Für die fünfte Ausgabe seines "Crossroads Guitar Festival" buchte Eric Clapton für zwei Abende das American Airlines Center im texanischen Dallas, Texas. Wer bei diesem Spektakel nicht dabei sein konnte - ich befürchte, die meisten unserer Leser - kann sich mit verschiedenen Alternativen trösten: mit einem 3 CD-Set, mit 6 LPs oder mit 2 DVDs beziehungsweise 2 Blu-rays. Ob so oder so: die gebotene Musik ist erste Sahne. Und das zu bestaunende Line-Up spektakulär.
Das Format fängt in Bild und Ton natürlich am besten die Atmosphäre in der Arena und die dargebotenen Performances ein. Manches muss man nicht nur hören, manches sollte man auch sehen. Zum Beispiel den Conférencier der beiden Abende - Hollywood-Star Bill Murray ("Täglich grüßt das Murmeltier"), der hier gut gelaunt und charmant durch das Programm führt. Nach der Begrüßung überlässt er den Musikern die Bühne. Den Auftakt übernimmt Slide-Ass Sonny Landreth mit seinem betagten Song aus dem Jahr 1995: "Native Stepson". Der ruppige Track bietet Southern-Rock vom Feinsten. Groove, Druck, Virtuosität - alles da. Und wie! Es zeigt sich erneut, dass Eric Claptons "Crossroads Guitar Festival 2019" ein Garant für hochkarätige Live-Performances ist. Es gilt: Alles Hochkaräter, nur Top-Könner. Mittelklasse hat bei ihm seit jeher Hausverbot.
Fast vier Stunden klasse Musik: "Eric Clapton’s Crossroads Guitar Festival 2019"
Dass Clapton selbst, der mittlerweile 75-jährige Grandseigneur der Fender Stratocaster, immer noch Weltklasse ist, belegt er bei den nachfolgenden zwei Songs: "Wonderful Tonight", der Jahrhundert-Lovesong und, als Referenz an Texas, das im Country-Outfit gehaltene "Lay Down Sally". In diesem rustikalen Fahrwasser schippern auch die nächsten Gäste: Bonnie Raitt, Keb‘ Mo und Alan Darby und dem lässigen, im Country-Blues angelegten Raitt-Song "Million Miles" aus dem Jahr 2012. Hohe Gitarrenkunst! Großes Kino!
Clapton ist - das muss man eigentlich nicht erwähnen - ein begnadeter Blues-Giarrist. Hier liegen seine Wurzeln, hier liegt seine musikalische DNA. Kein Wunder, dass er bei seinem Festival stets Könner des traditionellen 12-Takt-Schemas präsentiert. In Dallas waren das unter anderem der gerade extrem gehypte Gary Clark Jr., Buddy Guy, Johnny Lang, Jimmy Vaughan, Claptons Wegbegleiter und Legende Jeff Beck sowie der junge Überflieger des Genres, Marcus King mit Band.
Es ist eine weitere Qualität des Events, dass es nicht nur den großen und längst renommierten Namen eine Bühne bietet. Clapton ist auch Förderer und Protegé. Das zeigt sich in Auftritten von Künstlern aus der Geheimtipp-Abteilung, wie dem Argentinier Gustavo Santaolalla, dem Brasilianer Daniel Santiago und dem in Berlin lebenden amerikanischen Jazz-Virtuosen Kurt Rosenwinkel. Unser Augenmerk gilt aber natürlich den Country- , Americana- und Folk-Rock-Acts.
Vince Gill hält die Country-Fahne beim "Eric Clapton's Crossroads Guitar Festival 2019" hoch
Beispielsweise einem gewissen Vince Gill. Der großartige Sänger und Gitarrist gehörte schon mehrfach zum Crossroads-LineUp. Kein Wunder, Eric Clapton ist ein Mann mit Geschmack. Und wenn man Vince Gills Spielweise mit einem einzigen Attribut beschreiben sollte, dann ist "geschmackvoll" wohl das treffendste Wort. Sicher: In Nashville gibt es Gitarristen, die noch um ein paar km/h schneller das Griffbrett herunterrasen können. Und vielleicht gibt es auch noch Gitarristen, die stilistisch breiter aufgestellt sind, als Vince Gill. Wenn es aber um einfühlsame Spielweise geht, um Soli, bei denen jede einzelne Note Mitten ins Herz trifft, dann kommt an Vince Gill niemand so schnell vorbei. Nicht in Nashville - und auch nicht in Dallas beim "Eric Clapton’s Crossroads Guitar Festival 2019".
Drei Song-Slots hat ihm Clapton deshalb spendiert: den Flying Burrito Brothers -Klassiker "Tonight The Bottle Let Me Down" (gemeinsam mit Ober-Fingerpicker Albert Lee und Dobro-Star Jerry Douglas), die Clapton-Hymne "Tulsa Time" (mit Lee, Bradley Walker und Jerry Douglas) und schließlich Bill Monroes "Drifting Too Far From The Shore". Keine Frage, Vince Gill hat bei dem Gitarristen-Event der Superlative die Fahne von Nashville und vom Country-Sound hochgehalten.
