Mit 16 unterschrieb sie ihren ersten Albumvertrag, zwei Jahre später präsentierte Sarah Jarosz ihr Debüt-Album "Song Up In Her Head", auf dem sie fast ausschließlich Songs aus eigener Feder bereithielt. Von der Kritik überschwänglich gelobt, eroberte sie damit aus dem Stand die amerikanischen Bluegrass-Charts, plus: Grammy-Nominierung für das gewitzt betitelte Instrumental "Mansinneedof".
So bilderbuchmäßig verliefen auch die weiteren Karrierejahre: ihre nachfolgenden Alben eroberten Charts-Spitzenplätze, erhielten jede Menge Awards-Nominierungen und ihr letztes Album, die 2016 erschienene CD "Undercurrent", bescherten ihr sogar zwei Grammys. Dass die mittlerweile in New York lebende Künstlerin auch mit ihren weiteren Projekten, darunter die Grammy-dekorierte Zusammenarbeiten mit u.a. Sara Watkins "I'm With Her", höchst erfolgreich waren, rundeten ihre Karriere perfekt ab. Entsprechend hoch hängt jetzt die Messlatte für ihr neues Album "World on the Ground".
Geschichten aus der Provinz: World on the Ground
So mancher Act würde sich nach diesen immensen Erfolgen und dazu nach vierjähriger CD-Pause ordentlich Druck machen: große Produktion, etliche Gaststars und so weiter. Sarah Jarosz scheint indes persönlich und künstlerisch so gefestigt zu sein, dass sie auf diesen ganzen Schnick-Schnack souverän verzichtet. Stattdessen hat sich die 29-Jährige auf die Inhalte ihrer neuen CD "World on the Ground" konzentriert, dessen Leitgedanke das Leben in einer Kleinstadt ist. In fiktiven und realen Geschichten erzählt Jarosz von der Langeweile, von der Trostlosigkeit und den leeren Plätzen und Straßen eines Südstaaten-Kaffs, aber auch von der Einfachheit des Lebens und der Herzenswärme der hier lebenden Menschen.
Mit ihren 29 Jahren ist Sarah Jarosz bereits eine erstaunliche Chronistin unserer Zeit. Sie blickt hinter die Kulissen und Fassaden, erkennt den Kern des Kerns. Wenn sie von den Menschen dieser oder "ihrer" texanischen Kleinstadt, wie "Eve" im Opener, singt, dann nicht um sie zu entblößen oder gar vorzuführen. Ganz im Gegenteil. Sie bringt in diesen großartigen Portraits ein großes Maß an Verständnis und Zuneigung auf - und findet dazu immer wieder fantastische Harmonien und Akkordverbindungen. "Eve" kleidet sie beispielsweise in einem zeitlosen Folk-Rock-Outfit, das gerade im Refrain an Fleetwood Mac zu ihren besten Zeiten erinnert.
Sarah Jarosz: großartige Songschreiberin und Chronistin unserer Zeit
Klassischer Folk ist ohnehin der musikalische Ausgangspunkt von "World on the Ground". Mal gesellen sich zum üblichen Genre-Instrumentarium Geigen ("Pay It No Mind"), mal zieht sie die Zügel dezent rockend an (hervorragend bei dem Song "Johnny"), mal geht es mehr in traditionelle Bluegrass-Richtung ("Little Satchel"). Meist aber verpackt sie ihre Erzählungen von Leere ("Empty Square"), Heimatgefühle ("Hometown") oder Flucht ("I'll Be Gone") in luftig-luzide Folk-Klänge, sparsam aber höchst effektvoll arrangiert von Produzent John Leventhal (Rosanne Cash, Elvis Costello). Mit welchem Songschreiber-Kaliber man es bei Sarah Jarosz zu tun hat, belegt sie beispielsweise in dem Track "What Do I Do". In der herrlichen Ode an die Langeweile verknüpft sie eine simple, an ein Kinderlied erinnernde Melodie mit komplexen Harmoniewendungen. Eine pure Meisterleistung!
Meisterhaft ist in allen zehn Tracks auch ihre Gesangsdarbietung zu bezeichnen. Mit kristallklarer Stimme erzählt sie uns die, oder besser: ihre Geschichten aus der Provinz und verzichtet dabei auf jegliche Effekthascherei oder eitlem Posing. Das spricht für ihre Qualität und ihre künstlerische Reife. Die nächsten Grammys darf man schon mal für sie reservieren.
Fazit: Nach vierjähriger CD-Pause knüpft Sarah Jarosz mit "World on the Ground" nahtlos an ihr letztes, Grammy-prämiertes Album an. Ein leises Meisterwerk!
Label: Rounder / Concord (Universal) | VÖ: 5. Juni 2020 |
01 | Eve |
02 | Pay It No Mind |
03 | Hometown |
04 | Johnny |
05 | Orange and Blue |
06 | I'll Be Gone |
07 | Maggie |
08 | What Do I Do |
09 | Empty Square |
10 | Little Satchel |