The Common Linnets: In Nashville sind wir nicht Country

The Common Linnets

Am 25. September 2015 erschien mit "II” das zweite Album von The Common Linnets. Auf dem Nachfolger ihres selbstbetitelten Albums präsentiert die Band 13 brandneue Songs, die sie allesamt selbst geschrieben haben. "Das Album ist anders, weil man alle Songschreiber auch singen hört. Das war bei der ersten Platte noch nicht der Fall", erzählt Sängerin Ilse DeLange im Interview mit CountryMusicNews.de.

"Wir haben uns als Gruppe und als Songwriter weiterentwickelt und daher ist auch der Sound anders." Dabei wollten die "Bluthänflinge" keine bestimmte Message rüberbringen, sondern vielmehr allen Songs die gleiche Gewichtung geben: "Wir haben mit 'II' bewusst einen neutralen Albumtitel gewählt, weil uns alle Songs wichtig sind." Den Druck nach dem ESC-Erfolgshit "Calm After The Storm", der in 14 Ländern auf Platz eins der Charts kletterte, habe die Band zwar gespürt, wollte sich aber davon nicht beeindrucken lassen, wie JB Meijers erklärt: "Wir haben uns gesagt: 'Das dümmste, was wir jetzt machen könnten, wäre zu versuchen, ein zweites 'Calm After The Storm' zu schreiben.' Deshalb haben wir das nicht gemacht. Wir sind so vorgegangen, wie wir auch mit unserem ersten Album angefangen haben. Wir haben das Album gemacht, weil wir die Songs schön finden. Wir sind einfach in unser eigenes Studio gegangen, haben die Tür zu gemacht und haben angefangen."

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Doch nicht nur im heimischen Hilversum südöstlich von Amsterdam entstanden die neuen Songs, sondern auch in der deutschen Hauptstadt Berlin. "Wir brauchten etwas Abgeschiedenheit von dem Rummel in den Niederlanden, daher haben wir das Auto bis oben hin mit Gitarren bepackt, sind nach Berlin gefahren und haben im Soho House ein Zimmer gemietet," erinnert sich Ilse DeLange. Bei der Reise sind gleich drei Songs auf dem neuen Album entstanden: "Soho Waltz", "In Your Eyes" und "That Part". Auch die anderen Bandmitglieder Matthew Crosby, Jake Etheridge und Rob Crosby steuerten Songs bei - und so entstand nach und nach das neue Werk. Und da die Hälfte der Band in Nashville wohnt, wurden die Songs auch hier teilweise eingespielt. Ilse DeLange: "Wir haben den Großteil des Albums in unserem Studio in Hilversum aufgenommen, JB und ich haben es produziert. Wir haben die Tapes dann mit nach Nashville mitgenommen und dort die Vocals eingespielt." Zur Seite standen der Band dabei wahre Könner: Paul Franklin (u.a. Vince Gill, Mark Knopfler, Rodney Crowell) auf Steel Guitar und Jerry Douglas (u.a. Dolly Parton, Mumford & Sons, Ray Charles) auf Dobro. Ilya Toshinskiy (u.a. Luke Bryan, Carrie Underwood, Rascal Flatts, Tim McGraw) steuerte das Banjo bei.

Das Feedback der Nashville-Künstler sei dabei anders gewesen als in Europa. "Viele Nashville-Künstler oder Kollegen, die sich unsere Musik vor Ort angehört haben, haben gesagt: 'Das ist gar kein Country!", sagt der 43-Jährige und lacht. Auch Ilse DeLange hat den Unterschied zwischen europäischem und amerikanischem Verständnis von Country Music bereits mehrfach erlebt: "Wenn man in Nashville über Country Music spricht, meint man Musik, die im Country-Radio gespielt wird. Unsere Alben werden nie im Country-Radio gespielt werden. Die Thematik ist ganz anders als die von jemandem, der in Tennessee aufgewachsen ist. Bei uns findet man kein Bier, keine Trucks. Wir wollen lieber etwas poetischer, etwas tiefgründiger sein. Das passt nicht unbedingt zum Country-Radio. In Nashville sind wir nicht Country, in Europa sind wir Country."

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In Europa, so DeLange, seien die Menschen offener für Country-Musik und würden weniger in Genres denken: "Der Erfolg, den beispielsweise Mumford & Sons und die Lumineers bei den Jüngeren haben, kommt nicht daher, dass es Country, Bluegrass oder Folk heißt, sondern Popmusik. Das ist natürlich sehr viel Marketing: Wenn Mumford & Sons als Country- oder Folk-Band positioniert worden wären, dann wären sie nicht so schnell so erfolgreich geworden." In Amerika sei die Musiklandschaft sehr formatiert und das bringe Restriktionen mit sich. "Manchmal ist es für uns unfassbar: Was ist Americana? Was ist Country? Was ist Pop? Was ist Rock?", sagt DeLange. "Das ist so künstlich. Eine Steel Guitar oder ein Banjo auf einem Pop-Album - das macht man einfach nicht."

Auch wenn das Augenmerk der Band aktuell auf Europa und vor allem Deutschland liegt, versuchten die Künstler während ihres Aufenthalts in den USA zu networken - und einige Gigs zu spielen. "JB hat im Süden Ferien gemacht, aber ich habe mit den anderen Bandmitgliedern ein 'In The Round'-Konzert im Bluebird Café gegeben. Das Feedback war super!", erinnert sich Ilse DeLange. Für ihren Erfolg in Europa sei hingegen der Eurovision Song Contest enorm wichtig gewesen. "350 Millionen Menschen haben sich den ESC angeschaut. Der Marketingwert ist einfach nicht zu unterschätzen", sagt JB Meijers. "Der ESC ist sehr wichtig und kann Künstler sehr groß machen. Für uns war es jedoch wichtig, Musik zu machen, die länger anhält als der ESC."

Nach dem zweiten Platz beim Eurovision Song Contest entschied sich Sänger Waylon jedoch das Projekt Common Linnets zu verlassen und sich seiner Solokarriere zu widmen. "Er hat sich entschieden, dass er nicht das Risiko mit einem unsicheren Abenteuer eingehen möchten", erklärt Ilse DeLange. "Jetzt wissen wir, dass unser erstes Album erfolgreich war. Aber das wussten wir damals noch nicht." Um ihre gesamte Energie und Zeit in die neue Gruppe zu investieren musste jedes Bandmitglied seine Solokarriere zurückstellen. Ilse DeLange: "Wir anderen haben einander angeschaut und gesagt: 'Wir wissen, wie selten es ist, eine solche internationale Chance zu bekommen und wollen es unbedingt machen. Es ist ein Abenteuer und wir sehen ja dann, wie es klappt - oder nicht.'" Und der Erfolg gibt der Band Recht. Erst im März 2015 gewannen die "Bluthänflinge" den deutschen Echo als beste Newcomerband international. Für die Preise mache die Band aber keine Musik, wie DeLange betont. "Die Musik steuert, was wir machen, nicht andersrum. Wir setzen uns keine Ziele und überlegen dann, was wir kreativ machen müssen, um diese zu erreichen. Wir machen Musik, gehen auf Abenteuer und sehen dann, wohin uns das bringt."

vgw
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