Bruce Springsteen erforscht seine Country-Seele auf seinem neuen Album "Somewhere North of Nashville das im Box-Set "Tracks II: The Lost Albums" enthalten ist
Mit der Veröffentlichung von "Somewhere North of Nashville" - eines von sieben lange zurückgestellten Alben, die heute erscheinen - lehnt sich Bruce Springsteen voll und ganz an diese Affinität an und liefert ein Werk ab, das sich sowohl wie ein Liebesbrief an die Country-Tradition als auch wie eine Meditation darüber anfühlt. Das Album ist mehr als nur eine Genre-Übung, sondern bietet einen tieferen Einblick in die Tatsache, dass der Boss schon immer mit einem Fuß im Honky-Tonk und mit dem anderen auf dem Highway stand. Hier entdeckt Bruce Springsteen nicht den Country, sondern er kehrt in eine musikalische Heimat zurück, die er seit Jahrzehnten im Stillen aufgebaut hat.
"Somewhere North of Nashville" ist ein verschollenes Album, das zusammen mit sechs anderen Archivprojekten endlich das Licht der Welt erblickt, aber es sticht sofort hervor, weil es sich voll und ganz der Country Music verschrieben hat. Es ist nicht nur ein Flirt mit schrägen Gitarren oder dem einen oder anderen Pedal-Steel-Lick - es ist ein tiefes, eindringliches Eintauchen in Honky-Tonk-Bars, windgepeitschte Highways und herzzerreißende Balladen. Wenn "Western Stars" dieses Terrain angedeutet hat, schlägt "Somewhere North of Nashville" sein Lager dort auf. Bruce Springsteen bringt sein Genie als Geschichtenerzähler in die Welt der kaputten Jukeboxen und schmutzigen Straßenträume, und das Ergebnis ist eine reich strukturierte, oft raue Sammlung, die ihre Einflüsse mit Stolz trägt und dabei unverkennbar nach The Boss klingt.
Ein Gleichgewicht zwischen Krawall und Nachdenklichkeit macht das Albums aus
Das Album beginnt mit "Repo Man", einem schwungvollen Honky-Tonk-Barroom-Stück, das wie geschaffen ist für Bruce Springsteens kiesige Stimme. Der Song rollt mit einer lockeren, freudigen Energie dahin und baut sich von einem Rockabilly-Groove zu einem twangigen Nashville-Gitarrensolo auf, das in einen Piano-Breakdown im Ragtime-Stil mündet. Es gibt hier einen klaren "Johnny B. Goode"-Vibe, aber Springsteens Gespür für Charakter und Härte hält das Stück in seinem eigenen Mythos verankert. "Tiger Rose" setzt die Gute-Laune-Energie fort, diesmal mit Bruce Springsteen, der den Charme von Lyle Lovett und den Twang von Marty Stuart kanalisiert, während er spielerisch versucht, eine Frau mit Zeilen von süßem Mut zu umwerben. Die Gitarren im Nashville-Stil fügen sich wunderbar ein, und die Lebendigkeit des Songs macht ihn zu einem frühen Highlight.
Doch gerade als das Album seine Honky-Tonk-Qualitäten unter Beweis stellt, wendet es sich mit "Poor Side of Town", einem schwermütigen, von Streichern begleiteten Walzer, der auch in das Songbuch von Guy Clark oder Townes Van Zandt passen würde, dem Herzschmerz zu. "Das letzte Mal, als ich dich sah, wolltest du mich nicht einmal küssen", singt Springsteen über eine Frau, die ihn für einen reichen Mann verlassen hat und nun enttäuscht zurückkehrt. Das Arrangement ist üppig - mitreißende Streicher, weinende Pedal Steel und Klavier füllen die Lücken, in denen Stolz und Kummer leben. Es ist eine erschütternde Ballade in zeitloser Instrumentierung, und Springsteen verkörpert die Rolle des Erzählers mit gebrochenem Herzen mit schmerzender Überzeugung.
