Will Hoge - Tiny Little Movies

CD Cover: Will Hoge - Tiny Little Movies

Mit "Tiny Little Movies" präsentiert Will Hoge bereits sein elftes Album - und schlägt unerwartet heftige Töne an.

Will Hoge. Nur Country- und Americana-Experten setzen bei der Nennung seines Namens ein wissendes Gesicht auf. Obwohl der aus Nashville stammende und seit langem im geruhsamen Franklin, Tennessee, lebende Sänger und Songschreiber zu den zuverlässigsten Lieferanten für strammen, originellen und mitunter unkonventionellen Country und Americana gehört, ist der 47-Jährige über den Geheimtipp-Status nicht so recht hinausgekommen.

Und das, obwohl er bereits 2011 in der Grand Ole Opry gemeinsam mit Vince Gill auftrat, Lady Antebellum (oder neu: Lady A.) einen seiner Song aufnahm und - noch bemerkenswerter - er für den Track "Even If It Breaks Your Heart" eine Grammy-Nominierung erhielt (Country Song des Jahres). Letzteres Kunststück gelang ihm, weil die Eli Young Band das Hoge-Original interpretierte und damit einen Nummer-eins-Hit landete. Das ist toll. Da fließen Tantiemen. Doch zum Household Name wird man so trotzdem nicht in der Gemeinde.

Will Hoge schlägt immer wieder musikalische Haken

Das alles mag eine Rolle spielen, dass Will Hoge in seinem künstlerischen Werdegang immer wieder Haken und Wendungen schlägt. Einer dieser Haken, es war schon fast ein Widerhaken, markierte das 2018 erschienene Album "My American Dream", auf dem er sich ungewohnt politisch engagiert zeigte - was ihn schließlich zu einer gemeinsamen Tour mit der links-orientierten Punk-Rock-Band Social Distortion führte. Das Aufheulen des Nashville-Establishments kann man sich lebhaft vorstellen… Man kann sich aber auch vorstellen, wie kalt das den Mann gelassen haben dürfte, der 2008 bei einem unverschuldeten Motorradunfall fast sein Leben verlor.

So wie er sich von diesem schweren Unfall, bei dem er zahllose Knochenbrüche davontrug, vollständig erholte, so kam Will Hoge auch nach jeder weniger erfolgreichen CD zurück. Konsequent. Sein Ding durchziehend. Nie nach dem schnellen Hit schielend. Das gilt selbstverständlich auch für sein neues Album "Tiny Little Movies". Winzig kleine Filme sollen also seine elf neuen Titel sein. Filme, in denen er viel über sich, über seine Ängste, Schwächen, Träume und Wünsche erzählt ("My Worst", "Maybe This is OK"), in denen er vom demografischen Wandel ("Even The River Runs Out of This Town"), von skrupellosen Gaunern, die alten Menschen Geld abluchsen ("Con Man Blues") und von verloren gegangener Country-Romantik berichtet ("All The Pretty Horses"). Eine inhaltliche Bandbreite, die - natürlich - weit über den Horizont des Country-Mainstreams hinausreicht.

"Tiny Little Movies" bietet astreinen Heartland Rock, Country und - tatsächlich! - Punk-Rock

Auch musikalisch geht Will Hoge gemeinsam mit seiner Band seinen eigenen Weg. Einen Weg, den schon einige andere Größen vor ihm beschritten. Musiker wie Tom Petty, John Hiatt, John Fogerty, Bob Seger, John Cougar oder - darf nicht fehlen - Bruce Springsteen. Kurz: das Who-is-Who des Heartland-Rock. Gleich mit dem Opener "Midway Motel" gibt der leidenschaftlich singende Hoge eine überzeugende Kostprobe davon - rau, erdig, ehrlich und ganz und gar im Stil jener vorher aufgezählten Rock-Größen. Mit dem nachfolgenden "The Overthrow" thematisiert Hoge das Stürzen. Ein passender Titel, denn tatsächlich stürzt in dem nur zweidreiviertel Minuten langen Track ein Phon-Gewitter auf den Hörer ein, das Punk-Rock-Gitarrenriffs und Glam-Rock-Harmonien auf einen Nenner bringt. Gewöhnungsbedürftig, zumal für Country-verwöhnte Ohren, aber mit sympathisch viel Energie und Herz gewürzt. Eine Ahnung von Punk vermittelt Hoge noch ein weiteres Mal, in der wütenden Anklage des bereits erwähnten "Con Man Blues".

Als Gegenpol zu diesen rabiaten Klängen streut Hoge immer wieder leise Folk- und Country-Petitiosen ein. Allen voran: das herrlich intime Liebeslied "The Likes of You" und - als letzter Akt der Vorstellung - die wunderbare Country-Ballade "All The Pretty Horses". Literatur- und Film-Kenner werden sich an das so betitelte, mit Matt Damon und Penelope Cruz verfilmte Buch von Cormac McCarthy erinnern - womit wir wieder bei den kleinen Filmchen wären. Im Soundtrack des letzten, rund dreieinhalb minütigen Mini-Films fährt Hoge breitleinwand-taugliche Geigen, Roots-Klänge und an Randy Newman erinnernde Harmonie-Wendungen auf.

Neben den lauten und leisen Polen von "Tiny Little Movies" machen sich vor allem starke Heartland Rock- und Americana-Songs breit. Titel wie das knochentrockene "Maybe This is OK", das getragen mahnende "That's How You Lose Her", das elegische "My Worst" oder das mit großartigen A-Cappella-Vocals beginnende und sich dann stetig steigernde "Is This All That You Wanted Me For". Jeder Track: ein kleiner Blockbuster.

Fazit: Will Hoge hat für "Tiny Little Movies" elf starke Songs zusammengetragen und damit den Soundtrack für den Zustand der heutigen USA geliefert. Kritisch, kontrovers aber auch klasse.

Label: Edlo / Thirty Tigers (Membran) VÖ: 26. Juni 2020
01 Midway Motel
02 The Overthrow
03 Maybe This is OK
04 Even The River Runs Out of This Town
05 My Worst
06 That's How You Lose Her
07 Con Man Blues
08 Is This All You Wanted Me For
09 The Likes of You
10 The Curse
11 All the Pretty Horses

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