Gary Allan: Living Hard - Schritt für Schritt

Gary Allan; Foto: Tony BakerDie Nachricht vom Aufstieg Gary Allans nach seiner schwierigen Phase des Rückzugs und der Selbstfindung war von der Country-Welt bereits freudig aufgenommen worden und allgemein bekannt. Für das Publikum, das sich in der Nacht vom 30. November 2007 im Sommet Center in Nashville versammelt hatte, war dieser neue Gary Allan jedoch greifbare Wirklichkeit.

Wieder voller Energie und bereit, seinen Anteil am Rampenlicht einzufordern, kam der Sänger und Songschreiber aus einem Fahrstuhl direkt auf die Bühne. Man hatte eigens dafür einen Turm mit Fahrstuhl auf der Bühne gebaut. Etwas schlaksig aussehend, in Jeans und T-Shirt, lieferte er ein 45-minütiges Set ab - mit bekannten Hits und einigen neuen Songs von seinem siebten Studioalbum "Living Hard".

Es war eine Lehrstunde wie sie im Buch steht für einen Opening Act, in diesem Fall für Keith Urban. Ihn hatte Allan vom 1. November 2007 bis zum 16. Dezember 2007 auf seiner Welttournee begleitet. Es ist eine Kunst, das Publikum vor dem Hauptact anzuheizen - und Allan hat diese Aufgabe mit der Ernsthaftigkeit und Authentizität gemeistert, die er auch beim Aufnehmen und, besonders bei "Living Hard", beim Schreiben mit einbringt.

"Keith ist ein großartiger Gitarrist und er hat zwei weitere "Freibeuter" angeheuert, mit auf Tour zu gehen," erklärte Allan einige Wochen bevor er mit Keith Urban auf Reisen ging. "Jetzt kann ich endlich spielen, aber ich weiß, dass er mich in den Schatten stellen wird. Ich werde wohl mein ´A Game´ und ein bischen rohes Country-Zeug im Waylon-Style mit einbringen müssen."

Es ist eine andere Strategie, als die, die er sich für das Vorprogramm von Rascal Flatts ausdachte, auf deren Tour 2006 er vor über einer Million Fans spielte. "Eigentlich habe ich zuerst versucht, das Gleiche wie bei der Rascal Flatts Tour zu machen, nämlich rohe und raue Melodien zu spielen. Aber letzten Endes haben die Fans besser auf meine neuesten Hits reagiert. Keith zieht ein eher vielseitiges Publikum an, daher denke ich, dass sie von mir ein wenig Abwechslung erwarten."

Diese Bedachtsamkeit ist typisch für ihn. Schon immer wusste er hohe Professionalität und leidenschaftliche Performance auf der Bühne zu kombinieren, denn bereits mit 12 Jahren spielte Allan in der Band seines Vaters in Bars und Clubs in Südkalifornien.

Image"Man merkt sofort, wenn einer damit aufgewachsen ist, in Clubs zu spielen," sagt er. "Dort findet ein spontanes Zusammenspiel mit dem Publikum statt, das man nicht proben kann. Ich denke, dass ich genau das kann. Ich kann stolz von mir behaupten, dass ich kein Produkt des Nashville-Systems bin. Ich bin nicht irgendetwas, was sie gemacht und ausgespuckt haben. Ich meine, mein erster Plattendeal wurde mir mit Fünfzehn angeboten, aber mein Vater wollte ihn nicht mit unterschreiben. Er sagte mir, ´Wenn ich dich das jetzt tun lasse, wirst du genau so, wie die dich haben wollen. Du musst für Menschen spielen, die dich lieben; für Menschen, die dich hassen und für Menschen, denen du egal bist. So wirst du herausfinden, wie du für dich selbst spielst.""

So kam es, dass Allan bereits gereift - und nach eigener Aussage ein bisschen eingebildet - erst 1996 nach Nashville kam, um sein erstes Album "Used Heart for Sale" zu schneiden.

"Ich hatte einige hitzige Auseinandersetzungen mit Mark Wright [Produzent des Albums]. Es war nicht so, dass ich besonders empfindlich war. Ich habe einfach nicht bemerkt, dass jeder etwas anderes machte als seine eigene Platte. Und das machte für mich einfach keinen Sinn. Kein Mensch konnte mir sagen, wie meine Musik klingen sollte."