Dieses Gleichgewicht zwischen Krawall und Nachdenklichkeit macht einen Großteil des Albums aus. "Delivery Man" bringt mit seiner Hühnerverkäufer-auf-Mission-Story und dem Rockabilly-Stomp wieder Spaß in die Füße. Der Song ist voller ländlicher Details und Schroffheit, eine Mischung aus Steve Earles erzählerischer Weitläufigkeit und Marty Stuarts instrumentalem Glanz. "Detail Man" hingegen ist voller Angeberei und sexueller Anspielungen, eine Mischung aus Rock'n'Roll der 1950er Jahre und Nashville-Rummel: "Ich werde dich an Stellen küssen, von denen andere Männer noch nicht einmal gehört haben", singt Springsteen mit einem Augenzwinkern. Slide-Gitarren, Honky-Tonk-Klavier und Handclaps treiben einen Song an, der leicht aus einer Jerry-Lee-Lewis-Session hätte stammen können - aber hier ist alles durch Bruce' unverkennbar filmische Stimme gefiltert.
Das schmerzhafte Herzstücke des Bruce Springsteen-Albums
Dann kommen die schmerzhaften Herzstücke des Albums. "Under a Big Sky" ist eine von der Mundharmonika getragene Geschichte über Sehnsucht und Einsamkeit, in der ein Angestellter die Jahreszeiten vorbeiziehen sieht, während er von dem Mädchen träumt, das er zurückgelassen hat. "Summer comes around and I miss you", singt er, und man glaubt ihm jedes Wort. Klavier und Pedal Steel untermalen seinen Gesang mit einem emotionalen Gewicht, das an Springsteens "Human Touch" oder "Lucky Town" erinnert, jetzt aber mit mehr verwitterter Weisheit. "Janey Don't You Lose Heart" ist ein weiteres wehmütiges Juwel - ein emotionales Plädoyer für Durchhaltevermögen in einer schwierigen Ehe. Es ist ein Mid-Tempo-Herzensbrecher, getragen von einer klagenden Geige und Springsteens geduldigem, flehendem Vortrag. Das Stück ist zurückhaltend, aber es fehlt ihm nie an Kraft.
Am Ende des Albums kehrt Springsteen zur ruhigen Trostlosigkeit zurück. "You're Gonna Miss Me When I'm Gone" ist eine spärliche Ballade im Stil von Johnny Cash, die in einer abschließenden Bar und einer verblassenden Romanze spielt. Die Einfachheit - nur klagende Gitarren, sanftes Klavier und Springsteens tiefes Grollen - macht es umso ergreifender. "Silver Mountain" lockert die Sache wieder auf, eine Folk-Ballade mit Geige und Akkordeon, in der Bruce einem Mädchen am Fluss den Hof macht, mit einem Augenzwinkern und vielleicht ein oder zwei Gast-Harmonien von Little Steven. "Blue Highway" dient als eine Art Hymne für Wanderer, deren gleichmäßiger Rhythmus und wehmütiger Ton an die Prärie des Westens und unerfüllte Träume erinnert: "Someday I'm gonna build me a farmhouse high upon a hill", singt er - wohl wissend, dass er das nicht tun wird, solange er eine Seele eines Troubadours hat.
Das Album schließt mit dem Titeltrack, und der ist wunderschön. "Somewhere North of Nashville" (ursprünglich auf dem "Western Stars"-Album) ist ein leiser, zutiefst persönlicher Song, in dem Bruce Springsteen gesteht, was es ihn gekostet hat, einem Traum nachzujagen, der nicht ganz aufgegangen ist. "Ich habe dich für diesen Song eingetauscht", gesteht er mit kinematischem Bedauern. Sanftes Klavier, Pedal Steel und staubige Gitarren umgeben seine Stimme wie eine verlorene Brise von der offenen Straße. Es ist ein eindringliches Ende einer Platte, die sich fließend zwischen Freude und Trauer, zwischen Tanzfläche und Lagerfeuer bewegt.
Fazit: "Somewhere North of Nashville" ist ein Triumph seiner späten Karriere. Bruce Springsteen hat schon immer um die Country Music herumgetanzt, aber hier taucht er mit vollem Einsatz ein.