Kammermusik-Country mit Ironie und schwarzem Humor

Teddy Thompson; Foto: Universal Music

Der Name Teddy Thompson dürfte bisher wohl noch nicht allzu vielen Musikfans bekannt sein, obwohl er der Sohn der britischen Folkrock-Legende Richard Thompson ist. Vor sieben Jahren veröffentlichte Teddy Thompson seine erste CD, die aber sang- und klanglos unterging. Als Reaktion darauf, ging der junge Mann von Los Angeles nach New York und arbeitete in aller Ruhe an neuen Songs. 2006 folgte das hochgelobte Album "Seperate Ways".

Nun lässt der 31-jährige New Yorker mit "Upfront & Down Low" ein Album folgen, auf dem er Songs von Country-Ikonen wie Dolly Parton, Merle Haggard oder George Jones interpretiert. Um das Publikum darauf einzustimmen, gab er am 26. Juli 2007 ein Clubkonzert in Berlin .

CountryMusicNews.de: In Deinem Song "Shine So Bright" vom zweiten Album "Seperate Ways" singst Du: "Ich will ein Superstar sein, der an Hotelbars rumhängt. Ich will jeden Nachmittag in bei einer anderen aufwachen. Ich will so sehr leuchten, dass es weh tut." - Was wäre, wenn das wirklich eintritt?

Teddy Thompson: Es wäre wahrscheinlich okay - zumindest inzwischen. Vor zehn Jahren wäre es vielleicht schlimm ausgegangen, da hätte ich mir wohl eine Menge Ärger eingehandelt. Ich bin ein Mensch, der schnell nach etwas süchtig werden kann. Deshalb hätte ich bestimmt etwas Schlimmes angestellt. Aber jetzt könnte ich wahrscheinlich damit klar kommen.

CMN: Ist es eher von Vor- oder eher von Nachteil, Sohn eines bekannten Musiker-Ehepaares zu sein, auch wenn sich Deine Eltern schon vor vielen Jahren trennten?

TT: Schwer zu sagen, was überwiegt. Nach der Scheidung meiner Eltern, da war ich sechs, bin ich mit meiner Mutter nach Amerika gezogen. Von meinem Vater habe ich in den folgenden Jahren nicht so viel mitbekommen. In musikalischer Hinsicht hat er mich wohl nicht sehr beeinflusst. Ich werde natürlich öfter auf ihn angesprochen, zumal er ja auch auf dem letzten und dem neuen Album mitgemacht hat. Aber das stört mich nicht.

CMN: Mit Deinem zweiten Album "Seperate Ways" hast Du Dir einen Namen als Songschreiber gemacht. Viele Kritiker und Fans haben besonders Deine hintersinnigen Texte gelobt. Weshalb hast Du mit "Upfront & Down Low" nun ein Album mit Coverversionen aufgenommen?

TT: Das liegt einfach daran, dass ich nach "Seperate Ways"rund ein Jahr in aller Welt auf Tour war und einfach nicht genug Zeit zum Schreiben hatte. Als ich dann endlich nach Hause kam, habe ich mit ein paar Freunden aus Spaß ein paar Songs aufgenommen. Ich fand, das sich die Songs toll anhörten und entschied mich, ein ganzes Album (mit Coverversionen) zu machen. Außerdem hat es mir natürlich auch geholfen, mehr Zeit für das Songschreiben für das nächste Album zu haben.

CMN: Klingt es nicht sehr desillusioniert, wenn man "You Finally Said Something Good When You Said Good Bye" sagt?

TT: Ich nehme an, dass viele so denken. Andrerseits finde ich nicht, dass es besonders niedergeschlagen klingt. Ich muss aber generell sagen, dass mir traurige Musik sehr gefällt. Es überrascht mich immer, wenn Leute sagen, dass dies eine traurige Platte ist, oder dass diese Songs so traurig sind. Eigentlich weiß ich ja, dass sie es sind, aber mir gefällt das.

CMN: Kannst Du es etwas genauer beschreiben, was Dir daran gefällt?

