Nashville-Profis wählen die besten Country-Gitarristen aller Zeiten

Nashvilles Gitarristen

Im Jahre 1966 stellte John Sebastian (Band The Lovin' Spoonful) in seinem Song "Nashville Cats" fest, es gebe "dreizehnhundertzweiundfünfzig Gitarrenzupfer in Nashville", von denen jeder "so klar wie Quellwasser" spiele. Viele Jahre später, so erinnerte er sich lachend, ging jemand, "der nichts Besseres zu tun hatte", das Künstlerverzeichnis von 1966 durch und fand heraus, dass "ich nur um 30 danebenlag".

In den 46 Jahren, die vergangen sind, seit The Lovin' Spoonful sich selbst und die Stadt Nashville mit diesem Song unsterblich machten, sind es zweifellos noch viel mehr geworden. Gitarristen kamen und gingen, träumten ihren Traum und sind bereits verstorben, so dass es wahrlich keine leichte Aufgabe ist, sich auf die besten Country-Gitarristen "aller Zeiten" zu einigen. Einen Versuch ist es jedoch wert, insbesondere, wenn einige der genannten Nashville Cats bei dieser Entscheidung höchstpersönlich mitwirken.


Hank Garland

Hank GarlandFast jeder der Befragten hatte Hank Garland ganz oben auf der Liste. Der junge Mann aus South Carolina schlug ein wie eine Granate, als er 1945 im Alter von 15 Jahren sein Debut im Grand Ole Opry gab. In den nächsten 16 Jahren war er ein gefragter Studiogitarrist und ein ideen- und einflussreicher Musiker, der sich nicht davor scheute, sämtliche musikalischen Grenzen zu sprengen. Leider büßte er 1961 bei einem schlimmen Autounfall einen Großteil seiner Fähigkeiten ein. Er starb 2004.

"Alle in Nashville hielten ihn für den besten Gitarristen neben Chet (Atkins), der immer Mr. Elegant war", stellte John Sebastian fest. "Er spielte so zuverlässig, dass man die ganze Session an ihm orientieren konnte."

"Keine Frage, Hank Garland", erwiderte Kenny Vaughan von den Fabulous Superlatives auf die Frage nach der Nr. 1 an der Country-Gitarre. "Seine Technik war einfach unübertroffen, und von Harmonie hatte er mehr Ahnung als jeder, der heute aktiv ist. Er hatte eine Lockerheit und Leichtigkeit, mit der er immer richtig lag. Dabei war er niemals schluderig, sondern spielte einige richtig wilde Licks. Hank Garland spielte auch Geige, und konnte Geigenstücke richtig schnell auf der Gitarre darbieten."

"Das Besondere an Hank war, dass er genauso gerne Jazz wie Country spielte", fügte Steve Wariner hinzu. "Bei den Produzenten in Nashville war er für Country-Sessions begehrt, aber er konnte alle Musikrichtungen blitzschnell spielen. Bei jeder Session spielte er genau das Richtige. Wir alle haben schon Hunderte von Hits gehört, an denen er mitgewirkt hat, und haben es vielleicht gar nicht bemerkt. Das ist das Schicksal der Studiomusiker!"

"Weil er auch Jazz spielte, wurde Hank Garland auf der ganzen Welt verehrt", stimmte Harold Bradley, Mitglied der CMA Country Music Hall of Fame, zu. „Seine Karriere war zwar kurz, aber in dieser kurzen Zeit hat er Unglaubliches geleistet. Auf 'Rockin' Around the Christmas Tree' spielen Hank und ich das Intro - und dann lieh er sich meine Gitarre und spielte sie auf 'Little Sister' von Elvis."


Grady Martin

Grady MartinManche sind der Meinung, Platz 1 müssten Garland und Grady Martin unter sich ausmachen. Martin stammt aus einer ärmlichen, ländlichen Gegend in der Nähe von Lewisburg und Chapel Hill, Tennessee, und spielte mit den ganz Großen, von Buddy Holly über Roy Orbison und Willie Nelson bis hin zu Country Joe and the Fish.

