Auf kaum jemanden trifft die Bezeichnung Vollblutmusiker besser zu, als auf den irischen Sänger Van Morrison. Bereits im Alter von sechs Jahren ging er mit seinem bluesbegeisterten Vater in Plattenläden und hörte die Musik von Mahalia Jackson, Fats Domino oder Muddy Waters, seine Mutter nahm ihn zu Gospel-Konzerten in die Kirche mit und mit nur zwölf Jahren spielte er bereits in einer Band und schon Anfang der Sechziger tourte er noch minderjährig durch Deutschland und Schottland.
Dass aus dem kleinen Rotschopf ein ganz Großer werden würde, war klar und es dauerte auch wirklich nicht lange. Bereits 1964 hatte er sich zum Frontmann der Band Them vorgearbeitet und die hatte neben einer hervorragenden Live-Reputation tatsächlich schnell ein paar Hits: "Gloria", "Here Comes The Night" oder ihre Version des Bob-Dylan-Hits "It's All Over Now, Baby Blue". Them spielten harten 60ties Beat mit starken Blueseinflüssen. Rau, ruppig und wild war die Band und im Mittelpunkt stand ein blasser Junge, der singen konnte wie ein Schwarzer. Er schrie, heulte, greinte, jaulte und kreischte. Keine Frage, der Junge hatte den Blues und es war auch keine Frage, dass diese Band zu klein war für sein großes Talent - und sein großes Ego.
Das erkannte auch Manager, Produzent und Songwriter Bert Berns, der Van Morrison unter seine Fittiche nahm und nach New York brachte. Berns hat den jungen Iren wohl nicht lange überreden müssen, ins Mutterland des Blues und Rock 'n' Roll zu kommen. Berns war eine sehr markante Persönlichkeit im damaligen Musikgeschäft. Er schrieb Hits wie "Twist And Shout", "Hang on Sloopy" oder "Here Comes The Night" und verhalt bereits Morrisons Ex-Band Them zu Chart-Ehren.

Außerdem wäre das enge, auf schnellen Hitparadenerfolg ausgerichtete Pop-Korsett, das Berns schnürte, dem eigensinnigen Iren bald zu eng geworden: Der Beweis ist sein nächstes Album "Astral Weeks", das Morrison mit einer Handvoll Jazzern in kürzester Zeit aufnahm. Ätherisch, meditativ, folkig, jazzig und getragen, verlässt sich Van Morrison nur auf seine Stimme, seine erzählerische Kraft, seine Vision - und gewinnt. Nicht in den Charts und auch nicht bei den Kritikern. Dass die Platte heute Kultstatus hat und zum allgemeinen Pop-Kanon gehört, dürfte den Meister wohl ebenso wundern wie bestätigen. Es folgen die beiden Alben "Moondance" und "His Band and the Street Choir", die beide typische Morrison-Qualitäten etablieren. Kraftvoll zwischen Soul, Rock und Folk gelegen, getragen von der ausdrucksstarken Stimme Morrisons und seinem Talent als Songwriter: "Moondance" und "Caravan" sind Hits, die Morrison noch heute regelmäßig bei seinen Konzerten spielt.
Morrison ist glücklich in den USA und zieht mit seiner Familie nach Woodstock, wo auch Bob Dylan und The Band ihre Lebens- und Arbeitsmittelpunkte hinverlegten und genießt das ländliche Leben. Das schlägt sich auch in seiner Musik nieder, denn das Album "Tupelo Honey" weist erstmals starke Country-Elemente auf und hat mit "Wild Nights" als Opener einen der schönsten Morrison-Titel überhaupt. Unverkennbar die Pedal-Steel von Multinstrumentalist John McFee, der später als Gitarrist bei den Doobie Brothers große Erfolge feierte.
Die 70er sind ein ertragreiches Jahrzehnt für den streitbaren Iren. Zahlreiche hervorragende, von Kritik und Publikum mit Wohlwollen aufgenommene Platten verkaufen sich gut. Die Tourneen, unter anderem mit dem vielköfigen Caledonian Soul Orchestra sind meist ausverkauft. Wer das Live-Album "It's Too Late to Stop Us Now" hört, weiß warum. Die Genres sind Rock, Blues, Soul und nach der Rückkehr in seine Heimat auch wieder irische Volksmusik. Denn Morrisons Live-Shows sind unglaublich energetisch und dauern oft über zwei Stunden - allerdings nur wenn der als leicht erregbar bekannte Ire gute Laune hat. Falls nicht, kann so ein Konzert auch zur Pflichtübung verkommen und Mr. Morrison rauscht erzürnt nah einer dreiviertel Stunde von der Bühne. Sein Temperament ist legendär, besonders dann, wenn seine Begleitmusiker nicht so wollen wie er.
Die nächste Berührung mit Country hat Van Morrison, als er von der stilbildenden Country-Rock-Formation The Band zu deren Abschiedskonzert im Winterland Ballroom in San Francisco, Kalifornien, eingeladen wird. Zu bestaunen ist dieses Treffen in Martin Scorseses Film "The Last Waltz". Ein Resultat der Teilnahme an dem Konzert war die Bekanntschaft mit Mac Rabennack, besser bekannt unter dem Namen Dr. John, mit dem er 1977 das Album "A Period of Transition" aufnahm, das aber weder bei der Kritik noch beim Publikum für Begeisterungsstürme sorgte.
In den 80er Jahren spielte Country im musikalischen Schaffen des Van Morrison keine Rolle. Dafür spielten zu gleichen Teilen das Irisch-keltische und der Jazz eine größere Rolle. 1986 veröffentlichte er zudem eine seiner besten Platten: "No Guru, No Method, No Teacher".

2006 endlich bekannte sich Morrison endlich komplett zu Country und veröffentlichte mit "Pay The Devil" ein waschechtes Country-Album, auf dem er sich vor allem auf Fremdkompositionen verlässt. "Half As Much" von Curly Williams, "Things Have Gone To Pieces" von Leon Payne oder "Your Cheatin' Heart" von Hank Williams dokumentieren gleichzeitig Morrisons Genrekenntnis und seine Verehrung für Geschichten der Cowboys aus Nashville, Texas und anderswo. Das Album, wenn auch nicht in Nashville aufgenommen, gefiel den Honoratioren der Country-Metropole so gut, dass Van Morrison 2006 auch sein erstes Gastspiel im altehrwürdigen Ryman Auditorium geben durfte.
2008 jedenfalls, soviel ist schon jetzt klar, wird ein gutes Jahr für Van Morrison, denn neben dem Release des neuen, ebenfalls sehr countryfizierten Albums "Keep It Simple" steht die sukzessive Veröffentlichung des Backkatalogs an: Bereits im Januar kam die erste Lage Alben in die Läden: Die Alben "Tupelo Honey", "It's Too Late To Stop Now", "Wavelength", "Into The Music", "A Sense Of Wonder", "Avalon Sunset" und "Back On Top" stehen digital remasterd und mit vom Meister höchstselbst ausgewählten Bonus-Titeln zum Entdecken bereit.