In diesem Artikel wollen wir auch auf die Aussagen von Country-Fans eingehen, einige Sachen geraderücken, Hintergrundinformationen geben, aber auch aufzeigen, welche Kritik gerechtfertigt ist.
Der Sendertermin auf Vox
Erst einmal ist es gut, dass sich der Bertelsmann-Konzern zum Genre Country Music bekannt hat. Zu Bertelsmann gehört die Medien Gruppe RTL Deutschland, denen entweder folgende Sender gehören oder an denen sie beteiligt sind: RTL Television, GEO Television, RTL Crime, RTL Living, RTL Passion, Vox, n-tv, Nitro, RTLplus, Toggo plus, RTL II und Super RTL. Wer die Sender im Einzelnen kennt, wird feststellen, dass Vox die richtige Wahl für die Ausstrahlung der CMA Awards 2019 war.
Das Programm ist stark von US-Importen geprägt. Wochentags werden vorrangig erfolgreiche US-Serien gezeigt und Musiksendungen, wie zum Beispiel "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" sind erfolgreicher Bestandteil des Programms.
Auch der Sendetermin war klug gewählt. So lief im Vorprogramm die Weihnachtsausgabe von "Sing meinen Song" und auch wenn diese nie so erfolgreich ist wie die regulären Ausgaben, so schalteten doch 1,42 Millionen Menschen die Sendung ein.
Wichtig sind für die Sender aber nicht die tatsächlichen Zuschauer, denn die können stark tageszeitabhängig variieren, sondern die Marktanteile. "Sing meinen Song - Die Weihnachtsparty" erreichte 6,9 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der 14- bis 59-jährigen Zuschauer bzw. 7,5 Prozent der 14-49-Jährigen. Also eigentlich gute Voraussetzungen, dass die CMA Awards 2019 bessere Einschaltquoten hätten erzielen können. Hätten die Verantwortlichen den Sendetermin tatsächlich auf 20:15 Uhr gelegt, wären die Marktanteile vermutlich noch geringer ausgefallen, denn um 20:15 Uhr schauen einfach mehr Menschen fern als um 22:15 Uhr. Die Quoten wären also vermutlich noch desaströser gewesen und ein definitiver Todesstoß für die Ausstrahlung im Fernsehen.
Bernhard Saß machte auf unserer Facebook-Seite den Vorschlag: "Vielleicht sollte man mal eher über eine Live-Übertragung nachdenken! Ein Fußballspiel von vor zwei Wochen lockt heute auch keinen mehr hinterm Ofen hervor...!" Wenn den Country-Fans schon 22:15 Uhr zu spät ist, dann wird das Murren vermutlich deutlich lauter, wenn die Sendung um 2:00 Uhr morgens bei einer Live-Übertragung anfängt. Wer soll da eigentlich einschalten? Selbst bei der deutlich populäreren Oscar-Verleihung sind die tatsächlichen Zuschauer im Vergleich überschaubarer. Aber die Kritik von Bernhard Saß richtig sich auch gegen die zweiwöchige Verzögerung. Dazu ist anzumerken, dass Vox hier keine Schuld trifft, denn der Zusammenschnitt wird so von der Country Music Association angeliefert und die braucht alleine schon ein paar Tage. Dann muss sich das jemand anschauen und die Voice Over-Texte schreiben, sprechen und überprüfen. Da sind zwei Wochen durchaus realistisch, wenn man dann auch noch den guten Lead-In von "Sing meinen Song" haben möchte.
Die CMA Awards 2019 Sendung
Vox hat zunächst einmal überhaupt keinen Einfluss, wer bei den CMA Awards auftritt. Genauso wenig, was in der Zusammenfassung und in welcher Reihenfolge gezeigt wird. Dafür ist ausschließlich die Country Music Association (CMA) zuständig.
Die CMA ist seit jeher der Meidung, dass dem internationalen Zuschauer die Verleihung der Preise nicht interessiert, sondern nur wegen der Musik eingeschaltet wird.
Dass in diesem Jahr der Anteil von weiblichen Country-Künstlern deutlich höher war als in den vergangenen Jahren, ist dem Thema geschuldet, denn die CMA wollte den zurzeit unterrepräsentierten Damen der Country Music eine Plattform geben. Das wurde auch Zeit!
