2001 war das. "Buddy & Julie Miller", so der gleichnamige Titel ihres Debüts, sorgte dann aber für ganz schön Wirbel in der Roots-Szene. Für die Americana Music Association war es sogar "Das Album des Jahres".
Im Schlaf geboren: die Songs von "In The Throes"
Es folgten in unregelmäßigen Abständen weitere Tonträger. Alle wurden sie ausnahmslos von der Kritik wohlwollend bedacht - die Hitparaden rollten sie damit aber nicht auf. Das dürfte wohl auch nicht ihrem neuesten Werk "In The Throes" gelingen. Für alle, die nicht gleich im Englisch-Leistungskurs saßen: auf Deutsch heißt das wahlweise "Mitten in der Nacht" oder "Kurz vor dem Tod". Gehen wir mal von ersterer Interpretation aus. Zumal das Werk unter speziellen Umständen entstanden sein soll. "Die Lieder sprudelten nur so aus mir heraus", sagte Julie Miller über das Album, "ich lag im Bett und hatte eine Melodie und einen Text im Kopf. Also ging ich hinunter zu Buddy, sang es ihm vor und er suchte die passenden Gitarrenakkorde dazu." Anschließend habe sie den neuen Song "in einem Take" eingesungen. "Dann ging ich wieder zurück ins Bett."
So kann's gehen, wenn einen die Muse küsst. Und die muss Julie in den Monaten vor den Aufnahmen von "In The Throes" ganz intensiv geküsst haben. Sie habe, betont sie, eine äußert kreative Phase gehabt. Trotzdem wollte sie ursprünglich gar nicht, dass diese Songs veröffentlicht werden. Ihr Gatte sowie weitere Musiker aus dem Nashville-Establishment hätten sie aber vom Gegenteil überzeugt. Gut gemacht! Denn es wäre wirklich pure Verschwendung, hätte das Dutzend Folk- und Americana-Perlen nicht das Licht der Songwriter. it erblickt. Nicht, dass die Songs neue Standards setzen würden oder sonst irgendwie innovativ wären. Das sicher nicht. Doch die Musik hat Charme und Klasse - und beherbergt auch den einen oder anderen Reizpunkt.
Bis auf einen einzigen Song verantwortet Julie Miller alle Songs von "In The Throes". Die Ausnahme bildet "Don't Make Her Cry" - eine sehr gefällige Folk-Ballade, bei der im Hintergrund eine verzerrte E-Gitarre düster grummelt. Das Spektakuläre daran ist, wer bei dem Track neben Julie Miller und Regina McCrary Co-Autor ist, nämlich: kein Geringerer als Bob Dylan. "Don't Make Her Cry", diese Worte habe angeblich Regina McCrarys Vater Ende der 1970er Jahre zu Dylan gesagt, als seine Tochter in Dylans Band einstieg. Drei Jahrzehnte später schrieben die drei darüber jenen hier, von Buddy gesungenen Text. Schöne Geschichte, keine Frage.
Buddy & Julie Miller: das stärkste Pärchen im Americana
Schön ist es auch zu sehen, wie eng dieses, seit über 40 Jahren verheiratete Paar immer noch zusammensteht und wie groß ihre Liebe noch sein muss. Anders lassen sich Titel wie der knackige Opener "You're My Thrill", der subtile, gemeinsam eingesungene Folk-Song "I Love You" oder das epische, mit Klavier, Akustik-Gitarre und Bratsche eingespielte "The Last Bridge You Will Cross" nicht deuten. Okay, gelegentlich fliegen auch in einer noch so harmonischen Beziehung die Fetzen: der harte Folk-Rocker mit dem düsteren Titel "The Painkillers Ain't Working" und der wirklich schräge, mit schrillen Tönen garnierte Blues "I Been Around" lassen darauf schließen.
Es sind aber die emotionalen (und auch musikalischen) Ausreißer des Albums. Ansonsten herrscht bei den Millers vornehmlich Friede, Freude, Eierkuchen. Eine ausbalancierte Gefühlswelt, die Titel wie die im akustischen Setup gehaltene Ballade "I'll Never Live It Down", den fröhlichen Folk-Rocker "Niccolo", das rustikale Country-Kleinod "We're Leavin'" oder das an ein Kinderlied erinnernde "Oh Shout" möglich macht. Dass die beiden auch ordentlich zupacken können, zeigen sie im Titeltrack - ein echter Heartland-Rocker, der gut und gerne dem Tom Petty-Repertoire entstammen könnte. Neben Regina McCrary haben bei der Fertigstellung des Albums noch Größen wie der Multiinstrumentalist Larry Campbell sowie Country-Queen Emmylou Harris mitgewirkt.
Fazit: Szenen einer Bilderbuch-Ehe: Buddy und Julie Miller sind auch nach über 40 Ehejahren über beide Ohren verliebt - wie das neue, gefühlsbetonte Folk- und Americana-Album "In The Throes" verrät.
Label: New West (H'art) | VÖ: 22. September 2023 |
Disk 1 | |
01 | You're My Thrill |
02 | In the Throes |
03 | Dont Make Her Cry |
04 | Niccolo |
05 | I Love You |
06 | The Last Bridge You Will Cross |
07 | The Painkillers Ain't Workin' |
08 | Tattooed Tear |
09 | I Been Around |
10 | I'll Never Live It Down |
11 | We're Leavin' |