"Ich wollte, dass die Musik ganz anders klingt, als die der The Chicks", sagt sie über ihr Solo-Debüt. Viele Solo-Alben, führt sie weiter aus, hätten auch "ebenso gut von der eigentlichen Band stammen können". "Mother" unterscheide sich völlig von den The-Chicks-Sachen. Sagt sie - und hat damit Recht.
Schon der Opener der zehn Songs starken CD gibt die Grundrichtung vor: "Without You" von Eddie Vedder - Country-Freunde, die sich auch im Rock auskennen, wissen dass Vedder Frontman der Grunge-Ikone Pearl Jam ist. Also nicht gerade ein urtypischer Vertreter der Country-Zunft. Egal, der Song ist gut. Er rockt moderat. Die Gitarre sägt. Der Beat zündet auf die Zwei und Vier. Und die Melodie geht prima ins Ohr. Für den nächsten Song - dem Titeltrack - hat sich die nur zu gerne gegen des Strom schwimmende Sängerin einen alten Pink-Floyd-Track ausgeguckt. "Mother" stammt vom 1979er "The Wall"-Album - und passt in seiner ruhigen, düsteren, trotzdem beängstigend schönen Harmonieführung hervorragend zu Maines Stimme und Aura.
Am ehesten an die Chicks erinnert vielleicht gerade noch "Free Life". Kein Wunder, denn Autor dieser ruhigen Ode an das freie Leben ist Dan Wilson, mit dem auch die The Chicks schon gearbeitet haben. Der Song hätte immerhin ein Countrytrack werden können. Doch das rockige, poppige Arrangement schiebt dem ohne Kompromisse einen Riegel vor.
Wichtigster Beistand für das Album war Gitarrist und Songschreiber Ben Harper. Der pfiffige Blueser fungierte als Co-Produzent, mit "Trained" steuerte er dazu den mit Abstand rockigsten, mit "Vein In Vain" den vielleicht emotionalsten Song bei - die vielleicht schönste und eindringlichste Ballade über Heroin seit "The Needle And The Damage Done" von Neil Young. Richtiggehend perfide wirkt in dieser Moll-Umgebung der Dreivierteltakt. Ein Kunstgriff.
Für den stärksten Song dieser starken CD sorgt allerdings ein anderer: Jeff Buckley. Der kultige, viel zu früh verstorbene Songwriter war ein Meister seines Fachs. Das belegt diese ebenfalls im Dreivierteltakt angelegte Ballade "Lover, You Should've Come Over". Nach verhaltenem Beginn steigern sich Song, Musiker und - vor allem! - Sängerin Natalie Maines in, kann man fast sagen, pure Ekstase. Nach dem zweiten Refrain gibt es kein Halten mehr. Der Dynamik, dem Bilder- und Gefühlssturm kann man sich nicht verschließen. Gänsehaut ist garantiert. Auch wenn es purer Rock ist.
Fazit: Sie singt wie eine Göttin - allerdings wie eine Rock-Göttin. The-Chicks-Sängerin Natalie Maines setzt solo ganz andere musikalische Akzente. Aber das dafür mit Können und Elan.