TT: Zuerst einmal mag ich die Cleverness der Songschreiber. Es gibt ganz viele Wortspiele und Doppelbödigkeiten in diesen alten Songs. Der Titel "I´m Left, You´re Right, She´s Gone" ist lustig und traurig zugleich. Ich habe viele Songs ausgewählt, die diese Doppelbödigkeit haben. Aber daneben mag ich auch die Ehrlichkeit dieser Countrysongs. Sie sind sehr direkt, ohne etwas vorzumachen.

CMN: Und "The Worst Is Yet To Come" - ist das pessimistisch oder ironisch?

TT: (lacht) Ich glaube, das ist wohl pessimistisch. (lacht) Aber es ist für mich schwierig, diese Songs in analytischen Begriffen zu betrachten. Ich weiß, dass sie alle traurig sind, dieser Song ganz besonders. Der ist wirklich richtig pessimistisch.

Foto: UniversalCMN: Es könnte aber auch eine Portion Selbstschutz dabei sein, oder?

TT: Ja, richtig. (lacht) Das stimmt wirklich. Es ist viel einfacher, eine Art Selbstschutz aufzubauen und das Düstere heraufzubeschwören, anstatt sich anzustrengen, um etwas Positives abzuliefern.

CMN: Viele, wenn nicht alle Songs der neuen CD, handeln von Abschied und Verlust. Was reizt Dich an diesen Themen?

TT: Schwierig zu sagen. Ich habe auf jeden Fall Songs ausgewählt, die meinem Stil des Songschreibens ähneln. Es gibt viele irgendwie bittere Stimmungen. Aber das finde ich interessant. Der Titel "You Finally Said Something Good When You Said Good Bye" - das finde ich einfach brillant. Eine tolle Zeile - clever, aber mit einem herzzerreißenden Gefühl verbunden. Dazu kommt dann noch diese sehnsuchtsvolle Musik. Ich habe also viele Songs ausgesucht, die diesen Stil haben, auch diesen besonderen Humor.

CMN: Gibt es eventuell persönliche Parallelen, die Deine Affinität zu solch bittersüßen oder schwarzhumorigen Songs erklären?

TT: Ich habe ein sehr unstetes Leben. Das wird immer mehr zu einem Problem, je älter man wird, denn man sehnt sich natürlich nach einer stabilen Beziehung in seinem Leben. Aber je länger man ohne Partner ist, desto mehr hat man das Empfinden, dass man dazu vielleicht nicht in der Lage ist. Eine funktionierende Partnerschaft ist nunmal das wichtigste im Leben. Wenn man also sehr lange ohne sie auskommen muss, fühlt man sich verzweifelt und allein. Von diesem Unvermögen handeln in gewisser Weise viele dieser Klassiker.

CMN: Wenn jemand diese Songs als deprimierend bezeichnet, was würdest Du ihm entgegnen?

TT: Ich finde sie nicht depressiv. Sie sind für mich vielmehr wahrhaftig. (lacht) Es ist doch keine Selbstmörder-Musik, sondern Musik, die das Leben widerspiegelt. Diese Dinge, diese Probleme in Beziehungen passieren doch wirklich. Außerdem kann man eine Prise Humor hinzufügen. Es muss ja nicht total depressiv sein. Ich nehme an, dass diese Art von Songs einem mit dem Älterwerden einfach mehr bedeuten.

CMN: Die Erzähler in den meisten ausgewählten Songs sind keineswegs die strahlenden Supertypen...

TT: Das ist ein weiterer Grund, warum ich mit diesen Country-Songs so viel anfangen kann. Denn es gibt in ihnen diesen starken Hang zur Selbstherabwürdigung. Eigentlich lacht man über sich selbst. Das ist ein ganz wichtiger Teil. In vielen dieser Songs nimmt sich der Erzähler nicht sonderlich wichtig. In der Countrymusik gibt es oft dieses Thema: Meine Frau ist abgehauen, auch mein Hund usw. Was für ein Idiot ich doch bin! - Das finde ich ehrlich und wahrhaftig.

Teddy Thompson Upfront & Down LowCMN: Der Mensch als verwundbarer "Lonely Wolf"?

