Keine Frage, "Wild World" ist sein bisher persönlichstes Werk. In zwölf der 13 Tracks war er als Co-Autor tätig, darüber hinaus produzierte er die CD höchstpersönlich. Kip Moore hofft, so heißt es im Beipackzettel der CD, dass seine Musik Wirkung beim Hörer zeigt: Sie solle seinen Fans etwas Ruhe und Frieden bescheren. "Das Leben ist ein verrückter, wilder Ritt", philosophiert er, "aber es kann so einfach sein, wenn wir nach den richtigen Dingen suchen."
"Wild World" - das persönlichste Album von Kip Moore
Eine Erkenntnis, die er seit Erscheinen seines letzten, 2017 erschienen Hit-Albums "Slowheart" erlangte. Eine Zeit, in der er auf Selbstfindungs-Trip war und die Welt bereiste: selbstgewollte Isolation, innere Einkehr, Frieden suchen in der Natur. Das klingt fast nach dem Leben eines tibetanischen Mönchs. Davon ist der 1980 in Tifton, Georgia, stammende Country-Star zwar so weit entfernt ist, wie ein Veganer von einem Südstaaten-Bar-B-Q. Eine Zäsur stellt diese Erfahrung aber allemal dar. Das sollte man wissen, wenn man "Wild World" in den CD-Player legt.
DWer jetzt aber vermutet, dass Kip Moore auf dem neuen Album nicht mehr den Faden seiner Top-Hits à la "Somethin' Bout A Truck", "Hey Pretty Girl" oder "Beer Money" aufnimmt, liegt: goldrichtig! Die Songs von "Wild World" sind mehr von Ernsthaftigkeit und Tiefe geprägt. Und sie umschiffen - und das ist gut so - großräumig handelsübliche Country-Klischees. Dass sich die neue Tiefe auch musikalisch auswirkt, ist klar. So ist es kein Wunder, dass er mit "Janie Blu" einen Opener auswählt, in dessen Fokus eine Akustik-Gitarre, ein wuchtiger Beat und seine noch rauer gewordene Stimme stehen - zurückhaltend arrangiert und trotzdem Arena-tauglich. Vier Minuten dauert der Auftakt in sein viertes Album. Es sind vier intensive Minuten, in denen sich Kip Moore - Pardon! - den Arsch absingt. Klar ist: So singt nur jemand, der zu jedem Wort des Songtextes steht.
Das gilt auch für den nachfolgenden Track "Southpaw", den er zusammen mit Westin Davis schrieb. In dem dynamischen Country-Rocker skizziert sich Moore als Außenseiter, als Sonderling: "Southpaw" ist ein Begriff aus dem Boxen und steht für die seltenen Linkshänder, mit denen sich Boxfan Moore identifiziert. "Ich kenne das Gefühl, fühlte mich manchmal fehl am Platz", gestand er in einem Interview mit dem Branchenmagazin Billboard. Sehr rockig fällt auch das anschließende "Fire And Flame" aus. In dem gemeinsam von Moore, Cary Barlowe, Brett James und Will Weatherly geschriebenen Track zündet er, wie im Songtitel versprochen, ein fulminantes Country-Rock-Feuerwerk - treibende, an U2 erinnernde Gitarrenlinien inklusive.
Kip Moore ist gereift und gewachsen
Nach so viel Power wird es Zeit für eine Verschnaufpause. Diese vergönnt sich Moore im anschließenden Titeltrack, den er gemeinsam mit Josh Miller schrieb. Ein klasse Song. Dazu ein Titel, in dem Kip Moore beweist, dass er als Storyteller, als Erzähler glaubwürdiger und persönlicher Geschichten weiter gereift ist. Die Idee zu dem Song, so der Künstler, sei ihm bei einer Erinnerung an seine Eltern gekommen. Sie hätten ihm den Rat gegeben, das Leben einfach zu halten und das Glück nicht von irgendwelchen Dingen abhängig machen, sondern es in den Menschen zu suchen. Entsprechend "einfach" ist "Wild World" auch musikalisch gehalten. Der Track kommt weitgehend nur mit Akustikgitarre und Gesang aus, entfaltet so aber einen geradezu magischen Sog.
In den weiteren Songs des Albums zeigt sich Moore als sensibler, schon mal an Bruce Springsteen erinnernden Rocker ("Red White Blue Jean American Dream"), als Süßholz raspelnden Lover ("She's Mine"), als Menschen mit Zielen und Ansprüchen ("Grow On You"), als unverkennbaren Romantiker ("Hey Old Lover") und nachdenklichen Patrioten ("South"). Am schwersten sei ihm die Aufnahme zu "Payin' Hard", dem letzten Song der CD gefallen. In der Blair Daly-, Westin Davis- und Kip Moore-Komposition singt er über seinen verstorbenen Vater. Er bereue es, ihn in den letzten Jahren nicht öfters gesehen zu haben. Er war auf Tour. Es ging einfach nicht. Doch irgendwann war es dafür zu spät: "Jetzt ist er fort und er kommt nie mehr wieder." In dem Billboard-Interview bekennt er, dass er die Aufnahmen immer wieder unterbrechen musste, weil ihn der Text emotional überforderte. Keine Frage, Kip Moore war schon vor "Wild World" ein Großer - doch jetzt ist er noch weiter gewachsen.
Fazit: Starker Country-Rock und großes Gefühls-Kino - auf "Wild World" zieht Kip Moore alle Register. Nie war er besser.
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: 29. Mai 2020 |
01 | Janie Blu |
02 | Southpaw |
03 | Fire and Flame |
04 | Wild World |
05 | Red White Blue Jean American Dream |
06 | She's Mine |
07 | Hey Old Lover |
08 | Grow On You |
09 | More Than Enough |
10 | Sweet Virginia |
11 | South |
12 | Crazy For You Tonight |
13 | Payin' Hard |