu Hause festsitzen, mit dieser Musik etwas mehr Lebensfreude bekommen. Wie es scheint, ist der Lockdown aber auch an diesem durchtrainierten Testosteron-Titanen nicht spurlos vorüber gegangen. "Ich schätze, dass mich meine Fans so sehen, wie sie mich noch nie zuvor gesehen haben: verletzlicher und romantischer."
… als auf "The Album, Part 2"
Stimmt schon. Wer den Opener "You" hört, macht Bekanntschaft mit Chase Rice in der Schmusekater-Version. Nicht dass der Ex-Quarterback jetzt zum Barry Manilow der Country Music mutiert wäre, das sicher nicht. Aber so gefühlvoll und sehnsuchtsvoll hat man Rice noch nicht gehört, wie in diesem Crossover-Track aus Country, Pop und HipHop aus der Feder von Rice, Jon Nite und Zach Kale.
Typischer für ihn ist da schon das nachfolgende "Break. Up. Drunk." Nach einem nach Demo-Version klingenden Intro legt der Song, den Rice gemeinsam mit Hunter Phelps und Jordan Schmidt schrieb, gehörig los: ein sexy Country-Pop-Track in dem es um Mädchen, Liebe, Radio, Tennessee, Whiskey und Party geht. Kurz: Ein Lebensgefühl, das derzeit unter Quarantäne steht. Mit "Break. Up. Drunk." lässt sich aber wenigstens die Illusion davon aufrechterhalten.
Viel mit Illusion hat unter diesen Umständen auch das großartige "Down Home Runs Deep" zu tun. In der Daniel Ross-, Michael Hardy-, Mike Walker- und James McNair-Komposition deutet Chase Rice ein Gefühl von Demut an. Eine Idee von Verunsicherung, die in dem melodiös exzellent durchdachten Titel auf hymnische Euphorie stoßt - und so für großartige Spannung sorgt. Ein kleines Meisterwerk!
So könnte man wohl auch das finale "Belong" bezeichnen. Nach einem verhaltenen, große Emotionen verheißendem Klavier-Intro baut sich mit jedem Takt, jeder Note mehr Dramatik auf. Im Gegensatz zu vielen modernen Nashville-Songs entlädt sich diese aufgestaute Energie aber nicht schon bei der ersten Refrain-Gelegenheit – sondern erst nach rund zwei Minuten in der gesummten Song-Bridge. Dieses Spiel mit leise und laut setzt sich in der Rice-, Chris DeStefano- und Jon Nite-Komposition noch weiter fort – bis zum Finale mit großem Chor und allem erdenklichen Sound-Pathos. Ein Titel, wie geschaffen für ein Sport-Großereignis wie Fußball-Weltmeisterschaft oder Super Bowl. Events, auf die wir wohl noch eine ganze Weile verzichten müssen. Zum Glück gibt es aber Musik wie die Songs von "The Album, Part 2”, sie versüßen uns diese Zeit bis dahin.
Fazit: Chase Rice möchte mit "The Album, Part 2” etwas mehr Lebensfreude in die Lockdown-Wohnzimmer tragen. Gute Idee - und sie gelingt. Der zweite Teil seiner CD bietet perfekten Country-Pop mit jeder Menge positiver Vibes.
Label: Dack Janiels / Broken Bow / BMG (Warner) | VÖ: 15. Mai 2020 |
01 | You |
02 | Break. Up. Drunk. |
03 | Down Home Runs Deep |
04 | Belong |