"Ich war noch ein Kind, als ich durch Aufnahmen von Ray Price und Marty Robbins auf ihn aufmerksam wurde", berichtete Wariner. "Er hat einen Stil geschaffen, der oft kopiert wird. Es war einfach unglaublich, wie er das Bandecho im Studio einsetzte. Auch auf der Akustikgitarre spielte er fantastisch. Meine Lieblingsaufnahme von Grady ist nach wie vor Marty Robbins' Klassiker 'El Paso'."

Martin "war ein perfekter Gitarrist und ein wahrer Held im Studio", sagte Richard Bennett, Mitglied der Notorious Cherry Bombs, Gastmusiker bei Neil Diamond und Mark Knopfler, Produzent von Steve Earle, Emmylou Harris und Marty Stuart und selbst ein hervorragender Studiomusiker. "Er konnte wirklich alles spielen. Einer seiner Studiokollegen berichtete mir, schon beim ersten Durchgang könne er einen Song komplett 'hören' - wie ein Innenausstatter, der ein leeres Zimmer betritt und es sich vollständig eingerichtet und möbliert vorstellen kann."

"Er prägte den Stil der Aufnahmen von Loretta Lynn und Conway Twitty", stellte Bradley fest. "Zudem stammt der Tex-Mex-Sound von 'El Paso' von ihm, genauso wie das Fuzz bei 'Don't Worry' von Marty Robbins. Er war gigantisch, und nach Hank Garlands Unfall wurde er zur wichtigsten Stimme im Aufnahmestudio."

"Hank Garland und Grady Martin sind die beiden Topleute", beharrte Vaughan. "Damals hatten Musiker in der Regel mehr Ahnung von Harmonielehre und bauten Bebop-Elemente in ihr Spiel ein. Diese beiden waren keine Hinterwäldler. Sie konnten 'simpel' spielen, wenn es gewünscht wurde, und auch richtig losrocken. Aber ich habe genau hingehört und gesagt: 'Moment mal, ihr spielt da eine Note, die noch niemand sonst hingekriegt hat'. Man merkt das gar nicht, weil es so gut gemacht ist und die Melodien so toll sind."


Chet Atkins

Chet Atkins"Chet Atkins darf auf keinen Fall fehlen", meinte Bradley. "Er hat international so viel geleistet, nicht nur für die Gitarre, sondern auch für Nashville. Als wir noch das A-Team waren, die zwölf Mann, die jeden Tag schufteten, war Chet wie mein Bruder Owen: Sie widmeten sich irgendwann größeren, besseren Dingen. Chet wurde Konzertspieler. Nachdem er es so weit gebracht hatte, war er nicht mehr als Mietgitarrist tätig. Aber er wurde immer besser. In den letzten zehn Jahren hat er immer anspruchsvollere Sachen gemacht. Sie waren sehr musikalisch und leicht zu konsumieren, weil sie richtige Leckerbissen waren."

"Neben Owen Bradley gilt er als Vater des Nashville-Sounds", ergänzte Wariner. "Zum Teil wegen seiner Leistung als Produzent, aber meiner Meinung nach größtenteils wegen seiner Gitarrenkünste. Wahrscheinlich wird kein Gitarrist so oft imitiert wie er. Er hat sich brillante Innovationen einfallen lassen und wurde zu Recht 'Mr. Guitar' genannt."

"Chet Atkins war von den 1940er Jahren bis zu seinem Tod eine Kultfigur", sagte Bennett. "Wenn Chet das Instrument spielte, erkannte man ihn immer sofort. Sein Konzept, sein Ton, sein Humor, seine Würde und seine Eleganz strömten aus seinen Fingern. Das Wort Genie ist nicht übertrieben, wenn es um seine Fähigkeiten als Musiker und Produzent geht."

