YouTube und andere soziale Netzwerke bezahlen für das Recht Musikvideos auf deren Webseite einzubinden. Bei typischen Lizenzverträgen ist entweder eine Mindestgebühr fällig, die anhand der Anzahl der Aufrufe eines Videos bestimmt wird, oder bei größeren Beträgen eine Anteil der Werbeeinnahmen, so dass Musikvideos zu einer kleinen, aber schnell wachsenden Einnahmequelle für die Labels werden. Der Geschäftsführer eines nicht genannten Labels schätzt, dass Musikvideos der Musikindustrie dieses Jahr etwa 300 Millionen US-Dollar einbringen werden. Was ja auch gerechtfertig ist, denn eine Webseite, die Einnahmen hat in dem sie Produkte anderer Firmen öffentlich macht, sollte ein Stück von dem Kuchen abgeben.
Plattenlabel haben ein starkes Interesse daran, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, um die stark fallenden Einnahmen aus dem Verkauf von Musik-CDs aufzufangen. Laut Nielsen SoundScan wurden dieses Jahr 45 Prozent weniger Alben verkauft als im Jahr 2000. Ein neuer Bericht von Forrester Research prognostiziert, dass die CD-Verkäufe über die nächsten fünf Jahre jährlich um etwa 9 Prozent schrumpfen werden, wobei Händler den für CDs vorgesehenen Regalplatz weiter reduzieren und Musikfans verstärkt im Internet einkaufen werden. Ein Trend, der sich auch in Deutschland zeigt, denn sehr oft werden jetzt bereits CD-Regale durch DVD-Regale ersetzt.
Das führt dazu, dass Geschäftsführer von Musikunternehmen darauf drängen, sogenannte 360er Verträge abzuschließen, bei denen sich die Label einen Teil der Einnahmen sichern, die früher dem Künstler vorbehalten waren, wie zum Beispiel Einnahmen aus dem Verkauf von Konzerttickets und T-Shirts oder anderen Fanartikeln. Aber nicht nur Plattenlabel schließen bereits solche Verträge. Künstlerinnen wie Madonna oder Shakira haben ihren Vertrag bereits mit Tourveranstaltern, die 360- Verträge haben und die Musik an eine Plattenfirma sublizensieren oder eigene Plattenfirmen gründen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Country-Superstar einen solchen Vertrag unterzeichnet.
"Die Vorstellung, so viele Einnahmeflüsse wie möglich zu erzeugen, so viel wie möglich unter Lizenz zu stellen und aus all den digitalen Pfennigen richtiges Geld zu machen, fasziniert im Moment alle", sagt David Card, Forschungsdirektor bei Forrester.
Musikvideos: Eine bedeutende Sparte
Musikvideos sind nur eine der unzähligen Möglichkeiten, die die Musikunternehmen nutzen, um eine Musiksingle zu vermarkten, von 99-Cent-Downloads bis hin zu Klingeltönen für Handys.
"Videos sind zwar nicht die größte Sparte, aber eine bedeutende und umfasst etwa 5 bis 10 Prozent des Gesamtumfangs", sagt Thomas Hesse, Präsident des Global Digital Business bei Sony Music Entertainment. "Das ist eine bedeutende und wachsende Zahl."
Alle Welt dachte, dass Videos nichts weiter sind als fernsehwirksame Werbeflächen, als der 24-Stunden-Musiksender MTV 1981 startete. Damals gaben die Labels viel Geld für kinoreife Produktionen aus wie zum Beispiel das 14 Minuten lange Musikvideo "Thriller" von Michael Jackson, unter der Regie des Hollywood-Filmemachers John Landis, das 1 Million Dollar verschlang.
"Die Ironie besteht darin, dass wir damals, als wir siebenstellige Beträge und mehr für die Produktion von Videos ausgaben, kein Geld damit gemacht haben", sagt Jeff Dodes, Senior-Vizepräsident für Marketing and Digital Media der Zomba Label Group, die Künstler wie Jordin Sparks, Justin Timberlake und Pink unter Vertrag hat. "Damals war die Medienlandschaft noch nicht so zerklüftet wie heutzutage."
Jene Zeit - wie die Vorherrschaft von MTV, CMT oder GAC als Plattform für Musikvideos - ist Vergangenheit.
Die großen Label erkannten, dass das Geschäftspotential der polierten, kurzen Inhalte, die von den Internetbenutzern wie digitale Bonbons vernascht werden. Mit Musikvideos konnten Sites ein Publikum erzeugen und Universal Music war unter den ersten, die Lizenzverträge mit America Online (AOL), Yahoo Music und MSN der Microsoft Corp. abschlossen, um Gebühren zu verlangen für die Videos, die den Internetbenutzern kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.
YouTube beschleunigte den Wechsel
Durch den Start von YouTube im Dezember 2005 wurde die digitale Videolandschaft völlig neu gestaltet. Die Site wurde in den USA schnell beliebt und wird heute monatlich 100 Millionen Mal besucht dank schrägen Homevideos und Mini-Promis, die immer mal wieder auftauchen. Nach eigener Forschung von Universal Music ist YouTube die wichtigste Quelle neuer Musik für Teenager, die sich bei der Suche nach neuen Titeln immer stärker dem Computerbildschirm zuwenden anstatt sich über Radio und Fernsehen inspirieren zu lassen.
