Das muss man der zierlichen, aus Austin, Texas, stammenden Sarah Jarosz erst mal nachmachen: Schon mit ihrem 2009 erschienenen Debüt-Album "Song Up In Her Head" bekam sie eine Grammy-Nominierung. Mit gerade mal 18 Jahren. Jetzt, mit 25, kann sie bereits auf etliche Nominierungen und Awards zurückblicken, "Undercurrent" ist bereits ihr viertes Album. Kreativ, jung, ehrgeizig, extrem talentiert - und bestens vernetzt. Sarah Jarosz ist längst fester Bestandteil der Americana, der Alternativen Country- und Bluegrass-Szene. Schon bei ihrem Debüt mischten immerhin Szene-Stars wie Shawn Colvin, Dan Tyminski, Viktor Krauss, Jerry Douglas, Bela Fleck und die coolen Bluegrass-Rabauken Punch Brothers aus New York.
Die musikalische Reife der Sarah Jarosz
Wie schon bei ihren Vorgänger-Alben zeigt Sarah Jarosz ihr überwältigendes Gespür für den schmalen Grat zwischen kommerzieller Eingängigkeit und künstlerischem Anspruch. Ein Drahtseilakt. Den die Sängerin, Songschreiberin und Banjo- und Mandolinen-Virtuosin aber mit beeindruckender Souveränität meistert. Man nehme nur das sphärisch-schöne, tagträumerische "Green Light". Hier vermengt sie mit leichter Hand stylishe Ambient-Sounds, wie man sie vielleicht von einem Telekom-Werbespot kennt, mit dem sprödem Charme eines Folk-Songs.
Oft genug kommt Sarah Jarosz aber auch ohne Klang-Kulisse aus. Häufig reichen Stimme und ein Melodieinstrument aus. So spartanisch beginnt und beendet sie "Undercurrent" - mit dem sparsamen, irgendwie wundersamen, die frühe Morgenstimmung perfekt einfangenden "Early Morning Light" und dem nicht weniger berührenden "Jaqueline". Bei letzterem Song fühlt man sich in seiner sperrig-versonnenen Gangart doch glatt an die sperrig-versonnene Rickie Lee Jones erinnert. Oder vielleicht sogar an Joni Mitchell.
"Undercurrent" kommt ohne Sound-Gimmicks aus
Fest steht jedenfalls: Die Referenz-Messlatten hängen bei Sarah Jarosz in schwindelerregenden Höhen. Dass sie diese Hürden – wohlgemerkt im zarten Alter von 25 Jahren – meistert, ist mehr als beeindruckend. Denn für Songs, die ohne jeden Sound-Gimmick, nahezu ohne jedes Arrangement auskommen, die nur von einer kleinen Melodie, einem Text und der Meisterschaft der Interpretation auskommen müssen, braucht es Tiefgang und Seele und vielleicht auch eine Portion Lebensweisheit.
Wie das Album belegt, scheint sich Sarah Jarosz in dieser Reduktion aber vollkommen wohl zu fühlen. Sie weiß offenbar sehr genau, dass sie sich nicht hinter einer Klangkulisse verstecken muss. Das spricht für ihr Selbstvertrauen, für ihre künstlerische Reife -– die sie in grandiosen, leisen, dafür aber umso eindringlicheren Folk, Country-Folk und Americana-Songs beweist. In Titeln wie "Everything to Hide", "Back of my Mind" oder "Lost Dog".
Doch, und das ist das Schöne, sie traut sich auch an das große Besteck: Das zeigt sie in dem vielleicht coolsten Song von "Undercurrent" - dem souligen, groovenden, mit Orgel, Drums und fröhlichen Melodien ausgestatteten "Comin’ Undone". Irgendwo zwischen den beiden Polen – und auch geographisch in der CD-Mitte eingebettet – findet sich "Back Of My Mind". Ein Song mit Begleitband, mit dezenten Sound-Effekente, mit Pedal-Steel und einer Mark Knopfler-typischen Solo-Gitarre, mit Gefühl, Wärme, Geist und Temperament. Glatter Volltreffer.
Fazit: Mit ihren 25 Jahren gehört Sarah Jarosz bereits zu den Größen des Folk und Americana. Völlig zu Recht, wie ihr aktuelles Album "Undercurrent" belegt. Ein Meisterwerk!