Von vielen Fans wurde bemängelt, dass es sich nicht um "echte" Country Music handelt. Hierzu werden wir später noch getrennt eingehen, aber die CMA Awards haben schon immer den aktuellen Zeitgeist der Country Music widergespiegelt und zum kleinen Teil an die glorreiche Vergangenheit des Genres erinnert.
Paul Hahn schrieb auf Facebook: "Kommerzielles gleichklingendes beliebig austauschbares Mainstream-Gedudel, grausam. Das was dort geboten wurde, kann man in eine beliebige Sendung eines kommerziellen Senders einfügen, es würde sich nicht abheben, oder gar als Country-Music erkennbar sein. Marty Robbins oder Waylon Jennings würden sich im Grabe umdrehen. Und wenn Sie es alleine nicht schaffen, dann helfe ich Ihnen." oder Heide Schloegl "I despise Pop Country the reason I don't watch CMA". Da fragt man sich, ob wirklich die ganze Sendung geschaut wurde, denn neben den aktuellen Chart Hits und solche die es werden wollen, gab es "Fancy" von Reba McEntire, "Delta Dawn" von Tanya Tucker und es ist überhaupt nicht begreiflich, warum sich Marty Robbins oder Waylon Jennings im Grab umdrehen sollten, wenn sie das Duett von Kacey Musgraves und Willie Nelson hören.
Hätte Kelsea Ballerini sich hierzulande bei einem Konzert in die Mitte des Saales gesetzt und zur Akustik-Gitarre ihr Lied "Homecoming Queen" dargeboten, wären die Besucher vor Freude im Dreieck gesprungen und die positiven Kritiken hätten sich überschlagen. Macht sie das im Fernsehen, ist es auf einmal Pop-Gedudel und Waylon Jennings würde sich im Grab umdrehen? Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und Kritik kann und muss geübt werden, aber man muss auch die Kirche im Dorf lassen und nicht blind auf alles einschlagen.
Kritik an den CMA Awards 2019
Wie schon eingangs erwähnt, darf man natürlich auch Kritik üben und es gibt durchaus Punkte, die man verbessern kann:
Bei der Wahl der Moderatorinnen hat die CMA kein glückliches Händchen erwiesen. Dolly Parton ist mit Sicherheit eine der besten Country-Sängerinnen, die es gibt, aber als Moderatorin für diese Fernsehsendung ist die Queen of Country Music leider gänzlich ungeeignet. Kein Mensch lacht mehr (ernsthaft) darüber, dass Dolly Parton einen großen Busen hat. Jeder County-Fan zwischen 8 und 80 weiß das, aber was soll daran lustig sein?
Ohnehin war das Drehbuch der Sendung einfach schlecht. Die Moderationen wirkten wenig überzeugend und irgendwie nur bla-bla. Dabei gibt es in den USA hervorragende Autoren, die inhaltlich gehaltvolle Anmoderationen hätten schreiben können und auch das Geplänkel zwischen den Moderatorinnen auf ein lustiges und intelligentes Niveau hätten heben können. Da wurde am falschen Ende gespart.
Beim Schnitt der internationalen Zusammenfassung muss die CMA endlich ihre Einstellung überdenken. Die CMA Awards ohne Preisträger? Neben dem Entertainer des Jahres sollten zumindest die wichtigsten Gewinner, Laudationen und Dankesreden ausgestrahlt werden. Dazu gehört Sänger-, Sängerin und Newcomerin des Jahres. Nur so können die Zuschauer eine emotionelle Bindung zu den Künstlern aufbauen. Natürlich gehört dazu auch die Verleihung Album des Jahres - es geht hier schließlich um Musik. Dann würde die Sendung sich nicht wie ein Stückwerk anfühlen, sondern tatsächlich als eine durchgängige Gala.