"Das Besondere an Chet war, dass er dabei so bescheiden blieb", erinnerte sich John Knowles, der sein Fingerpicking pflegte und mit Chet Atkins, Jerry Reed und unzähligen anderen arbeitete. "Ich glaube, Chet wusste, dass er mit harter Arbeit viel geleistet und etwas erreicht hatte. Chet war im Prinzip wie ein riesiger Eisberg: Unter der Oberfläche steckte viel mehr, als je zum Vorschein kam. Ich neckte ihn immer damit, dass jedes Foto eines großen Country-Künstlers auch Chet zeigt, wie er Gitarre spielt. Er war der Forrest Gump des Country."

Der renommierte Studiomusiker Brent Mason brachte es auf den Punkt: "Chet Atkins war ganz eindeutig der Vater aller Nashville-Cats."


Jerry Reed

Jerry ReedWären da nicht seine Auftritte auf dem Bildschirm, seine Freundschaft mit Filmstar Burt Reynolds und seine Novelty-Hits "When You're Hot, You're Hot" und "Amos Moses", so würde man Jerry Reed in erster Linie als Gitarrenvirtuosen sehen - möglicherweise als besten Spieler seiner Ära. Denn Wariner erinnerte sich: "Chet hat mehrmals gesagt, Jerry sei der beste Gitarrist. Punkt."

"Das Lustige an der Sache ist", fuhr er fort. "dass Jerry eigentlich als Songwriter in die Stadt kam. Dabei war er der begabteste Spieler, den ich je erlebt habe. Ich bin mir gar nicht sicher, ob Jerry selbst wusste, wie gut er war. Nachwuchsmusiker, die ihn verehrten, fragten immer: "Welche Gitarre spielst du auf dieser oder jener Platte?" Und Jerry erwiderte dann: "Oh, keine Ahnung. Irgendein Holz mit Saiten.""

"Jerry Reed gehört zu den originellsten Gitarristen, die Nashville hervorgebracht hat", so Knowles. "Er war mit Merle Travis, Chet Atkins und solchen Leuten aufgewachsen und hat das alles auf den Kopf gestellt. Auch im Studio hatte er Einfluss, wirkte auf mehreren Elvis-Platten mit. So wie er klang keiner sonst. Er war sehr bescheiden, was seine Leistung betraf, aber seine ganze Karriere hat sich gewaltig entwickelt. Er hatte Talent, die richtigen Songs und machte eine gute Show."


James Burton

James Burton"Wo soll man bei James anfangen?" überlegte Wariner. "Er ist bekannt für sein Mitwirken an vielen Ricky Nelson- und Elvis-Hits sowie für unzählige Country-Aufnahmen, die man gar nicht alle erwähnen kann. Meine persönlichen Highlights sind die Aufnahmen von West Coast Capitol: "Mama Tried" und "Workin' Man Blues" von Merle Haggard zum Beispiel. Für mich gehört er zu den Vätern des Twang. Seinetwegen versucht jeder Nachwuchsgitarrist auf der ganzen Welt, an eine Fender Telecaster zu kommen. Er ist in der Welt des Rock 'n' Roll und Country berühmt dafür, wie er auf seiner Paisley-Tele zaubert."

"James kennen Sie bestimmt", beharrte Vaughan. "Er war fantastisch, als er mit Emmy (Emmylou Harris) und der Hot Band spielte. Er hatte alle stark beeinflusst. Im Prinzip hat er die E-Gitarre mit seinem Teenager-Stil verändert."

Bennett stimmt eifrig zu. "James Burton bildete den Schnittpunkt von Hillbilly, Rock, R&B und Swamp. Als unverzichtbarer Teil der Wrecking Crew, wie sich eine Gruppe renommierter Studiomusiker in L.A. in den 1960ern nannte, bereicherte James jede Art von Musik mit seinem charakteristischen Stil."



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