Hochtalentierter Wahrer der Traditionen: Charlie Worsham
Mit dieser Ausbildung im Lebenslauf war es für ihn ein Leichtes, schnell lukrative Angebote und Jobs zu bekommen. Charlie Worsham heuerte bei Old Crow Medicine Show an, spielte in einer Band namens KingBilly, 2011 tourte er gemeinsam mit Taylor Swift und er gab den Anheizer für u.a. Miranda Lambert und Wade Bowen. 2016 begleitete er schließlich Kenny Rogers auf dessen Welt-Abschieds-Tournee. Nicht schlecht, Herr Specht!
Zumal auch sein Debüt-Album "Rubberband" 2013 auf einen beachtlichen zwölften Rang in den Country-Charts kletterte. Doch: Karrieren verlaufen nur selten wie von Marketing-Chefs gezeichnete Graphen. Nicht linear. Und schon gar nicht immer nur nach oben zielend. So floppte bereits Worshams zweites Album "Beginning of Things" 2017 grandios. Nicht mal eine Single-Auskopplung fand den Weg in die Bestenlisten. So etwas macht einen nachdenklich. Auch einen superschlauen Könner wie Charlie Worsham.
Die Folge: Er hielt sich zurück. Vier Jahre lang spielte er hier und da mal eine Gastrolle, er gab Konzerte, war Teil der CMA-Songwriter-Tour, sorgte dafür, dass er nicht in Vergessenheit geriet. Doch neues Song-Material rückte er nicht heraus. Bis jetzt. Bis zu den sechs Songs seiner neuen EP "Sugarcane".
Da stellt sich natürlich die Frage: Hat Charlie Worsham etwas an seinem, ganz auf den Traditionen des Country und Folk beruhenden Sounds verändert? Hat er Zugeständnisse an den Zeitgeschmack und an Moden gemacht? Oder zieht er als musikalischer Überzeugungstäter sein Ding durch?
Man ahnt es. Charlie Worsham ist nicht der Typ von Künstler, der sich verbiegt, der schnell Kompromisse eingeht. Deshalb bietet auch "Sugarcane" die für ihn typische Musik: Klassische, ganz an den Roots des Genres angelegte Country-Songs, ohne jeden klangtechnischen Schnick-Schnack arrangiert. Pures, schnörkelloses Songwriting alter Schule, mit relativ wenig überraschenden Harmonie-Verbindungen und Texten, die eine klare, für jedermann verständliche Sprache sprechen. Das alles ist so sympathisch und ehrlich, dass er sich damit nur noch mehr in die Herzen der aufrechten Country-Jünger singt und spielt. Aber es ist auch so unspektakulär, dass ein kommerzieller Volltreffer nicht sehr wahrscheinlich ist.
"Sugarcane": Rückmeldung mit bewährten Zutaten
Ausgeschlossen sind Hit-Ehren für die sechs "Sugarcrane"-Songs aber natürlich nicht. Schließlich hält die EP beispielsweise Titel wie das muntere "Half Drunk" bereit. Ein Track, der auch Neo-Traditionalisten wie Alan Jackson oder Kenny Chesney gut zu Gesicht stehen würde und in dem er - vor allem in den hohen Tonlagen des Refrains - seine Klasse als Sänger unter Beweis stellt. Sehr überzeugend!
Etwas rockiger gibt sich Worsham in dem dunkleren "Fist Through This Town". "Wie eine Faust durch diese Stadt" soll der Song in Nashville einschlagen - und die Spotify-Streams belegen, dass er damit auf einem guten Weg ist: Der hymnische, mit gedrosselter Power aufgeladene Track beweist durchaus Hit-Potential.
Das darf man auch dem so simplen wie ungekünstelten Geständnis "Believe in Love" attestieren. Auf YouTube findet sich ein Video, das Charlie Worsham in der Grand Ole Opry zeigt, wie er dieses gefühlvolle Liebeslied aufführt. Eine Performance, ohne großes Brimborium. Ein paar Akkorde, ein paar warme, aber auch weise Worte, eine versierte Backing-Band, ein zurückhaltender Groove. Kurz: Ein Song, ganz im Geiste der Country-Pioniere.
In deren Sinne dürften auch die weiteren Tracks von "Sugarcane" ausfallen: der zupackende Titelsong, das emotionale "For the Love" und das finale, zum Charlie-Worsham-Motto taugende "Hang On To That" ("Halte dich daran fest").
Fazit: Charlie Worsham gibt nach vierjähriger Tonträgerpause mit "Sugarcane" die Rückmeldung - und bleibt sich dabei musikalisch treu: Country im stile der Neo-Traditionalisten. Solide, unaufgeregt, von zeitloser Qualität.
Label: RWarner Bros. Nashville (Warner) | VÖ: 16. Juli 2021 |
01 | Sugarcane |
02 | For the Love |
03 | Half Drunk |
04 | Fist Through This Town |
05 | Believe in Love |
06 | Hang On to That |