Es tut sich was an Nashvilles' Music Row. Aktueller Beleg: das gleichnamige Album von Nick Norman, das bei dem neuen Verlag von Lee Brice (Cock Crows Publishing) und auf dem neuen Label Pump House Records erscheint. In den elf Tracks spannt der aus South Carolina stammende, die letzten 15 Jahre aber in Key West, Florida, lebende Newcomer einen weiten Bogen von akustischem Folk über Klavier-Balladen bis hin zum 80ies inspirierten Country-Pop. Seine phrasierungssichere, soulige Stimme sorgt bei dem bekömmlichen Cocktail für das akustische Aushängeschild.
Vom Italo-Schmusebär zum Country-Rocker
Auch wenn er mit "Nick Norman" jetzt erstmals die große Bühne betritt: ein echter Newcomer ist er nicht. Eher im Gegenteil. Wer den Mann mit dem Spitzbubenlächeln bei Spotify aufruft, erhält - neben aktuellen Tracks - auch das 2010 erschienene Album "Cheater". Vermutlich eine Veröffentlichung in Eigenregie, wie Aufrufe unter der 10.000-Click-Rate nahelegen - und damit blieb die CD unter dem Radar potentieller Fans. Noch irritierender ist aber das hier ebenfalls gelistete, bereits 1996 erschienene Album "Il Meglio" auf dem er - ja doch, es ist jener Nick Norman - auf Italienisch singt: ein amerikanischer Eros Ramazzotti, der mit standesgemäß angerauter Latin-Lover-Stimme über "Sotto Questo Sole", "Bella Città" und die Tausend Tage von "Mille Giorni" schmachtet. Und: Hey, der macht das richtig gut!
Vor diesem Hintergrund wundert es einen nicht, dass Nick Norman über ein Jahrzehnt lang in Key West mehr oder weniger jeden Tag den Entertainer gab. Das klingt nach Alleinunterhalter und das war vermutlich auch so. Ein Knochenjob. Bei dem man zwar jede Menge Live-Erfahrung sammelt, bei dem man aber auch künstlerisch Verbrennen kann. Wie gut, dass er sich jetzt an Lee Brice, seinen Freund aus Kindertagen erinnerte - und der idealerweise gerade einen Musikverlag gegründet hat.
"Über die Entscheidung, Nick unter Vertrag zu nehmen, musste ich keine Sekunde lang nachdenken", verriet Lee Brice kürzlich in einem Interview. Es sei ihm eine Ehre, dass er jetzt helfen kann, die Karriere seines langjährigen Buddies anzukurbeln. "Er hat schon als Kind und Jugendlicher gut gesungen", erinnert sich Brice und verstreut gleich noch ein paar Vorschusslorbeeren: "Was er jetzt alles an Erfahrung gesammelt hat, hebt ihn auf ein neues Level. Seine Musik ist voller Seele und extrem groovy."
Man mag ihm da gar nicht widersprechen. So zeigt der routinierte Neuling im Opener "Gypsies" tatsächlich ab dem ersten gesungenen Ton, was in ihm steckt. Nämlich: eine starke, soulige, Stimme, die ihm in Nashville durchaus eine Art Sonderstatus einbringen könnte. Dass er sich in den zehn Jahren Touristen-Bespaßung in Florida jeglichen Country-Twang abgewöhnt hat, hätte ihm vor einiger Zeit noch geschadet. Heute wird darüber großzügig hinweggehört. Ob man aber auch die synthetischen, an die geschmacksverwirrten 1980er-Jahre erinnernden Bläser goutiert, darf bezweifelt werden. Dieses Produktions-Fettnäpfchen schmälert leider das Hörvergnügen des ansonsten lässigen, mit Karibik-Flair aufgeladenen Tracks.
Nick Norman hat sich mit "Nick Norman" neu erfunden
Gleiches gilt auch für den dritten Titel der CD: In dem melodiös hübsch gestalteten Track attackieren erneut Plastik-Bläser die karibische Hängematten-Anmutung - und sorgen abermals für Konfusion. Zwischen diesen beiden Songs läuft Nick Norman erstmals zur großen Form auf: In dem witzigen, bluesigen Country-Folk-Song berichtet der Songschreiber über einen Typen, der nicht viel mehr macht, als auf seinem Rasen zu sitzen. Klingt entspannt - ist entspannt! Angesiedelt im mittleren Tempobereich rollt der Song so unaufgeregt dahin, wie der Tennessee River im Hochsommer. Weil er sich dazu noch eine Ohrwurm-Hookline einfallen ließ, bringt der Track sogar Hitqualitäten mit.
Um die PR-Mühle in Gang zu bringen, sind Gastauftritte stets ein probates Mittel. Das weiß auch Nick Norman. Deshalb präsentiert er hier drei Country- und Americana-Größen, darunter: Jamey Johnson. Mit dem bärtigen Brummbären teilt sich der Sunnyboy das Mikrofon bei "The Cock Crows" - ein in allen Belangen origineller und gelungener Titel. Zu einem synkopierten Bo-Diddley-Groove sorgen eine zünftige Slide-Gitarre, eine Bläser-Section, ein Gospel-Chor, ein Honkytonk-Piano und - na klar - ein krähender Hahn für eine fröhlich brodelnde Cajun-Mixtur. Nicht ganz so originell, trotzdem aber gelungen zeigt sich das Duett mit Loving Mary-Sängerin Rebecca Lynn Howard: Bei der souligen Country-Ballade "Going Through The Motions" erinnern die beiden, eigentlich ziemlich unverblümt, an "House of Love", dem betagten Hit von Amy Grant und Vince Gill. Motto: Lieber gut kopiert als schlecht komponiert.
Seine dritte Kooperation hält er sich für den letzten Song der CD auf: "Rolling in the Grave", ein rustikaler, etwas düsterer Akustik-Folk-Song, bei dem er sich die gesanglichen Dienste von Josh Abbott, dem Frontman seiner gleichnamigen Red Dirt-Band, sichert. Gute Wahl. Denn der eher geschmeidige Norman ergänzt sich gut mit dem Whisky-geölten Gesang des Texaners. So sinnvoll Namedropping fürs Marketing sein kann - künstlerisch nötig hat es Norman nicht. Das belegt er in weiteren Songs seines Re-Starts, beispielsweise in Tracks wie der gefälligen Klavier-Ballade "All In", dem an die frühen Eagles erinnernden "Good Whiskey" und in soliden Country-Tracks à la "Just for the Record" und "Life is Good".
Fazit: Nick Norman wagt mit seinem gleichnamigen Album einen neuen Anlauf als Country-Musiker. Stargäste wie Jamey Johnson und Rebecca Lynn Howard waren dabei behilflich - und halfen ihm bei der musikalischen Orientierung.
Label: Pump House (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 5. März 2021 |
01 | Gypsies, Thieves, Jokers And Me |
02 | Porch Man |
03 | Love Don't Fool Me Again |
04 | Just For the Record |
05 | All In |
06 | The Cock Crows (mit Jamey Johnson) |
07 | Adeline |
08 | Going Through the Motions (mit Rebecca Lynn Howard) |
09 | Good Whiskey |
10 | Life is Good |
11 | Rolling in the Grave (mit Josh Abbott) |