Universal Music, die weltweit größte Plattenfirma, erwartet dieses Jahr Einnahmen aus dem Onlinestreaming von Musikvideos in Höhe von 100 Millionen US-Dollar - die Einnahmen im Jahr 2004 lagen noch bei null.
Obwohl dieser Betrag nicht an die Verbraucherausgaben für Songdownloads, Handy-Klingeltöne oder CD-Verkäufe heranreicht, erwartet die Geschäftsführung dennoch, dass die Werbeeinnahmen über Musikvideos wachsen werden. Die Einnahmen der Labels durch Videos sind im Vergleich zum letzten Jahr um 80 Prozent gestiegen. Das könnte natürlich auch zur Folge haben, dass zukünftig wieder mehr Musikvideos gedreht werde, denn gerade im Country-Bereich gab es in den letzten Jahren immer weniger Musikvideos.
"Es ist definitiv ein Träger bedeutenden Wachstums", sagt Rio Caraeff, geschäftsführender Vizepräsident von ELaboratory bei Universal Music, eine Abteilung, die für das Label neue Geschäftsfelder durch neue Technologien erschließt. "Sowie die Madison Avenue und Werbefachleute im allgemeinen Videowerbung als brauchbares Medium akzeptieren, wird es keinen populäreren Inhalt im Internet geben, keinen besser geeigneten, als Musikvideos in schnell konsumierbarer Snackgröße."
Marken wie Coogi, ein Hersteller von Kleidung, sind so erpicht darauf, ihre Finger bei Musikvideos mit im Spiel zu haben, dass sie für bezahlte Produktplatzierung sogar die gesamten Produktionskosten in Höhe von 1 Million Dollar für das Universal Motown-Musikvideo "I'm So Paid" von Akon übernehmen.
Im Vorspann des Videos setzt ein Hubschrauber den städtischen Künstler an Deck einer 12-Meter-Yacht ab, wo er aussteigt und an zwei Frauen, die Bikinis von Coogi tragen und auf dem Rand einer Badewanne sitzen, vorbeischlendert. - Bezahlte Produktplatzierung ist "der schlauere Weg", sagt Aliaune Thiam, die unter dem Künstlernamen Akon auftritt.
Die Plattenlabel wollen ein besseres Geschäft
Die Popularität von Musikvideos als eigenständige Unterhaltungsform hat die Labels bestärkt, Verträge neu auszuhandeln und höhere Zahlungen von ihren digitalen Abnehmern zu verlangen - und bereiteten so nicht nur die Bühne für den Kampf zwischen YouTube und Warner Music, dem drittgrößten Label, sondern auch die Heimstatt für Künstler wie Big & Rich, Faith Hill oder Blake Shelton sowie Rapper T.I., Red Hot Chili Peppers und Linkin Park.
"Wir möchten eine möglichst vollständige Palette von Musik anbieten, aber wir müssen das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tun", sagt Chris Maxcy, Direktor für Inhalt-Partnerschaften bei YouTube. "Einige Labels hängen an Modellen, die wirtschaftlich keinen Sinn ergeben. Wir sind traurig, wenn wir uns von Inhalten verabschieden müssen, weil wir uns nicht auf die Bedingungen einigen können."
Was bei der Pop-Musik funktioniert, stellt sich bei Nischen wie Country als Problem da.
Wurden früher die Musikvideos den Sendern kostenlos zur Verfügung gestellt, müssen jetzt sogenannte Handlings-Gebühren bezahlt werden. Die liegen für ein Country-Video zwischen USD 150,00 und 500,00. Da Countryvideos in Deutschland aber nicht von den lokalen Niederlassungen bereitgestellt werden, müssen diese aus den USA importiert und von NTSC auf PAL normgewandelt werden. Alleine diese Kosten liegen für ein Musikvideo bei rund EUR 50,00. Hinzu kommen die Frachtkosten, da die Videos nur leihweise zur Verfügung gestellt werden.
Unabhängig davon müssen die Fernsehsender sogenannte öffentliche Aufführungsrechte an die Plattenlabel und Produzenten der Videos bezahlen. Die Gebühren liegen dafür bei einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (je nach Reichweite) bei ca. EUR 400,00 pro Musikvideo pro Ausstrahlung. Nun kann man sich ausrechnen, was zum Beispiel eine 90minütige Sendung von "Country Roads" alleine an Kosten für die Ausstrahlung der Videos an Gebühren kostet.
Was bei den Fernsehsendern ein Nachteil ist, ist bei den Online-Videos ein Vorteil. Denn CountryMusicNews.de hat mit mehreren Plattenlabeln einen Vertrag abgeschlossen, der es ermöglicht Musikvideos auf der Seite zeitlich befristet einzubinden. Die Gebühren für diesen Zeitraum sind im Verhältnis zu den Gebühren, die YouTube & Co. zahlen müssen, eher gering, da die Einbindung noch unter Promotion für die CDs läuft. Einzig Sony Music Entertainment konnte sich nicht zu einer Einigung durchringen und einige Videos von EMI, die zum Beispiel wie Keith Urban in Deutschland selbst vermarktet werden, fallen nicht unter dieses Abkommen.