Cam - Untamed

CD Cover: Cam - Untamed

Ein neues Gesicht an der Music Row: Cam nennt sich die blondgelockte Sängerin, die auf dem Cover ihres Albums "Untamed" modellmäßig posiert - im weißen, flauschigen, beinfreien Dress sitzt sie in einer Designerwohnung am Boden und saugt mit einem Strohhalm eine Zitrone aus. Nun, so sieht das zumindest aus. Egal, mit ihren himmelblauen Augen und dem angedeuteten Lächeln macht das engelsgleiche Wesen optisch allemal einiges her.

Doch, das wissen wir, darum geht es ja nicht. Zumindest nicht nur. Vielmehr zählen die inneren Werte, im Falle einer Sängerin: die Musik, die Stimme. Und auch da kann die aus dem kalifornischen Lafayette stammende Camaron Marvel Ochs - wie - bürgerlich solide heißt, punkten. Laut ihrer Biografie wuchs die glamouröse Cam recht rustikal auf. Ihre Großeltern hatten eine Ranch, sie half schon als Kind mit. Damals kam sie auch schon mit Country und Blues in Berührung und so waren ihre ersten Helden angeblich Patsy Cline, Bonnie Raitt und Willie Nelson.

Vor ein paar Jahren zog sie nach Los Angeles, um mit Tyler Sam Johnson Demos aufzunehmen. Über Kontakte und Umwege landeten die Songs bei Tim McGraws Manager. Der Mann hat Einfluss, und so nahm Newcomerin Maggie Rose Cams Song "Cut to Impress" auf, noch weitaus größere Beachtung aber erhielt Cam, als Miley Cyrus ihre Komposition "Maybe You're Right" auf das "Banger"-Album packte. Von da an nahm die Karriere der Sängerin und Songwriterin rasant Fahrt auf - "Untamed" setzt den ersten Höhepunkt der 31-Jährigen.

Wer das Cover von "Untamed" sieht, weiß, dass man bei diesem Album alles andere als traditionellen Country erwarten darf. Es geht also nicht darum, ob sie Pop-Akzente setzt, sondern wie sehr? Und ob in dem stylishen Sound-Kostüm noch Platz für robuste Country-Klänge ist? Beim Durchhören der elf Titel von "Untamed", bei denen sie durch die Bank als Autorin mitwirkte, muss man sagen: Musikalisch ist das Pop reinsten Wassers. Die Themen - man nehme nur "Village" - mögen einen Country-Touch besitzen; und auch ein immer wieder zirpendes Banjo sorgt für durchschimmernden C-Faktor - doch letztlich ist es nur eine hinzugefügte Klangfarbe im Pop-Gemälde.

Eine Ausnahme bildet "Half Broke Heart", bei dem immerhin Luke Laird seine Songwriter-Händer mit im Spiel hatte. Hier geht die Reise tatsächlich in moderne, angesagte, Taylor Swift-typische Country-Gefilde. Dass ein Nashville-Songwriter-Routinier aber keine Garantie für traditionelle Klänge ist, zeigt sich bei "Want It All" - der Track ist trotz Beteiligung von Phil Vassar durch und durch im Pop angesiedelt. Okay, das Banjo pocht auch hier vor sich hin...

Letztlich aber ist es doch eher egal, ob Pop oder Country: Hauptsache der Sound macht Spaß. Das gilt allemal für den Titeltrack und Opener von "Untamed", den sich Cam und bei fast allen Titeln als Co-Autor zur Seite stehender Tyler Johnson und Hit-Lieferant Casey Beathard ausdachten - ein Song mit starkem Refrain, originellem Beat, phantasievollem Arrangement, einem Banjo, einer hechelnden Harp und damit mit absolutem Hit-Potential. Nicht nur hier erinnert Cam stimmlich an Lady Antebellums Hillary Scott. Ein Vergleich, mit dem sie sicher leben kann.

Fazit: Glamouröser Pop-Country einer talentierten Newcomerin. Für Country-Puristen ist "Untamed" aber nicht gerade empfehlenswert.

Label: Arista Nashville (Sony) VÖ: 11. Dezember 2015
01 Untamed
02 Hungover On Heartache
03 Mayday
04 Burning House
05 Cold in California
06 My Mistake
07 Runaway Train
08 Half Broke Heart
09 Want It All
10 Country Ain't Never Been Pretty
11 Village

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