Natürlich muss man dann an anderen Ecken Zeit einsparen. Bei den CMA Awards 2019 zum Beispiel am Dierks Bentley Auftritt. Wenn Kris Kristofferson ausgezeichnet wird (Willie Nelson Lifetime Achievement Award), er aber an der Verleihung nicht teilnimmt, weil ihm eine andere Veranstaltung wichtiger ist, dann muss man ihn bei einer Zusammenfassung auch nicht musikalisch ehren. Auch auf das durch einen fingierten Presseskandal gepuschte "Girls Crush" hätte man verzichten können. Ein mittelmäßiger Song wird nicht besser, nur weil es an diesem Abend gilt Frauen in den Vordergrund zur rücken und der Titel das Wort "Girl" enthält.
Den Mitarbeitern von Vox muss man vermutlich zu Gute halten, dass das ihre erste Country-Sendung war und sich bisher niemand ernsthaft mit dem Thema und der Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Nun gut, vielleicht hätte man in die Gelben Seiten schauen und jemanden fragen können, der sich damit auskennt.
Den ersten Werbeblock innerhalb der Eröffnungsnummer zu setzen, verstärkte noch den Eindruck, dass alles nur zusammengestückelt war. Das würde sich bei den Oscars, Emmys, Grammys oder Tonys kein Mensch leisten. Also bitte auch nicht bei den CMA Awards.
Auch 3SAT war damals heftiger Kritik wegen dem Voice Over ausgesetzt. Heute gibt es technisch schönere Lösungen. Zum Beispiel Zweikanalton oder Videotext-Untertitel auf der allgemein bekannten Tafel 150. Bei langfristiger Planung bekommt man es bestimmt hin, dass sogar die Moderatoren das am Anfang in einer extra für Vox aufgezeichneten Ansage dem Zuschauer mitteilen.
Was ist Country Music?
Ganz ehrlich? Diese Diskussion ist überflüssig wie ein Kropf! Immer wieder wurde gesagt, dass die Musik bei den CMA Awards 2019 keine Country Music mehr sei. Ist das nicht ein wenig anmaßend, wenn Deutsche den Amerikaner erklären wollen, was Country Music ist? Wir glauben, dass die Künstler, Plattenfirmen und die CMA sehr gut wissen, wie man Country Music definiert. Aber diese Diskussion ist längst ein alter Zopf, denn Johnny Cash, Garth Brooks, Shania Twain und Keith Urban mussten sich demselben Vorwurf aussetzen und heute würde es kein Mensch mehr wagen Johnny Cash vorzuwerfen, er hätte keine Country Music gemacht.
Viele, die das Schreiben, meinen es vermutlich auch nicht. Schöner wäre es, wenn die Kritik zukünftig etwas spezifischer formuliert würde. Ich mag das und das Lied nicht oder der und der Künstler gefällt mir nicht. Pauschalisierungen führen oft dazu, dass Kritik nicht mehr erst genommen wird. Denn neben den zuvor erwähnten Auftritten von Reba McEntire, Kelsea Ballerini und Willie Nelson standen auch zum Beispiel Garth Brooks und Blake Shelton auf der Bühne und das soll wirklich keine Country Music sein?
Erinnern wir uns doch nur ein paar Jahre zurück: Es gab keine Country Music in den Medien, Konzert-Tourneen waren die Ausnahmen und Country-Festivals mit internationalen Country-Künstlern konnte man suchen. Heute haben wir zwei Internet-Radio-Sender, die 24 Stunden am Tag Country Music spielen, drei der großen Fernsehshows werden hierzulande im Fernsehen ausgestrahlt, auf den Tourneen geben sich die Künstler die Klinke in die Hand und neue Festivals mit internationalen Country-Künstlern schießen wie Maiglöckchen aus dem Schnee. Hinzu kommt, dass Universal Music zu den CMA Awards 2019 hierzulande sogar eine CD veröffentlicht hat, die zurzeit bei Amazon.de auf Platz 1 der Country-Charts steht. Wollen wir wirklich die Uhr zurückdrehen?
Im März 2013 haben wir unseren Lesern "versprochen", dass es mit der Country Music bergauf geht und wir uns intensiv für die Stärkung der Country Music in Deutschland einsetzen werden. Die ersten Schritte sind getan, aber noch ist das Ziel nicht erreicht. Es liegt noch ein langer Weg vor unseren Lesern, den Country-Fans in Deutschland und uns als CountryMusicNews.de auch die anderen Medien und Mitbürger zu begeistern. Packen wir es an und unkonstruktive Kritik ist da kontraproduktiv!