Das gilt auch für Sheryl Crow. Leider ist die großartige Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin hier nur mit einem Titel vertreten: An der Seite von Blues- und Slide-Ikone Bonnie Raitt brilliert sie mit "Everything is Broken".
Obwohl ebenfalls bei Nashville lebend, steht Keb' Mo‘ seit Karrierebeginn in den 90er Jahren für ein Crossover aus den verschiedensten Stilmitteln. Country kommt darin durchaus vor. Aber nicht gerade federführend. Mit seinem bereits etwas betagten "Am I Wrong?" wirft der Ausnahmekünstler erneut die Frage nach seiner musikalischen Identität auf. Egal, sein Blues-Jazz-Country-Rock-Allerlei hat Klasse und Feuer.
Wer ein Weihnachtsgeschenk sucht, liegt mit "Eric Clapton’s Crossroads Guitar Festival 2019" sicher nicht falsch.
Weitere Glanzlichter setzen das Americana/Southern-Rock-Kraftwerk der Tedeschi Trucks Band (mitunter ergänzt um Doyle Bramhall II), die Latino-Rocker von Los Lobos sowie die Marcus King Band. Für das Finale sorgte natürlich der Chef selbst: mit den seinen Klassikern "Badge" und "Layla" (mit John Mayer und Doyle Bramhall II), sowie - als Zugaben - "Purple Rain" und Joe Cockers "High Time We Went". Tja, man wäre gerne dabei gewesen…
Fazit: Gitarristen-Sause in XXL: beim "Eric Clapton’s Crossroads Guitar Festival 2019" gibt sich die Crème-de-la-Crème der E-Gitarre die Klinke in die Hand. Ein Leckerbissen auf zwei DVDs (auch als Blu-Ray, 3 CD-Set, 6 LPs-Box).
Sound: Dolby Digital 2.0/DSS 5.1; Bild: 16:9 - 1.78:1/PAL; Ländercode: 2 Laufzeit: ca. 240 Minuten Label: Rhino (Warner) |
VÖ: 20. November 2020 |
01 | Introduction |
02 | "Native Stepson" – Sonny Landreth |
03 | "Wonderful Tonight" – Eric Clapton & Andy Fairweather Low |
04 | "Lay Down Sally" – Eric Clapton & Andy Fairweather Low |
05 | "Million Miles" – Bonnie Raitt, Keb’ Mo’ & Alan Darby |
06 | "Son’s Gonna Rise" – Citizen Cope with Gary Clark Jr. |
07 | "Lait / De Ushuaia A La Quiaca" - Gustavo Santaolalla |
08 | "I Wanna Be Your Dog" – Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks, Band |
09 | "That’s How Strong My Love Is" – Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks Band |
10 | "Lift Off" – Tom Misch |
11 | "Cognac" – Buddy Guy & Jonny Lang |
12 | "Everything Is Broken" – Sheryl Crow & Bonnie Raitt |
13 | "Every Day Is A Winding Road" – Sheryl Crow with James Bay |
14 | "Retrato" – Daniel Santiago & Pedro Martins |
15 | "B-Side" – Kurt Rosenwinkel with Pedro Martins |
16 | "Baby, Please Come Home" – Jimmie Vaughan with Bonnie Raitt |
17 | "How Long" – The Marcus King Band |
18 | "Goodbye Carolina" – The Marcus King Band |
19 | "While My Guitar Gently Weeps" – Peter Frampton with Eric Clapton |
20 | "Space For The Papa" – Jeff Beck |
21 | "Big Block" – Jeff Beck |
22 | "Caroline, No" – Jeff Beck |
23 | "Cut Em Loose – Robert Randolph |
24 | "Hold Back The River" – James Bay |
25 | "When We Were On Fire" – James Bay |
26 | "Mas y Mas" – Los Lobos |
27 | "Am I Wrong?" – Keb’ Mo’ |
28 | "Slow Dancing In A Burning Room" – John Mayer |
29 | "How Blue Can You Get?" – Tedeschi Trucks Band |
30 | "Shame" – Tedeschi Trucks Band |
31 | "Is Your Love Big Enough" – Lianne La Havas |
32 | "I Say A Little Prayer" – Lianne La Havas |
33 | "Feed The Babies" – Gary Clark Jr. |
34 | "I Got My Eyes On You (Locked & Loaded)" – Gary Clark Jr. |
35 | "Pearl Cadillac" – Gary Clark Jr. |
36 | "Tonight The Bottle Let Me Down" – Vince Gill with Albert Lee & Jerry Douglas |
37 | "Tulsa Time" – Vince Gill with Albert Lee, Bradley Walker, Albert Lee & Jerry Douglas |
38 | "Drifting Too Far From The Shore" – Bradley Walker with Vince Gill, Albert Lee & Jerry Douglas |
39 | "Badge" – Eric Clapton |
40 | "Layla" – Eric Clapton with John Mayer & Doyle Bramhall II |
41 | "Purple Rain" – Eric Clapton & Ensemble |
42 | "High Time We Went" – Eric Clapton & Ensemble |
End Credits: "Going Going Gone" - Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks Band |