Er könnte, wenn er nur wollte. Ja, er könnte einfach nur starke, schöne, berührende, von mir aus provozierende Songs abliefern, dieser Sturgill Simpson, und damit seine Fangemeinde zufrieden stellen. Dann würde er mühelos auf der 2014, mit dem Album "Metamodern Sounds in Country Music" losgetretenen Country-Erfolgswelle weiter reiten. Er könnte das alles - aber er will nicht. Schon sein letztes Album, das ziemlich phänomenale "A Sailor's Guide to Earth" machte deutlich, um welch kreatives Kaliber es sich bei Sturgill Simpson handelt. Mit "Sound & Fury" geht der aus Kentucky stammende Sänger, Songschreiber und Produzent noch einen, ach was, mehrere Schritte weiter: "Sound & Fury" ist nach eigenem Bekunden ein "schmieriges, dampfendes Rock 'n' Roll-Album". Eine skandalöse Untertreibung!
Sturgill Simpson schlägt mit "Sound & Fury" ein neues Kapitel auf
Denn sein neuestes Werk, mittlerweile sein viertes Album, soll den besagten "dampfenden Rock 'n' Roll" mit japanischer Animations-Kunst zusammenbringen. Geht nicht? Oh doch" "Sound & Fury" ist deshalb so etwas wie ein Konzeptalbum, bei dem die visuelle Umsetzung vielleicht genauso wichtig ist, wie die Musik. Auf Simpsons offiziellem YouTube-Kanal ist beispielsweise das phänomenale Comic-Art-Video zum vorab veröffentlichen Track "Sing Along" zu sehen und zu hören - weit über 800.000 Fans haben das innerhalb vier Wochen geklickt
Sturgill Simpson - Sing Along (Official Video)
Tja, und was bekommen da unsere von Pedal-Steel, Fiddle und Banjo verweichlichten CountryMusicNews.de-Ohren da zu hören? Sounds und Arrangements, über die wir auf diesem Portal normalerweise den Mantel des Schweigens hüllen: Psychedlic-Rock, Industrial-Klänge, Computer-Sounds, Gitarrengesäge, Wumm-Bumm-Drums - und weit und breit keine Spur von Pedal-Steel, Fiddle und Banjo.
Wer Country, nur Country mag, muss keine Zeile weiterlesen. Auch wenn Sturgill Simpson mit Song Nummer sieben, "All Said And Done", andeutet, wo seine musikalischen Wurzeln liegen. Der Track ist vielleicht immer noch nicht Country, aber er lässt immerhin bemerkenswert schöne Melodien, entspannte Rhythmik und ein flirrendes Gitarrensolo aufblitzen. Im Gesamtkontext der CD: eine Wohltat. Muss man so sagen.
"Sound & Fury" ist mit konventionellen Maßstäben nicht zu bewerten
Nicht dass "Sound & Fury" eine schlechte CD wäre. Streng genommen entzieht sie sich diesen handelsüblichen Bewertungen sogar. Vermutlich, nein, sicher sogar, muss man das von Sturgill Simpson gemeinsam mit seiner Band und John Hill ("Cage The Elephant") produzierte Album als Kunstwerk einordnen. Klangkunst. Videokunst. Nicht umsonst trägt einer dieser dröhnenden Synthie-Rock-Songs den bemerkenswerten Titel "Make Art Not Friends". Klar, das kann ganz schön abgehoben klingen. Vermutlich ist es das auch. Schließlich sagt uns Sturgill Simpson damit, dass ihm Kritiken, Fans und Freunde leidlich am Allerwertesten vorbei gehen. Was zählt ist: die Kunst. Seine Kunst.
Fazit: Sturgill Simpson bleibt das unberechenbare Genie: auf "Sound & Fury" vermengt er japanische Manga-Kunst mit deftigem Rock 'n' Roll, Synthie- und Industrial-Klängen.
Label: Elektra (Warner) | VÖ: 27. September 2019 |
01 | Ronin |
02 | Remember to Breathe |
03 | Sing Along |
04 | A Good Look |
05 | Make Art Not Friends |
06 | Best Clockmaker On Mars |
07 | All Said and Done |
08 | Last Man Standing |
09 | Mercury in Retrograde |
10 | Fastest Horse in Town |