"Normalerweise ist ein brandneuer Künstler nicht ganz so überzeugt von seiner Persönlichkeit wie Gary es war," erinnert sich Wright, leise lachend beim Gedanken an ihre erste Session. "Deswegen bin ich mir sicher, dass ich irgendwann während unseres Gesprächs sagte, "Bei uns hier machen wir das so, mein Junge". Aber dann stellte ich fest, dass dieser Typ eine Stimme hat und wusste, was er tun wollte. In ihm drin lebt ein wahrer Künstler.  Ich hätte ihn nicht unter Vertrag genommen, wenn ich mir dessen nicht sicher gewesen wäre. Wir mussten uns nur eine Vertrauensbasis schaffen. Also sagte ich "Hey, wenn es das ist, was du wirklich fühlst; wenn es das ist, was dich glücklich macht; dann sag es so, wie du es willst und ich werde dir dabei helfen dahin zu kommen.""

Wright ist inzwischen Geschäftsführer von Universal South, aber er hat weiterhin alle Alben von Allan produziert, auch "Living Hard". Bei diesem Album konnten sie sich erst zwei Wochen vor Beginn der Sessions für die Vorproduktion zusammensetzen. Aber beide hielten die Kommunikation aufrecht, indem sie MP3-Songs per E-Mail verschickten, von denen Wright dachte, sie würden zum Album passen oder Allan schrieb und nahm Demotapes auf seinem neuen Pro Tools-System zu Hause auf. Als dann "das Tape ins Rollen kam" war die Situation ideal: Sie hatten die Melodien, aber die Vibes waren roh wie eine Late-Night Jamsession.

"Ich habe meine Live-Show umgestellt und mehr Rock´n´Roll-Typen engagiert," sagte Allan. "Es ist energiegeladener, viel direkter, viel kantiger. Als das Mark sah und dann das Zeug hörte, das ich gerade schrieb, wussten wir alle, in welche Richtung es weiterging."

Foto: Tony Baker
Bei "Living Hard" erkennt man deutlicher als bei den bisherigen Alben die derzeitigen und langjährigen Einflüsse des Künstlers: Coldplay bei "We Touched the Sun", the Police und U2 bei "Learning How to Bend" und Tom Petty bei "She´s So California". "Sogar ich höre mich dabei wie Petty an," gab Allan lachend zu und sang dann eine Zeile - "She´s a Deadhead" - mit seiner ureigenen Rocker-Phrasierung und Intonation.

Das neue Album stellt Allan als Songschreiber gründlicher aussagefähiger dar als jemals zuvor.
 
"Als ich das erste Mal nach Nashville kam, sagte mir Harlan Howard immer, dass ich zwar schreiben könne, aber eigentlich nichts zu sagen habe," erinnert er sich. "Er meinte, ich müsse erst ein paar mal heiraten und wieder geschieden worden sein, und wenn ich ohne Frau dasitze, dann kann dazu was sagen. Also, zuerst einmal waren es meine besten Freunde, die mir da durch geholfen haben. Aber das sind auch die Leute, mit denen ich gemeinsam schreibe, und ich habe jetzt das Gefühl, meine Emotionen viel tiefer und authentischer zu empfinden. Ich glaube, dass es mir besser gefiel, als ich noch nicht so viel zu sagen hatte, aber heute verstehe ich was Harlan meinte."

Das wird bei "Yesterday´s Rain" deutlich, gemeinsam geschrieben mit James LeBlanc und Matt Warren. Gleich nach seinem "that´s the only place I see your face", pausiert Allans Vocals und die Musiker spielen weiter bis er ein paar Sekunden später wieder einsetzt. Es ist, wie wenn in einem Gespräch die Gefühle überhand nehmen, so dass man nicht weiterreden kann, bis man sich wieder gefasst hat.

"Genau so war es auch" verriet er uns. "Das war authentisch. Es gab Tränen. Ich glaube nicht, dass ich das Live singen kann. Es ist durch und durch wirklich."

Schon an dem Abend im Sommet Center schien Allan mit dem Publikum eine Verbindung einzugehen, die weit mehr war als reine Unterhaltung. Um ehrlich zu sein, er stellte zwei neue Songs vor - "Best I Ever Had" und "Life Ain't Always Beautiful" - die ihm besonders geholfen haben bei der Überwindung schwerer Zeiten und auf dem Weg zu neuer Lebensbejahung, wie sie im Titelsong von "Living Hard" besungen wird, der Hymne an ein Leben nach dem Motto "livin' in the spotlight" und "chasin' dreams one song at a time."

Und alles in allem? "Mir geht's prima," sagt Allan. "Ich hab' jetzt schon ziemlich viel zu sagen. Und es wird noch 'ne ganze Menge mehr kommen."

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