Vor zwei Jahren passierte etwas sehr lustiges im deutschen Popgeschäft: Da kämmte sich der Schwiegermutterschwarm Sasha eine Tolle, schwang sich in Jeans und College-Jäckchen und landete unter dem Namen Dick Brave einen Riesenerfolg mit einer Rockabilly-Platte. Die steckt voller Hits von Pink bis zu Run DMC - in inspirierten, liebevoll arrangierten und mitreissenden Rock'n'Rollversionen im Originalsound der Fünfziger Jahre. Nun versucht es das Berliner Trashcountry-Duo The Boss Hoss mit einem ähnlichen Konzept: Auf ihrem zumindest smart betitelten, aktuellen Album "Internashville Urban Hyms" spielen The Boss Hoss aus Berlin bekannte junge und alte Hits im Countrygewand: Jeans, Stetson und Feinripp-Unterhemd. Das liest sich beim ersten Blick auf das ulkig vergilbte Cover der CD ganz lustig und ist im Konzert wahrscheinlich ein echter Bringer. Doch im Gegensatz zu Dick Braves künstlerisch wie kommerziell höchst erfolgreichen Unternehmung muss man hier aber leider feststellen: Der Cowboy-Look steht vielen der ausgewählten Lieder leider nicht besonders.
Das Problem beginnt mit der Songauswahl: Das Konzept einer Cover-Version ist wenig unterhaltsam, wenn der zu Grunde liegende Song nicht genug hergibt: Er kann zum Beispiel grottenschlecht sein, wie Britney Spears "Toxic" - ein Werk, dass schon im Original weitgehend frei war von jeder wieder erkennbaren Melodie oder der Song kann exzellent sein, wie "Sabotage" von den Beastie Boys - und doch weitgehend ohne Wert für den Arrangeur einer neuen Version. Oder er ist selbst schon in der Urversion als Persiflage angelegt, wie "Hey Ya!" der oberschlauen US-Hip-Hopper Outcast um Benjamin Andre: Eine Persiflage einer Persiflage, die reicht selten zu erneutem Schmunzeln. Oder das zu covernde Lied ist eh schon so country-beeinflusst, dass eine Neubearbeitung keine neuen Countryqualitäten aus ihm hervorlocken kann, wie bei Becks Low-Fi-Country-Slideguitarren-Hymne "Loser" (bei dem den allerdings auch die Persiflage-Problematik zum Tragen kommt). Auch der ultimative Fallstrick, an dem sich eine Cover-Version langsam zu Tode baumelt bis sie schlecht riechend verwest, wird nicht ausgespart: Die Welt braucht keine neuen Varianten von "Hey Joe". Und wenn doch, dann welche, die diesem Klassiker ganz neue Seiten abgewinnen. Und den Langnese-Langweiler "Like Ice In The Sunshine", herrje, der hat doch im Kino schon ultimativ genervt...
The BossHoss sind Hoss Power (Vocals, Gitarre), Ross Burns (Vocals) und Guss, Russ, Hank, Frank und Ernesto Escobar de Tijuana an Stand-Up-Bass-Fiddle, Washboard, Harp, Trommel und Melodica: Während sich die Chefs redlich in knödeligem Akzent um die Countryvocals mühen, dabei aber manchmal mehr nach Clown, als nach Cash klingen, bietet die Band auf "Internashville Urban Hymns" einen uninspirierten, manchmal gar trashigen Sound. Das mag ja Absicht sein, dass mag ja alles sehr witzig gemeint sein, aber auf CD wärmt solcherlei Witz gerade mal so gut wie ein Feinripphemd mit nix drüber. Drei Eigenkompositionen haben es auf "Internashville Urban Hyms" geschafft: "Drowned In Lake Daniels" (da geht es um einen Jack, hahahahaha, sehr komisch), die schmissige BossHoss-Erkennungsmelodie "Yee Haw" und "Remedy" mit einem sehr feinen Harp-Solo. Immerhin, bei vier Liedern geht das Konzept auf: Da wird eine R&B-Anzüglickeit wie "Hot In Herre" zur Festzelthymne, "Seven Nation Army" von The White Stripes zur schmissigen Punk-Melodica-Nummer, Billy Idols "Eyes Without A Face" zum Altherren-Duett. Und - das muss der Rezensent zugeben - sollte er mal angetrunken auf einen Straßenfest The BossHoss' Version von "Word Up" hören, dann könnte es passieren, dass er sich auf einen Biertisch stellt und lauthals mitgrölt.
Fazit: The BossHoss und ihre trashigen Countrycoverversionen: Einige zum hemmungslosen Abfeiern, andere zum Weinen: Rednex waren zwar um Längen schlimmer, hatten wenigstens noch dieses lustige Gefiddle in ihren Hits.
Label: Island (Universal) |
VÖ: 23. Mai 2005 |