TT: Genau. Wenn ich an Countrymusik denke, dann sicherlich nicht an den toughen Cowboy-Sänger, sondern eher an den einsamen, traurigen Verlierer. Nicht den Verlierer als Volltrottel, sondern an einen, der etwas verloren hat. Ich weiß nicht, wie die Leute in Deutschland darauf reagieren und ob sie sich nicht solche toughen Typen - oder vielleicht sogar - da sei Gott davor - diese idiotische George-Bush-Texas-Mentalität vorstellen, wenn sie an Countrymusik denken. Aber das hat für mich nichts mit Countrymusik zu tun. Für mich geht es bei Country mehr um die verwundete Seele.

CMN: Wie ging es eigentlich mit der neuen CD los?

TT: Ich hatte anfangs drei oder vier Songs aufgenommen und die fand ich - wie schon gesagt - ziemlich gut. Ich habe sie der Plattenfirma vorgespielt. Dann sind wir wieder ins Studio gegangen und haben weitere Songs aufgenommen. Ein Cellist kam ins Studio, um uns bei den Aufnahmen zu helfen. Und da entschied ich, dass ich anstatt einer typischen Countrygeige das Cello verwenden wollte. Ich hatte dann auch die Idee, ein Streichquartett dazuzuholen, damit etwas Neues, etwas Anderes entsteht, dass sich von einer normalen Country-Platte unterscheidet. Das war der Moment, wo ich genau wusste, in welche Richtung ich gehen wollte. Ich kam in Kontakt mit Richard Curby, der die Streicher-Arrangements schrieb. Es wurde vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Nick Drake bekannt und hatte bis dahin nichts mit Countrymusik am Hut.

CMN: Dein Ansatz für dieses Album wirkt durch den Einsatz eines Streichquartetts sehr intim, fast kammermusikalisch...

TT: Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Die meisten Songs auf der CD stammen aus den frühen 50er Jahren. Aber ich habe erst später, so in den 70ern angefangen, Country-Platten zu hören, auf denen es oft diese mächtig ausladenden Country-Streicher gibt. Denke nur an die Platten von Ray Charles, obwohl er ja auch kein typischer Country-Sänger war. In jener Zeit würden große Orchester mit ausladenden Streichersätzen verwendet. Ich dachte, dass ich anstatt dessen einen kammermusikalischen Ansatz verwende und sozusagen Kammermusik-Country mache. So nenne ich das jedenfalls.

CMN: Wann begann eigentlich Dein Interesse an der Countrymusik?

TT: Es ist schon komisch. Ich bin in London aufgewachsen, aber meine Eltern haben viel Countrymusik gehört. Ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll, aber das erste Mal, als ich die Everly Brothers oder Hank Williams hörte, hat es etwas in mir berührt. Ich mag diese Musik seit jener Zeit und habe in all den Jahren sehr viel davon gehört. Ich weiß, dass das ungewöhnlich ist, aber mein Herz gehört dieser Musik, der rauhen Ehrlichkeit dieser Musik.

Teddy Thompson Seperate Ways CDCMN: Was hältst Du von der aktuellen Coutry-Szene?

TT: Dazu habe ich überhaupt keine Beziehung. (lacht) ich schalte das Radio aus, wenn sowas kommt. Das war übrigens ein weiterer Grund für dieses Album. Die meisten Musiker lieben Countrymusik. Aber es gibt viele Leute, die man so trifft, und wenn man die fragt, welche Musik sie mögen, sagen sie oft: Alle mögliche Musik - nur nicht Country. Und das macht mich traurig. Denn die meisten Leute denken bei Country an Shania Twain und wer sonst noch im Radio gespielt wird. Aber das hat mit Countrymusik nichts zu tun. Das ist eigentlich nur Popmusik mit einer Pedalsteel irgendwo im Hintergrund. Ich hasse diesen Nashville- Country-Pop. Der ist fürchterlich. Deshalb wollte ich der Countrymusik meine Referenz erweisen und ihren guten Ruf wieder herstellen. Denn es macht mich traurig, dass so viele Leute eine schlechte Meinung davan haben. Die alten Klassiker sind einfach großartig und es gibt auch gegenwärtig wirklich gute Countrymusik, aber die ist sicherlich nicht der Mainstream.

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