Jack Ingram hatte jahrelang den Status als vielversprechendes Talent aus dem Staate Texas inne. Seine Single "Wherever You Are" erreichte 2005 Platz eins der Billboard Country Charts, das darauffolgende Album "This Is It" kam immerhin unter die Top 40 der US-Pop Charts.
Sein Nashville-Label Big Machine Records hatte ihn 2011 nach abnehmenden Verkaufszahlen aufs Abstellgleis geschoben, und Ingram hatte sich schon gefragt, ob er überhaupt noch mit einer Industrie zu tun haben wollte, in der künstlerische Integrität stets den Verkaufszahlen untergeordnet wird. Ingram war es wichtig, die volle kreative Kontrolle über sein Output zu haben. Den Radio-tauglichen Sound seiner Anfangsjahre hatte Ingram stets nur als Türöffner begriffen: ab einem bestimmten Punkt wollte er nur noch die Musik machen, hinter der er zu 100% stehen konnte. Folgerichtig ist "Midnight Motel" wesentlich rauer als alles, was er in den Anfangsjahren seiner Karriere veröffentlicht hat. Es ist Jack Ingrams erstes Album in sieben Jahren und sein Debüt für Rounder Records.
Midnight Hotel: Raue Songs, nachts in Motel-Zimmern geschrieben.
Produzent Jon Randall, ein befreundeter Sänger und Songschreiber, nahm mit Jack Ingram für "Midnight Motel" gefühlvollen und doch angemessen rauen Alternative Country auf, mit Elementen von Folk und Rock.
"Don’t write a song that you wouldn't sing". Die Zeile aus dem Song "Nothing to Fix" ist zum Leitsatz für den Texaner geworden. Und: wenn er mit seinen Helden Guy Clark, Waylon Jennings und Johnny Cash im Himmel wäre, was würde er ihnen vorspielen? Zumindest mutet Ingram ihnen einen sperrigen Einstieg zu, bedingt durch die vielen Dialoge zwischen den Songs auf "Mighnight Hotel". Der Opener "Old Motel" ist sechs Minuten lang und endet mit Studio-Geplauder, jemand scheint gedankenverloren auf einem Klavier zu klimpern. Das eigentlich nur dreieinhalbminütige "I Feel Like Drinking Tonight" wird durch Ingrams lange Geschichte zu einem Acht-Minuten-Track. Die scheint von einem Live-Konzert zu stammen, vielleicht erzählt der Sänger die Story aus der Zeit, als er den Opener für Merle Haggard gab und diesen dutzende Tequila-Shots tranken sah, aber auch einfach seiner Band.
Jack Ingram begleitet eine exzellente Band: Bob Dylans Gitarrist und Neil Youngs Schlagzeuger
Diese ist exzellent besetzt: Gitarrist Charlie Sexton (Bob Dylan), Drummer Chad Cromwell (Neil Young), Bassist Robert Kearns und Keyboarder Bukka Allen sorgen für einen rockigen, aber niemals muckerhaften Sound.
In den ruhigeren Momenten, nur begleitet von einer Akustikgitarre, erinnert Ingram an das Storyteller-Talent eines Loudon Wainwright III oder auch an Ryan Adams. Das waidwunde "Trying" oder "Champion of the World", bei dem sich zu Ingrams Gitarre nur die fabelhafte Slide-Gitarre von Charlie Sexton gesellt, sind zweifellos Höhepunkte in der Karriere des Texaners. Beim hübschen "It's Always Gonna Rain" schrieb die etablierte Singer/Songwriterin Lori McKenna mit.
"I'm Drinking Through It" ist dagegen ein ausgelassener Midtempo-Rocker, der mit einem gemeinschaftlichen Chorgesang endet, der so ähnlich auch an einem Bartresen hätte aufgenommen werden können.
Merkwürdigerweise gibt es ebenfalls eine Version des Albums ohne Zwischendialoge. Eine überflüssige Aktion - "Midnight Motel" wird durch die teils lange mäandernden Geschichten, das Gelächter und die Studio-Dialoge erst richtig charmant.
Fazit: "Midnight Motel" ist Jack Ingrams Meisterstück – ein raues, kompromissloses Alternative-Country-Album mit brillanter Band-Begleitung, aber ebenso vielen berührenden Solo-Momenten.
Label: Rounder (nur in Österreich veröffentlicht) | VÖ: 26. August 2016 |
01 | Old Motel |
02 | It's Always Gonna Rain |
03 | I Feel Like Drinking Tonight |
04 | Blaine's Ferris Wheel |
05 | Nothing to Fix |
06 | What's A Boy to Do |
07 | Trying |
08 | Champion of the World |
09 | I'm Drinking Through It |
10 | Can't Get Any Better Than This |
11 | All Over Again |
12 | Old Motel (Acoustic Version) |